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Wissen, was gespielt wird

14.05.2012  |  Theodore Butler
Gerade wenn die Preise unter Druck geraten, kann es beruhigend sein, zu wissen, wie das Spiel läuft. Und hiermit meine ich nicht die tagtäglichen Kursbewegungen an den Märkten, sondern die dominanten Kräfte und Einflussfaktoren, die sowohl kurz- und langfristige Kursentwicklungen verursachen. Die globale Preisfindung für Gold und Silber findet hauptsächlich an der US-Terminbörse COMEX statt. Auf lange Sicht betrachtet, beeinflussen natürlich andere Dinge den Preis - so zum Beispiel Produktionsergebnisse, Verbrauchsdaten und die Investitionsnachfrage. Diese längerfristigen Einflussfaktoren ändern sich jedoch nicht radikal von einem Tag auf den anderen. Und in der Regel ist es auch nicht zielführend, diese Einflussfaktoren mit den kurzfristigen Kursentwicklungen in Verbindung zu bringen. Und manchmal, so wie es auch aktuell der Fall ist, sprechen die globalen Entwicklungen viel eher für einen Ansturm auf die Edelmetalle - gäbe es da nicht die Preisfindung an der COMEX.

Aber wie genau werden die Silber- und Goldpreise an der US-Terminbörse COMEX festgestellt? Die Preisfindung an der COMEX ist das Ergebnis eines dauerhaften Wettbewerbs zwischen einer Gruppe, die als Commercial Traders bezeichnet wird und der Gruppe der Spekulanten (alias Non-Commercials). Der Begriff Commercial Trader ist allerdings eine Fehlbezeichnung, da diese Händler in der Regel nur spekulieren. Eigentlich sollte der US-Terminmarkt so funktionieren, dass die "Hedger“ (echte Produzenten und Verbraucher mit tatsächlichen kommerziellen Interessen) ihre Preisrisiken auf die Spekulanten umlegen. In Wirklichkeit läuft es aber ganz anders. Nur noch sehr wenige Silberbergbauunternehmen sichern ihre Produktion an Terminbörsen ab. Zudem treten echte Hedger nicht als exzessive, kurzfristig ausgerichtete Terminkontrakthändler auf. Dennoch bestehen 90% des täglichen COMEX-Handelsvolumens für Silber und Gold (aber auch andere Terminwaren) aus kurzfristigen Handelsoperationen. Der kurzfristige Terminhandel findet also zwischen zwei konkurrierenden Gruppen von Spekulanten statt - wovon die eine Gruppe aber den Namen "Commercials“ trägt.

Am besten betrachtet man die Commercials als die Gruppe der "Marktmacher“. Sie übernehmen die Gegenpositionen zu all jenen Positionen, die die Gruppe der Spekulanten kaufen oder verkaufen möchte. Für jede Long-Position muss eine Short-Position existieren und umgekehrt. Und gleich welche Wahl die Spekulanten treffen, die Commercials nehmen die entgegengesetzte Seite ein.

Das Problem dabei ist, dass sich die Spekulanten hauptsächlich von technischen Kurssignalen beeinflussen lassen - und selbst jene Spekulanten, die nicht rein technisch ausgerichtet sind, kaufen in der Regel, wenn die Kurse steigen, bei fallenden Kursen verkaufen sie. Fast alle Spekulanten sind von Grund auf unabhängige Trader, die keine Verbindungen zu anderen Spekulanten haben. Auch wenn es keinen Grund für die Annahme gibt, dass sich die Spekulanten geheim und in betrügerischer Weise untereinander absprechen würden, so ist es dennoch Tatsache, dass diese sehr unabhängigen Trader in der Regel en masse kaufen oder verkaufen - bei steigenden Kursen kaufen sie, bei fallenden Kursen verkaufen sie. Die Spekulanten "traden“ dabei jedoch nicht vorsätzlich als Gruppe, dies ist eher eine unbeabsichtigte Konsequenz, weil Spekulanten all ihre Kauf- und Verkaufsentscheidungen von Kursänderungen abhängig machen. Spekulanten etablieren Positionen, weil sie glauben, jeder Trade hätte Gewinnpotential.

Nicht so bei den Commercials. Im Gegensatz zu den Spekulanten verfolgen die Commercials ein völlig anderes Ziel. Anstatt sich auf das Gewinnpotential der einzelnen Trades zu konzentrieren, verfolgen sie eine andere Mission: Sie wollen die Spekulanten als Gruppe beherrschen und dirigieren. Hier gibt es gewisse Ähnlichkeiten zur Unterscheidung "Männer sind vom Mars, Frauen von der Venus": Spekulanten und Commercials zeichnen sich am Markt durch komplett unterschiedliche Denkweisen aus. Für die Spekulanten stehen der nächste Trade und die eigenen Positionen im Mittelpunkt; für die Commercials hingegen zählt die Beherrschung der Spekulanten. Meiner Ansicht nach haben die Spekulanten entweder keine Ahnung, dass die Commercials es auf sie abgesehen haben, oder sie geben nicht viel darauf. Das verschafft den Commercials aber einen großen Vorteil.

Da die Commercials das Spiel besser überblicken und den Spekulanten somit einen Schritt voraus sind, konnten sie eine Marktstrategie entwickeln, die sich deutlich von der Strategie der Spekulanten unterscheidet. Allerdings dürften viele der Methoden und Techniken, die von den Commercials entwickelten wurden, schlichtweg als illegal gelten. Es gibt meiner Meinung nach durchaus triftige Gründe, davon auszugehen, dass die Commercials mit ihrer Absicht, die Gruppe der Spekulanten beherrschen zu wollen, letztendlich Marktmanipulation in Reinform hervorbrachten. Die erste Definition von Manipulation, die ich auf Google aufrief, bringt es schon auf den Punkt: "arglistige oder unaufrichtige Einflussnahme hauptsächlich zum eigenen Vorteil“.

Gerade an den COMEX-Märkten für Silber und Gold perfektionierten die Commercials eine ganze Reihe von Techniken zur Manipulation der Spekulanten. So sind sie unter anderem in der Lage, die Kurse kurzfristig zu bestimmen, besonders in Zeiten mit geringem Handelsvolumen (über Nacht) oder ansonsten durch Hochfrequenzhandel (High Frequency Trading). An vielen Märkten wurde der Einsatz dieser Techniken durch die Aufsichtsbehörden unattraktiv gemacht, nicht aber am Gold- und Silbermarkt.




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