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Detlev S. Schlichter: Scheinerholungen mit bösem Ende (Teil 2/2)

02.07.2014
Den ersten Teil können sie hier lesen ...

  • 3) “Makroprudentielle“ geldpolitische Ansätze erzeugen die Illusion von Sicherheit, sie werden das System aber weiter destabilisieren.

    Makroprudentielle Maßnahmen sind schwer in Mode gekommen. Die Tatsache, dass niemand laut über diesen Unsinn lacht, ist ein weiterer Hinweis auf die Verbreitung tiefer, fester Staatsgläubigkeit. Diese politischen Ansätze sollen folgendermaßen funktionieren:

    Ein Arm des Staates (die Zentralbank) pumpt große Mengen neu geschöpften Geldes ins System, um die Wirtschaft anzukurbeln, zu “stimulieren"; ein weiterer Arm des Staates (auch wenn es sich oft um denselben Arm handelt - nämlich die Zentralbank in ihrer Rolle als Regulierer und Aufseher) sorgt dafür, dass die Öffentlichkeit damit keine dummen Sachen macht.

    Das Geld wird somit dorthin “gelenkt", wo es keinen Schaden anrichten kann. Ganz einfach. Beispiel: Die Schweizer Nationalbank flutet den Markt mit Geld, verhindert aber gleichzeitig, dass die Banken zu viele Hypothekenkredite vergeben, und auf diesem Weg wird eine Immobilienblase verhindert.

    “Makroprudentiell” ist natürlich ein Euphemismus für staatlich kontrollierte Kapitalmärkte; man muss schon ein ganz hartgesottener Etatist sein, mit eisernem Glauben an die Zentralplanung und im Besitz der grenzenlosen Weisheit von Staatsdirektoren, um der Ansicht zu sein, dass die Wirtschaft dadurch sicherer wird. (Trotzdem: Der Glaube an eine alles erfassende staatliche Planung ist sicherlich auf dem Vormarsch.)

    Natürlich ist die ganze Idee an sich ziemlich lächerlich. Dank staatlich gelenkter Kapitalflüsse hatten wir ja gerade erst eine Krise. Jahrzehntelang war fast jeder staatliche Arm der USA auch damit beschäftigt, Kapital in den US-Immobilienmarkt zu lenken, ob nun über Steuervergünstigungen, staatsnaher Hypothekenversicherer oder eben endlos “easy money“ von der Fed. Wir wissen, wie das ausging. Und jetzt sollen wir glauben, dass der Staat das Kapital vernünftiger lenken wird? - Neue makroprudentielle Politikansätze bedeuten letztlich nicht das Aus für Bubbles, sondern einfach nur andere Bubbles.

    So scheuen sich die Banken der Eurozone beispielsweise davor, Kredite an Unternehmen zu vergeben, was zum Teil auch daran liegt, dass diese im Rahmen der neuen Bankkapitalauflagen teuer geworden sind. Aber im Rahmen genau dieser Regulierungen werden Staatsanleihen als risikofrei deklariert, wodurch keine zusätzlichen Kapitalkosten aufgeschlagen werden müssen. Kostenfreie Liquidität aus der EZB und Draghis Versprechen, “alles erdenklich Nötige zu tun", um die Eurozone zusammenzuhalten, erledigen dann den Rest.

    Die darauf folgende Rally der spanischen und italienischen Staatsanleihen auf neue Rekordtiefverzinsungen könnten nun einige als Indikator für einen Gesundungsprozess in Europa wahrnehmen und als Indiz rückläufiger systemischer Risiken; es könnte sich aber genauso eine Bubble handeln - also wieder eine politikgesteuerte Verzerrung und eine weitere tickende Zeitbombe in der Bilanzen der europäischen Banken.

  • 4) Inflation is not dead. Viele Marktteilnehmer scheinen zu glauben, dass die Inflation nie wieder kommen werde. Ganz gleich, wie lax sich die Geldpolitik auch gestaltet - und egal wie lange noch: Die einzige Inflationsform, die wir jemals zu Gesicht bekommen werden, ist die Vermögenspreisinflation. Mögen die Preise für Grund und Boden in die Höhe rasen, die Erzeugnisse, die auf diesem Land produziert werden, werden niemals teurer. - Das ist, denke ich, nicht möglich.

    Hier wird es Übertragungseffekte (spill-over) geben: Abhängig davon, in welchem Maße die Geldpolitik Wirkung zeigt (wie beispielsweise mit einer Ausweitung der größeren, allgemeineren monetären Aggregate), werden auch die Preise allgemeiner steigen. Vergessen Sie zudem nicht, dass die Zentralbanker derzeit Inflation anstreben.

    Ich finde es schon eigenartig, wenn ich sehe, wie die Märkte auf der einen Seite bei Risikoprämien und Aktienkursen gehorsam nach der Pfeife der Zentralbanker tanzen, wenn ich auf der anderen Seite aber auch beobachten kann, dass Ökonomen und Strategen den Wunsch der Zentralbanker nach höherer Inflation zynisch missachten. Bedeutet das jetzt, dass die Macht des Gelddruckens sich allein auf die Märkte für Vermögensanlagen erstreckt, aber vor den Konsumgütermärkten Halt macht?

    Ich denke nicht. Sobald allgemeinere Preisanstiege zu verzeichnen sind, wird sich die gesamte Dynamik in den Märkten ändern. Viele Investoren werden die Punkte 1 bis 3 für sich nicht gelten lassen - in der Annahme, dass jegliche Störung im neuen Investmentparadies ganz einfach und schnell durch erneute politische Lockerungsmaßnahmen ausgestampft wird. Erhöhte und steigende Inflation (und potentiell steigende Inflationserwartungen) würde die Gewinnchancen bei dieser Wette aber neu verteilen.

    Durch Zentralbanken tolerierte Inflation muss schließlich auch zu einer Neubewertung von Anleihen führen. Läuft dieser Prozess erst einmal, hat das auch Konsequenzen für andere Vermögensanlagen. Ich glaube, dass die Märkte das Inflationsrisiko derzeit schwer unterschätzen.





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