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Ein Goldkrieg kommt selten allein

16.11.2014  |  Manfred Gburek
Der Countdown läuft: Am 30. November sollen Schweizer Bürger über ihr Gold entscheiden. Konkret: Die Initiative "Rettet unser Schweizer Gold" verwahrt sich gegen weitere Goldverkäufe durch die Schweizerische Nationalbank (SNB), nachdem diese zu Beginn des Jahrtausends 1550 Tonnen des Edelmetalls zu Spottpreisen verschleudert hatte. Jetzt besitzt die Schweiz nur noch 1040 Tonnen. Darüber hinaus strebt die Initiative an, dass die SNB mindestens 20 Prozent ihrer Anlagen in Gold hält (derzeit sind es weniger als 10 Prozent). Und sie fordert die SNB auf, sämtliche Goldreserven der Eidgenossen in der Schweiz zu lagern (jetzt sind es erst 70 Prozent, während sich 20 Prozent bei der britischen und 10 Prozent bei der kanadischen Zentralbank befinden).

Zuletzt sorgte eine Umfrage für viel Wirbel. Danach waren 44 Prozent der Befragten ganz oder prinzipiell für die Initiative und nur 39 Prozent dagegen. Doch wie einige bisher gescheiterte weitere Initiativen zeigen, etwa zu Steuern oder zu Mindestlöhnen, können Erfolge aufgrund erster Umfragen schnell verpuffen. Demgegenüber verweisen die Befürworter der Goldinitiative wiederum auf erfolgreiche Aktionen, wie gegen mehr Einwanderung und gegen Minarette. Alles in allem also Grund genug, "Rettet unser Schweizer Gold" hier einmal mehr zu thematisieren, und zwar mit einem Blick zurück, der mehr offenbart als allein die Geschichte des Schweizer Goldes, nämlich länger als sieben Jahrzehnte anhaltende Goldkriege.

Diese begannen knapp ein Jahr nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs mit der Blockade des Deutschen Reichs gegen Goldgeschäfte der Schweiz mit den USA, mit Großbritannien und weiteren Ländern. Die große Bedeutung der Blockade wird aus einer Jahre später veröffentlichten Statistik der SNB ersichtlich. Derzufolge betrug der Saldo aus solchen Geschäften zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reich in der Zeit während des ganzen Zweiten Weltkriegs etwas über, zwischen der Schweiz und den USA etwas unter 1,2 Milliarden Franken. Das heißt, die Goldgeschäfte der Schweiz konzentrierten sich nicht allein auf das Deutsche Reich, wie Jahrzehnte später vor allem von amerikanischer Seite immer wieder kolportiert wurde, sondern in vergleichbarer Größenordnung auch auf die USA.

Während der ersten Nachkriegsjahre spielte Gold, ganz anders als der Dollar, zunächst eine untergeordnete Rolle. Man hatte ihm im Währungssystem von Bretton Woods aus dem Jahr 1944 quasi einen Platz am Katzentisch zugewiesen. Derweil exportierte die Bundesrepublik fleißig Autos, Maschinen, chemische und elektrotechnische Produkte und schuf damit die Grundlage für ihre Goldreserven. Die wurden allerdings statt in den Tresoren der Bundesbank vor allem in den USA, in England und Frankreich gelagert – schließlich sollten sie ja nicht der Sowjetunion anheimfallen, falls die es gewagt hätte, in die Bundesrepublik einzumarschieren.

Die Zeit des Goldes kam dann wieder in den 60er Jahren: Die führenden Zentralbanken schlossen sich im Oktober 1961 zum Londoner Goldpool zusammen. Dessen Ziel bestand darin, den Anstieg des Goldpreises zu verhindern. Die damalige Überlegung der Poolbetreiber unter Führung der Amerikaner und Briten: Würde der Goldpreis steigen, käme dies einem Misstrauensvotum in die Solidität von Dollar und Britischem Pfund gleich. Das sollte durch Interventionen am Goldmarkt verhindert werden. Aber weil schon im März 1961 die D-Mark gegen den Dollar aufgewertet worden war, hatte das Misstrauen derart um sich gegriffen, dass die Interventionen ins Leere gingen. Die erste Folge: Sieben Jahre später war Schluss mit dem Goldpool. Die zweite Folge: Von 1970 an stieg der Goldpreis, gemessen in Dollar, bis Anfang 1980 auf das 24-Fache.

Was sich in den 80er Jahren anschloss, waren zwar Preisschwankungen von unterschiedlichem Ausmaß im Rahmen eines Abwärtstrends, aber keine nennenswerten Interventionen. Die kamen dafür in den 90er Jahren knüppeldick, unter anderem mithilfe von mehr oder weniger erzwungenen Direktverkäufen, über die Goldleihe (Verleihung von Zentralbankgold an Minen) oder Geschäfte am Terminmarkt.

Damit schließt sich der Kreis zur Schweiz, denn deren 1550 Tonnen Gold schweren Direktverkäufe, zu Beginn des neuen Jahrtausends in die Tat umgesetzt, hatten ihre Vorgeschichte bereits im November 1996. Seinerzeit äußerten sich einige Führungskräfte der SNB, unter anderen deren ehemaliger Präsident Markus Lusser, negativ über das Edelmetall. So nannte Lusser die 40-prozentige Golddeckung des Franken "ein Relikt der Vergangenheit". Viele Medien machten willig mit, indem sie Gold als glanz- und nutzlos bezeichneten. So kam es zu einer weit verbreiteten Anti-Gold-Stimmung. Nach dem Motto: Wenn schon die solide Schweiz mit ihrer hohen Golddeckung das Edelmetall in großen Mengen verkauft, kann es nichts taugen. Und in der Tat schallte es aus der SNB, Gold sei zu einer Ware geworden, kurzum, es sei "demonetisiert".

Die Briten vertraten eine ähnliche Meinung und verkauften ebenfalls einen Großteil ihres Goldes. Amerikaner und Deutsche machten das Spiel nicht mit, obwohl in der ersten Zeit nach der Jahrtausendwende auch in Deutschland eine gewisse Anti-Gold-Stimmung geschürt wurde. Die USA besaßen damals - und besitzen auch heute noch - den größten offiziellen Goldschatz (hinzu kommen private Bestände). Verlässliche Vergleichszahlen aus China und Indien, den am meisten goldaffinen großen Nationen, gibt es nicht. Die gängigen Statistiken weisen jedenfalls auffallend niedrige Zahlen aus.

Das Ergebnis der jetzigen Schweizer Goldinitiative wird stark davon abhängen, wie viele Bürger sich noch an die unrühmliche - um nicht zu sagen dumme - Entscheidung der SNB erinnern, immens viel Gold ausgerechnet zu Tiefstpreisen zu verkaufen. Allzu viele Jahre ist das ja nicht her. Ihr Erinnerungsvermögen wird allein schon deshalb nicht allzu sehr nachgelassen haben, weil der jüngste Absturz des Goldpreises wenige Wochen vor der Entscheidung am 30. November sie wieder einmal auf die Idee bringen dürfte, dahinter könnte eine Verschwörung gegen das Gold und gegen den Franken, ja gegen die Schweiz als Finanzplatz stecken.

Zu guter Letzt: Die SNB betätigt sich seit geraumer Zeit als fleißige Euro-Käuferin. Der Grund: Das Verhältnis 1,20 Franken gegen 1 Euro soll dadurch möglichst stabil bleiben, so ist es vereinbart. Aber auf diese Weise bläht sich die SNB-Bilanz immer weiter auf. Das hat unter anderem zur Folge, dass der Goldanteil an der Bilanzsumme abnimmt - für rechtschaffene Schweizer Bürger ein absoluter Stimmungskiller. Auch von daher gesehen kann die Goldinitiative punkten. Spannend wird sie folglich allemal.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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