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Die Schweiz gibt den Franken frei

19.01.2015  |  Prof. Dr. Max Otte
Gestern nahm ich an einer Podiumsdiskussion an der WHU - Otto Beisheim School in Koblenz zum Niedrigzinsumfeld und den Auswirkungen auf das Investmentverhalten teil. Der Moderator war ein Schweizer, der mir kurz vor der Diskussion die Neuigkeit überbrachte, dass die Schweiz den Franken freigegeben habe. In kurzer Zeit fiel der Wechselkurs von 1,20 CHF/Euro auf Parität - ungefähr 1,00 CHF/Euro. Das ist ein Verlust von ungefähr 17%.

Der Schritt hat die Märkte wirklich überrascht, denn die schweizerische Nationalbank hat immer bekräftigt, den Wechselkurs zu verteidigen. Bislang glückte das auch ganz gut. Die schweizerische Nationalbank muss ja nur Franken drucken und damit andere Währungen kaufen. Allerdings entsteht dann das Phänomen der "importierten Inflation" - die Geldmenge in Franken steigt und damit die Preise und später die Löhne im Land.

Die Freigabe des Franken ist gut für die Konsumenten in der Schweiz, schlecht für die exportierenden Produzenten, also auch für etliche börsennotierte Unternehmen. Heute las ich in einigen Finanzkolumnen, dass die Schweizer Börse nun auf Talfahrt sei. In Franken stimmt das - auch für Klassiker wie Nestlé (WKN: A0Q4DC) oder Novartis (WKN: 904278). In Euro sieht die Sache schon ganz anders aus - da sind diese Titel weiter gestiegen.

Aber ist es wirklich so schlecht für diese Unternehmen? Klar, die inländischen Kosten steigen. Aber viele der Unternehmen haben globale Produktionsketten und dürften in der Lage sein, den Kostenschock ganz gut abzufedern. Auch die Bundesrepublik Deutschland hatte bis in die 90er Jahre hinein regelmäßig Aufwertungen der D-Mark abzufedern - und es gelang der heimischen Industrie recht gut. Die Aufwertungen waren auch ein Anreiz dafür, permanent nach Effizienzverbesserungen zu suchen.

Insgesamt sehe ich also keine großen negativen Auswirkungen auf die großen globalen schweizerischen Standardtitel. Wenn Sie Franken als Reservewährung gebunkert haben oder schweizerische Anleihen halten, dann haben Sie natürlich einen schönen Einmalgewinn.

Und das nicht nur, wenn Sie im Euroraum sondern auch, wenn Sie im Dollarraum leben. Denn auch gegenüber dem Dollar zog der Schweizer Franken massiv an.

Das heißt auch, dass die Nationalbank den Wahnsinn der ultralockeren Geldpolitik von Fed, Bank of England und EZB vielleicht nicht weiter mitmacht. Dem Ruf der Schweiz als Hort der Solidität würde es gut tun, wenn auch der politische Druck vielleicht sehr groß wird, von dieser Politik wieder abzuweichen.

Derzeit ist das Währungsumfeld so politisiert wie lange nicht mehr. In Zeiten von extremen Niedrigzinsen und Negativzinsen kann man eigentlich nicht mehr von freien Währungsmärkten sprechen. Die sogenannte "Eurorettung" hat die Eurozone zu einem Minenfeld mit vielen Altlasten im Boden werden lassen. Durch die Sanktionen gegen Russland und den Verfall des Rubels entsteht das nächste Problem. China hat hier Hilfe angeboten. Mehr und mehr erinnert die Situation an die Zwischenkriegszeit von 1919 - 1939, als die Währungen immer mehr politisiert wurden. Unschön.

Zumindest die Schweiz hat ein Zeichen gesetzt, dass man dieses Spiel, soweit möglich, nicht mehr mitspielen will.


© Prof. Dr. Max Otte



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