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1.140.000.000.000 Euro. Fürs Erste.

23.01.2015  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Zusammenfassung

  • Der EZB-Rat gibt den Startschuss zum QE - also zur Monetisierung der Euro-Staatsschulden.

  • Die Finanzierung der Euro-Staaten mit der elektronischen Notenpresse ist ein Verstoß gegen den Maastricht-Vertrag.

  • Der EZB-Beschluss schwächt die Rechte der nationalen Parlamente bei Budgetfragen - und ist damit undemokratisch.

  • Die heute verkündeten Anleihekäufe in Höhe von 1,14 Billionen Euro dürften nur der Anfang sein, größere Beträge werden folgen.

  • Physisches Gold ist und bleibt ein Fluchtpunkt für Sparer und Investoren im Euroraum, um der Entwertung der Einheitswährung zu entkommen.


"QE"

Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat heute beschlossen, zusätzlich zu Hypothekenpfandbrief- und Bankkreditkäufen auch Euro-Staatsanleihen aufzukaufen. Ab März 2015 werden monatlich Kreditschulden in Höhe von insgesamt 60 Mrd. Euro gekauft - die mit neuen, aus dem nichts geschaffenen Euro bezahlt werden. Bis September 2016 (oder darüber hinaus) sollen auf diese Weise zusätzlich 1,14 Billionen Euro (in Zahlen: 1.140.000.000.000) geschaffen werden. Doch das dürfte wohl nur der Anfang sein, auf den nachfolgend noch größere Beträge folgen.


Aus dem EG-Vertrag:

Artikel 101 (ex-Art. 104)

"(1) Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten bei der EZB oder den Zentralbanken der Mitgliedstaaten (im folgenden als "nationale Zentralbanken" bezeichnet) für Organe oder Einrichtungen der Gemeinschaft, Zentralregierungen, regionale oder lokale Gebietskörperschaften oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten sind ebenso verboten wie der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von diesen durch die EZB oder die nationalen Zentralbanken."

Artikel 125 (ex-Artikel 103 EGV)

"(1) Die Union haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen von Mitgliedstaaten und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein; dies gilt unbeschadet der gegenseitigen finanziellen Garantien für die gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens. Ein Mitgliedstaat haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen, der regionalen oder lokalen Gebietskörperschaften oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, sonstiger Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentlicher Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein; dies gilt unbeschadet der gegenseitigen finanziellen Garantien für die gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens."


So spricht das Bundesverfassungsgericht:

"Art. 123 Abs. 1 AEUV verbietet der Europäischen Zentralbank, Staatsanleihen unmittelbar von den emittierenden Mitgliedstaaten zu erwerben. Es liegt auf der Hand, dass dieses Verbot nicht durch funktional äquivalente Maßnahmen umgangen werden darf."

"4. Vorbehaltlich der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union ist der OMT-Beschluss nach Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts mit dem Primärrecht unvereinbar … ."


Vorgesehen ist zudem, dass 12 Prozent der gesamten Schulden, die gekauft werden, von europäischen Institutionen ausgegeben wurden und von den nationalen Notenbanken zu kaufen sind. Die EZB wird 8 Prozent aller zu kaufenden Wertpapiere erwerben. Daraus folgt, dass für mögliche Verluste von 20 Prozent aller zu kaufenden Wertpapiere die nationalen Steuerbürger (über ihre Zentralbankbilanz) geradestehen müssen.

Die EZB-Entscheidung ist ein Verstoß gegen den Maastricht-Vertrag. Er verbietet der EZB ausdrücklich, die öffentlichen Haushalte zu finanzieren. Durch dieses Verbot sollten die Bürger vor einer Allmacht des Staates geschützt werden, die droht grenzenlos zu werden, wenn der Staat seine Ausgaben mittels Anwerfen der elektronischen Notenpresse finanzieren kann. Genau in diese Richtung arbeiten aber die EZB-Anleihekäufe.

Sie ermächtigen de facto die Regierungen ohne Wählerzustimmung: Regierungen sind bei Finanzengpässen nicht mehr darauf angewiesen, ihre Politik von Parlament und damit den Steuerbürgern legitimieren zu lassen, weil sie nunmehr Finanzprobleme, für die sie verantwortlich sind, durch den Rückgriff auf Notenbankkredite lösen (also Kredit erhalten, die sie bei tatsächlicher Darstellung ihrer Finanzlage von anderer Seite nicht mehr erhalten). So gesehen lässt sich der EZB-Staatsanleihekauf als undemokratisch begreifen.

Der EZB-Beschluss, Staatsanleihen zu kaufen, kam zwar nicht überraschend - er sollte jedoch selbst den hartgesottensten Befürwortern der Euro-Einheitswährung klar gemacht haben: Der Einheitswährungsraum lässt sich nur zusammenhalten, wenn die nationalen Staats- und Bankschulden im Euroraum kollektiviert werden und die Kaufkraft des Euro durch Inflation vermindert wird.

Das komplette Dokument zur EZB-Entscheidung können sie hier downloaden. (PDF).


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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