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Der Goldpreis zwischen eingebildeter Deflation und kommender Inflation

25.01.2015  |  Manfred Gburek
Als EZB-Chef Mario Draghi am Donnerstag das Anleihenkaufprogramm bekanntgab, reagierte der Dax mit wildem Zucken. So, als wenn er demonstrieren wollte: Seht her, ich weiß auch nicht, wohin das führen soll. Hatte der Dax, hatten die Börsen generell, die Devisen-, Edelmetall-, Rohstoff- und sonstigen geldrelevanten Märkte in den vergangenen Wochen schon vorweggenommen, dass die EZB beginnend im März monatlich für 60 Milliarden Euro Anleihen kaufen will? Im Grunde ja, bis auf den Betrag, den Börsianer vorher überwiegend auf 50 Milliarden geschätzt hatten. Folglich fiel das Zucken etwas heftiger als erwartet aus, und der Euro verlor gegen den Dollar mehr als vorher einkalkuliert.

Der Goldpreis bewegte sich in diesem Umfeld - und bewegt sich weiterhin - geradezu mustergültig: Er signalisiert seit Jahresbeginn die tendenzielle Aufweichung der Währungen, indem er sukzessive mit Unterbrechungen steigt, vor allem in Euro. Warum mustergültig? Weil er im Vergleich zu Aktienkursen, die einer Vielzahl von Einflüssen unterliegen, ein reiner Indikator ist: keine Gewinnkennzahlen à la Ebit, Ebitda und wie das ganze Zeug sonst noch heißt -, kein Kurs-Gewinn-Verhältnis, kein Verschuldungsgrad, keine Bilanzfälschung, kein Trottel als Vorstandschef. Stattdessen: der Preis als Gradmesser für Inflationserwartungen.

Das schließt ein, dass der Goldpreis vorübergehend zurückgehen kann, was er ja von Oktober 2011 bis Dezember 2014 bewiesen hat. Ich gebe zu, das Ausmaß dieses Rückgangs unterschätzt zu haben, und den ehrlichen unter den von mir interviewten Profis geht es ähnlich. Das gehört zum Geschäft mit der Geldanlage. Wichtig ist dann, dass man keine doppelten Fehler begeht, also nicht bei tiefen Preisen verkauft, wenn man vorher zu hohen Preisen eingestiegen ist. Das gilt erst recht für die stark schwankenden Kurse der Minenaktien.

Vermutlich werden Sie sich fragen, woher Inflationserwartungen kommen sollen, da doch die Inflationsraten derzeit extrem niedrig sind, im Euroraum sogar negativ. Das bezeichnen manche Leute schon als Deflation. Auf diese Frage gibt es erst einmal die Antwort, dass die Deflation von interessierter Seite herbeigeredet und mediengerecht unters Volk gebracht wird, damit Mario Draghis Geldkurs mit dem Kauf von Anleihen der Masse der Bevölkerung plausibel erscheint. Das heißt: Einer Hausfrau, die bei Aldi oder Lidl vor einem Lebensmittelregal steht, wird suggeriert, sie erwarte weiter fallende Preise für Brot, Butter und Milch, weil diese Preise bisher gefallen sind. Dabei hat die Hausfrau Besseres zu tun, als mit dem Kauf von Lebensmitteln zu warten, bis sie billiger werden.

Noch abenteuerlicher wird es, wenn man Mieten einschließlich Wohnnebenkosten in Betracht zieht, den größten Posten im Lebenshaltungskostenindex. Da kann von Deflation wahrlich keine Rede sein - außer vielleicht in der Pampa, wohin niemand ziehen will. Und noch ein Beispiel: Haben Sie schon jemanden erlebt, der in Erwartung sinkender Spritpreise sein Auto alle zwei Tage nur mit zehn Litern betankt? Deflation sieht anders aus; sie ist ein lange andauernder Preisrutsch von fast allem, also von Lebensmitteln und Mieten bis zu Benzin und Heizöl.

Inflationserwartungen lassen sich zweifellos nicht herbeizaubern. Aber wie sollen sie aufkommen, durch Vorgabe von Super-Mario oder auf Befehl der Kanzlerin? Die hat ja am Donnerstag in Davos kurz vor Bekanntgabe der EZB-Entscheidung den Staatsanleihenkauf vorsichtig zu kritisieren versucht. Nein, wer einen Preisanstieg erwartet, hat nicht von vornherein die ganze Breite steigender Preise für alle Güter und Dienstleistungen im Sinn, sondern mal dies und mal das.

Aktuell zum Beispiel Mieten, in einigen Monaten womöglich wieder Sprit (wie zeitweise im vergangenen Jahr) und noch später die Dienste von Banken und Versicherern, weil deren finanzielle Probleme sich irgendwann sprichwörtlich nicht mehr auf die lange Bank schieben lassen, wofür dann ihre Kunden blechen müssen. Zu gegebener Zeit werden steigende Mieten, Spritpreise, Gebühren für die Finanzbranche und nicht zuletzt für die klammen Kommunen zusammentreffen, und prompt dürfte eine allgemeine Inflationsmentalität entstehen. So war es immer schon, und so wird es auch in Zukunft sein - nicht erst in zehn, sondern eher in vier bis fünf Jahren. Inflation ist halt kein Zustand, sondern ein dynamischer Prozess, allseitige Ansteckungsgefahr inbegriffen.

In der ganzen Debatte um Inflation und Deflation wird gern unterschlagen, dass die sogenannte Asset Inflation (Anstieg von Anleihen- und Aktienkursen, Haus- und Wohnungspreisen) schon längst Realität ist. Obwohl sie auf den sogenannten Warenkorb, nach dem die Inflation gemessen wird, keinen unmittelbaren Einfluss ausübt, hat praktisch jeder Haushalt mittelbar doch mit ihr zu tun: etwa über Mieten oder deren Äquivalent (Kreditzinsen, Tilgungen und entgangene Opportunitätserträge der Eigennutzer).

Der Dienstleister Statista hat soeben das Ergebnis einer Umfrage bei tausend Personen im Alter zwischen 14 und 64 Jahren veröffentlicht, die bemerkenswerte Ergebnisse enthält, nicht zuletzt im Hinblick auf Inflationserwartungen. Demzufolge wollen 31 Prozent der Befragten ihr Geld in Immobilien anlegen und immerhin 25 Prozent in Gold, während der überwiegende Rest erst gar nicht an die Geldanlage denkt. Dazu passen auch die Antworten auf die Frage, womit die tausend Leute schon mal Verluste einstecken mussten: über 20 Prozent mit Aktien und Firmenanteilen, aber nur knapp 5 Prozent mit Immobilien und noch weniger mit Gold, während 73 Prozent keine entsprechenden Verluste zu beklagen hatten.

Man mag über solche Statistiken schmunzeln, entspringen sie doch den Antworten einer ganz kleinen Minderheit. Doch eine Indikation geben sie schon an. Wobei interessant ist, dass Gold offenbar eine recht große Fangemeinde hat, während Aktien eher Ablehnung erfahren. Damit sind wir wieder am Ausgangspunkt unserer heutigen Überlegungen angelangt:

Schüren von Inflationserwartungen durch Super-Mario einerseits sowie die zuckende Reaktion der Aktienkurse und die eher stetige Entwicklung des Goldpreises andererseits. Wer das Beste aus zwei Welten haben will, muss bei der Spekulation mit Aktien gerade jetzt extrem flexibel sein, wenn er/sie Erfolg haben will, während die Anlage in Goldbarren und -münzen die Nerven schont und auf Dauer trotzdem Erfolg bringt.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu


Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: Außer diversen Börsenbüchern schrieb er: "Das Goldbuch", das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z", "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" und zuletzt das Ebook "Ach du liebes Geld!".



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