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Frankreichs Wirtschaft noch nicht schlecht genug für ernsthafte Reformen

09.04.2015  |  Presse
"2013 hatte ich das Vergnügen den damaligen polnischen Finanzminister Grzegorz Kołodko zu treffen, der Mitte der 1990er Jahre als Architekt des polnischen Wirtschaftsaufschwungs galt", sagt Christopher Dembik, Volkswirt bei der Saxo Bank. "Wir diskutierten über den Wirtschaftsabschwung in Frankreich und ich werde nie vergessen, was er zum Reichensteuersatz von 75 Prozent sagte: 'Nicht mal die Kommunisten hätten von solch einem Steuersatz zu träumen gewagt'", so Dembik weiter.

Seit 2012 hätten sich die Rahmenbedingungen für Unternehmen in der Grande Nation zusehends verschlechtert. Ganz anders sei die Situation vor zehn Jahren gewesen, als Frankreichs Wirtschaft an der europäischen Spitze stand und das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf gleichauf mit dem in Deutschland war. Nun ist es um acht Prozent niedriger. "Während Deutschland das sehr pragmatische Reformprogramm Agenda 2010 implementierte, hat sich Frankreich auf seinen Lorbeeren ausgeruht", sagt Dembik. In einem Best-Case-Szenario könne Frankreichs Wirtschaftswachstum 2016 auf knapp über 1,5 Prozent steigen. Dies würde kaum reichen, um die Arbeitslosenzahlen zu senken.

Hinzu käme, dass Frankreich im Gegensatz zu seinen Nachbarn nicht von den derzeit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen profitieren kann. Weder das Niedrigzinsumfeld, noch der schwache Euro oder die fallenden Ölpreise scheinen Frankreich zu nutzen. "Die größte Herausforderung für die französische Wirtschaft ist jedoch die geringe private Investitionsbereitschaft", sagt Dembik. Dies werde sich wohl auch in den nächsten zwei bis drei Jahren kaum ändern.

Ein Grund für die fehlenden Investitionen sei das gigantische und komplexe französische Steuersystem. "Während Unternehmen in Deutschland 55 direkte und indirekte Steuern zahlen müssen, werden französische Unternehmen mit 153 verschiedenen Steuern belastet", sagt Dembik. Nur weitere Steuersenkungen würden diesen negativen Trend aufhalten.

Von der Politik sei jedoch keine Hilfe zu erwarten. "Francois Hollande wurde nicht gewählt, um ein Sparprogramm aufzulegen, sondern um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und viele Stellen im öffentlichen Sektor zu bewahren", sagt Dembik. Das Problem sei, dass Frankreich trotz eines Wirtschaftswachstums von gerade mal einem Prozent immer noch zu den reichsten Ländern der Welt gehört. Dies ermutige die Politik nicht gerade dazu, ernsthafte Reformen einzuleiten.

Dennoch sei die Situation nicht aussichtslos. Auf lange Sicht gesehen gebe es viele Gründe zum Optimismus. "Frankreich öffnet seine Türen für neue Kulturen, Erfahrungen und Business-Modelle. Noch vor zehn Jahren war es undenkbar, dass ausländische Manager französische Unternehmen leiten", sagt Dembik. Frankreich lerne momentan viel von Deutschland, aber auch von Osteuropa, Nordamerika und sogar Asien.

Traditionell seien die Franzosen eher risikoscheu, was sich nun aber schrittweise ändern würde. "Es wird seine Zeit dauern, aber es wird besser werden. Ich zweifle nicht daran, dass Frankreichs Goldenes Zeitalter noch vor uns und nicht bereits hinter uns liegt", sagt Dembik abschließend.

Den vollständigen Kommentar von Christopher Dembik auf Englisch finden Sie hier: "Rohstoffkommentar" (PDF)


© Saxo Bank
www.saxobank.com



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