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Darum soll das Bargeld weg

25.05.2015  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die Idee, das Bargeld abzuschaffen, beruht entweder auf einem "Denkfehler", oder sie entspringt einer Allmacht-Staatsfantasie.

Führende amerikanische Ökonomen plädieren seit geraumer Zeit für die Abschaffung des Bargeldes. Zum einen, so wird argumentiert, um Steuerhinterziehung und Schwarzmarkt-Aktivitäten das Wasser abzugraben.

Zum anderen, und das ist der eigentliche Grund, um der Politik der Negativzinsen zur "vollen Wirksamkeit" zu verhelfen. Wenn die Zentralbank die Einlagenzinsen in den negativen Bereich drückt, werden Bankeinlagen entwertet.

Die Bankkunden können sich dieser Repressalie jedoch entziehen, wenn sie sich - was derzeit noch möglich ist - ihre Sichtguthaben in Bargeld auszahlen lassen und das Geld mit nach Hause nehmen und in den Tresor stecken.

Dieser "Fluchtweg" wäre natürlich versperrt, wenn das Bargeld abgeschafft wird. Zwar kann der eine oder andere sich seiner Bankguthaben entledigen, indem er zum Beispiel Aktien oder Häuser kauft.

Aber das Bankguthaben landet dann eben bei denjenigen, die Aktien oder Häuser verkauft haben. Das Geld bleibt im "System" und kann durch die Negativzinspolitik entwertet werden, wenn es kein Bargeld mehr gibt.

Warum das Ganze? Die offiziell verkündete Idee ist, dass der "richtige" (das heißt der "gleichgewichtige") Zins nunmehr negativ sei. Die Zentralbank müsse fortan einen Negativzins setzen, um Wachstum und Beschäftigung zu fördern.

Das aber sei eben nur möglich, wenn das Bargeld abgeschafft wird - aus den oben genannten Gründen. Bei genauer und kritischer Betrachtung kann diese Argumentation aber nicht überzeugen.

Es ist schlichtweg Unfug zu behaupten, der gleichgewichtige Zins einer Volkswirtschaft könne - aus welchen Gründen auch immer - negativ sein oder werden. Der gleichgewichtige (Real-)Zins ist immer und überall positiv.

Handelt es sich bei der Forderung nach Abschaffung des Bargeldes schlichtweg um einen "Denkfehler"? Das ist möglich. Aber die Befürworter der Bargeldabschaffung sind schlaue Leute, und daher mag es eine andere Erklärung geben.

Die Schuldenlasten von Staaten und vor allem auch von vielen Banken sind mittlerweile erdrückend hoch, so dass an eine aufrichtige Begleichung der Schulden nicht mehr zu denken ist.

Ließe sich ein Negativzins durchsetzen, so würde das helfen, die Schuldenlasten zu senken. Beispielsweise würden Negativzinsen dafür sorgen, dass die Bankeinlagen (die ja Schulden der Banken sind) "wegschrumpfen".

Könnte man gar noch Kreditgeber dazu bewegen, Kredite mit negativen Zinsen zu vergeben, so wäre auch das eine Erleichterung für die Schuldner: Eine Verschuldung zu derartigen Konditionen würde sie entschulden.

Aber niemand, der bei Sinnen ist, würde noch bei Negativzinsen sparen. Wenn man keinen Zins mehr verdienen kann, hört auch das Investieren auf. Es kommt zum Kapitalverzehr, der die künftigen Einkommen schwinden lässt.

Der Leser ahnt es bereits: Ein Negativzins steht für eine verkehrte, für eine irrsinnige Welt. Er ist mit einer arbeitsteiligen, produktiven Wirtschaft ganz und gar unvereinbar.

Die Marktwirtschaft - die für eine friedvolle und produktive Kooperation der Menschen sorgt - ist auf Sparen und Investieren angewiesen, und ohne einen positiven Zins wird nicht gespart und investiert.

Die Befürworter der Negativzinspolitik (zu deren Durchsetzung das Bargeld abzuschaffen ist) sind offensichtlich bereit, die Marktwirtschaft einzuschränken oder gar zu opfern (zumindest für eine gewisse Zeit).

Dazu passt eine weitere Konsequenz, die das Abschaffen des Bargeldes hätte. Dazu muss man wissen, dass das Bargeld dazu beiträgt, den Staat im Zaume zu halten, seinem unbändigen Drang zur Expansion Schranken zu setzen.

Denn wenn der Staat zu aggressiv vorgeht - etwa in Form von Steuererhebungen -, haben die Bürger mit Bargeldzahlungen die Möglichkeiten, sich seinen Drangsalierungen wirkungsvoll zu entziehen.

Ohne Bargeld ist das nicht mehr möglich, und dann fällt wohl die letzte Zurückhaltung des Staates. Er kann ungehemmt dazu übergehen, Steuern zu erhöhen und die Kontobewegungen der Bürger zu überwachen.

Es ist dann nur noch ein ganz kleiner Schritt, bis der Staat entscheiden kann, wer was kaufen und wer wohin reisen darf. Dass man dabei unweigerlich an George Orwells "Big Brother"-Dystopie denkt, kommt nicht von ungefähr.

Bei all dem geht es nicht darum, das Bargeld gegen Innovationen im Zahlungsverkehr zu schützen. Das Problem ist vielmehr das Folgende: Der Staat hat sich zum Monopolisten der Geldproduktion aufgeschwungen.



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