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Luftballons auf der Suche nach Nadeln

02.10.2015  |  John Mauldin
Ich liebe Wasserfälle. Ich habe einige der schönsten der Welt gesehen, und sie sind immer beeindruckend. Die ganz großen machen mich sprachlos angesichts der Kraft der Natur. Vor etwa 20 Jahren habe ich eine Bootsfahrt auf dem Oberlauf des Sambesi gemacht, die an den Victoriafällen endete. Ein so ruhiger Fluss. An den Ufern kann man das Wild beobachten und im Wasser tummeln sich die Nilpferde (und das eine oder andere Krokodil). Und dann beginnt man, das Tosen des noch meilenweit entfernten Wasserfalls zu hören. Unglaublich majestätisch. Von da an wird der Sambesi zu einem Wildwassertraum für Rafting-Fans, der mit Wildwasserstufe 5 echten Nervenkitzel verspricht. Ohne einen erfahrenen Profi am Steuer möchte man da wirklich nicht durchfahren. Wenn man eine 2,5 m hohe Wasserwand vor sich hat, über die man drüber muss, weil sie im Weg ist, dann ist das schon ziemlich spannend.

Wenn es in den Vereinigten Staaten solche Stromschnellen gäbe, ist es fraglich, ob professionelle Tourveranstalter überhaupt eine Haftpflichtversicherung finden würden, um mit solchen Fahrten ein Geschäft zu machen. Unsere Begleiter versicherten, dass noch nie jemand verloren gegangen sei - außer ein paar Leute, die sich nicht an die Regeln hielten und in den ruhigen Abschnitten ins Wasser sprangen, weil die Temperatur im Freien 40° betrug. Dort halten sich allerdings die Krokodile auf.

Uns wurde versprochen, dass wir in den Stromschnellen nicht auf Krokodile treffen würden, und das war auch gut so. Mehr als nur ein paar von uns fielen beim Versuch, die Stromschnellen zu durchqueren aus dem Boot, aber glücklicherweise gab es Kajakfahrer, die einen schnell wieder aus dem Wasser holten. Der Canyon unterhalb der Fälle ist einfach unglaublich und noch ein Stück weiter flussabwärts befindet sich die noch beeindruckendere Batoka-Schlucht.

Und ja, danach muss man auf einem Serpentinenweg bis ganz nach oben auf den Canyon laufen, um wieder nach Hause zu kommen. Ich würde das ohne zu zögern sofort noch einmal tun, aber zuvor würde ich mindestens drei Monate lang für die Wanderung trainieren. Das stand ganz sicher nicht in der einseitigen Belehrung über die Risiken.

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Die Analogie zu den Aktienmärkten ist schwer zu übersehen. Alles ist ruhig und friedlich, Sie trinken einen hervorragenden Wein, essen ein wenig köstliches Wild und frischen Fisch und beobachten all die wunderbaren Tiere, während Sie ganz entspannt mit dem Strom treiben. Während einer Hausse kann jeder das Boot lenken - bis die Stromschnellen beginnen und die Kurse abstürzen.

Nur so nebenbei bemerkt: Die großen Wasserfälle sind majestätisch und ehrfurchtgebietend, doch die kleineren sind hypnotischer. Ich liebe das Geräusch von fallendem Wasser. Ich könnte stundenlang zuhören.

An einem Ort sehe ich allerdings nicht gerne Wasserfälle, und das sind Aktiencharts. Diese machen mich sprachlos angesichts der Macht des Marktes. Auch sie haben die Kraft, den Geist ganz auf eine Sache zu fokussieren, besonders wenn man die Aktien besitzt, die gerade von der Klippe gefallen sind.

Der US-Aktienmarkt erlebt gerade das turbulenteste Jahr seit einer ganzen Weile. Gemessen an geschichtlichen Standards ist es noch nicht so schlimm, aber vor uns liegt auch noch ein ganzes Quartal. Und nächste Woche beginnt der Oktober, ein Monat, in dem die Aktienmärkte schon öfter Probleme bekamen. Mit diesem Gedanken im Hinterkopf möchte ich einen Blick darauf werfen, wo die Aktien derzeit stehen und vielleicht die eine oder andere Idee dazu äußern, welche Ereignisse uns zum nächsten Wasserfall bringen könnten.


Noch keine Niagarafälle

So sieht der Wasserfall in diesem Jahr bisher aus. Eine Bewegung von kaum 10% von der Spitze bis zum Tief und sie hielt nur einige Tage lang an. Wir haben viel Drängelei beobachtet, gefolgt von dem erschreckenden Absturz im August und der partiellen Erholung, bei der weniger als die Hälfte der Verluste wieder gutgemacht wurden. Wie geht es von hier aus weiter?

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Beginnen wir mit einer makroökonomischen Betrachtung. Im Juli zeigte ich Ihnen die Untersuchungen, die ich gemeinsam mit Ed Easterling von Crestmont Research durchgeführt hatte. Das war noch bevor der Ausverkauf an den chinesischen Aktienmärkten durch die Schlagzeilen ging, es ist also sehr interessant, den Artikel im Nachhinein noch einmal zu lesen. (Siehe "It’s Not Over Till the Fat Lady Goes on a P/E Diet")

Unserer Meinung nach befinden wir uns noch immer in einer langanhaltenden Baisse, und zwar genaugenommen seit der Dotcom-Blase im Jahr 2000. Sie mögen diese Ansicht überraschend finden, immerhin sind die Benchmarks seitdem auf das Dreifache gestiegen. Unsere Methode zur Bestimmung des Beginns von Bullen- und Bärenmärkten basiert auf der Analyse von Kurs-Gewinn-Verhältnissen. Diese lagen 2000 bei fast 50. Damit der Bärenmarkt endet, müssten sie in den sehr niedrigen zweistelligen oder gar in den einstelligen Bereich fallen - das ist seit mehr als 100 Jahren das Zeichen für das Ende einer langen Baisse. Doch in den 15 Jahren seit 2000 ist das nicht passiert.

Kann ein Bärenmarkt denn überhaupt 15 Jahre andauern? Sicherlich. Einige waren sogar noch länger, beispielsweise von 1966 bis 1981 oder von 1901 bis 1920. Der aktuelle Bärenmarkt ist nichts Einzigartiges. Beachten Sie bitte, dass es innerhalb langfristiger Zyklen wiederum zyklische Kursbewegungen geben kann. Die langfristigen Zyklen drücken sich in Form von Bewertungen aus und die kurzfristigen schlagen sich im Preis nieder. Langanhaltende Bärenmarkt-Zyklen enden immer mit niedrigen Bewertungen (es sei denn, diesmal kommt alles anders).

Zur Zeit sind die Kurs-Gewinn-Verhältnisse (sowie alle anderen Bewertungskennzahlen) nicht niedrig genug, um den Auftrieb zu geben, der normalerweise einen neuen Bullenmarkt einleitet. 2009 waren sie näher daran als heute, aber sie sind nie in einen Bereich gefallen, der das Ende der Baisse und den Beginn einer neuen Hausse markiert hätte. Es ist noch immer der gleiche Bärenmarkt wie vor 15 Jahren.

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