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Das Spiel mit der Zinswende

21.12.2015  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die US-Zentralbank hat den Leitzins angehoben. Eine Rückkehr zu "normalen" Zinshöhen ist jedoch unwahrscheinlich.

Die US-Zentralbank (Fed) hat am 16. Dezember 2015 den Leitzins auf 0,25 bis 0,5 Prozent erhöht (vorher: 0 bis 0,25 Prozent). Es war die erste Zinsanhebung nach sieben Jahren. Ist damit eine Zinswende eingeleitet?

Die niedrigen Zinsen haben auf vielfältige Weise die Gesamtnachfrage befördert - in den USA und auch in anderen Regionen der Welt. Beispielsweise haben sie kreditfinanzierte Ausgaben für Konsum und Häuserkäufe belebt. Neue Investitionen sind in Gang gesetzt worden, die sich bei "normalen Zinsen" nicht gerechnet hätten. Die Preise auf den Finanzmärkten wurden aufgebläht. Das wiederum hat den Banken neues Eigenkapital beschert.

Käme es zu einer tatsächlichen Abkehr von den Niedrigzinsen, zu einer Rückkehr zu "normalen Zinsen", würde die Konjunktur gebremst, möglicherweise sogar eine neuerliche Krise ausgelöst. Von ganz entscheidender Bedeutung ist dabei natürlich die Frage, auf welche Höhe die Fed die Zinsen letztlich bringen wird.

Historisch betrachtet müsste der US-Leitzins in etwa dem nominalen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts entsprechen. Letzteres lag im dritten Quartal 2015 bei etwas mehr als drei Prozent.

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Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen


Doch dass die Fed den Zins soweit ansteigen lässt, ist fraglich - auch wenn die Zentralbank in ihren Prognosen einen Zins von 3,3 Prozent Ende 2018 in Aussicht stellt.

In Kreisen Einflussreicher wird die Meinung vertreten, der "richtige Zins" sei mittlerweile niedriger als in der Vergangenheit. Eine Rückkehr zu gewohnten Zinsniveaus sei daher nicht möglich.

Einige Ökonomen meinen sogar, der "richtige Zins" sei nunmehr negativ. Folglich sollte die Fed den Leitzins, wenn überhaupt, nur ganz leicht anheben; am besten aber unverändert lassen.

Neben diesen eher akademischen Argumenten gibt es vor allem einen handfesten Grund, warum die Zinsen vermutlich nicht wieder "normalisiert" werden können, beziehungsweise künstlich niedrig gehalten werden müssen. Der Grund ist die hohe Verschuldung. Steigende Zinsen werden früher oder später die schuldengetriebene US-Wirtschaft (und damit letztlich auch alle anderen Volkswirtschaften der Welt) in Probleme bringen.

Das Schuldgeldsystem erlaubt keine wirkliche Abkehr von der Niedrigzinspolitik: Es funktioniert nämlich nur, wenn die Zinsen sehr niedrig bleiben. Nur dann kann immer mehr Kredit und Geld in Umlauf gebracht werden. Und genau das ist unverzichtbar, damit die kreditgetriebenen Konjunkturen nicht einknicken. Warum hat dann aber die Fed die Zinsen - wenngleich auch nach langem Zögern - überhaupt angehoben?


Zinssteigerungsfantasien

Eine dauerhafte Nullzinspolitik wird früher oder später zum Problem. Setzt sich bei Anlegern die Erwartung durch, dass die Zinsen auf "ewig" an der Nulllinie verharren, kann das Schuldgeldsystem rasch in schweres Fahrwasser geraten. Für Anleger sind dann nämlich Termin- und Spareinlagen, Staats- und Bankschuldpapiere, Lebensversicherungen und Geldmarkt- und Rentenfondsanteile nicht mehr attraktiv.

Wenn die Anleger hingegen erwarten, dass die Zinsen nur "vorübergehend" niedrig sind und "bald" wieder, steigen beziehungsweise normalisiert werden, werden die meisten Anleger nicht aus ihren festverzinslichen Papieren fliehen, sondern ausharren (und auf höhere Zinsen hoffen).

In einer Tiefzinsphase ist es geradezu überlebenswichtig für das Schuldgeldsystem, dass die Erwartung künftig steigender Zinsen wachgehalten wird, denn nur dann bricht das Kreditangebot nicht zusammen. Gleichzeitig muss es der Zentralbank gelingen, die "Zinsnormalisierung" immer weiter in die Zukunft zu verschieben - ohne dass der Zins tatsächlich wieder normalisiert wird.


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