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Wachstum lahmt, Risiken steigen

25.01.2016  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Kurzfristig ist der "Netto-Effekt" des Rohstoffpreisverfalls jedoch weniger eindeutig. Er führt zu einer weltweiten Einkommens- und Vermögensumverteilung. In den Rohstoff produzierenden Regionen kann es zu wirtschaftlicher und politischer Instabilität führen. Zu denken wäre an dieser Stelle beispielsweise an die Länder im Nahen und Mittleren Osten, denen angesichts der fallenden Rohölpreise die Einkommen verloren gehen - und beispielsweise neue Wanderungsbewegungen nach Kerneuropa auslösen.

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Quelle: Thomson Financial, Bloomberg


Von besonderer Bedeutung für die Weltwirtschaft ist Chinas Wechselkurspolitik. Es ist aus unserer Sicht wahrscheinlich, dass der Außenwert des Renminbi weiter abwertet, um die heimische Wirtschaft zu stützen. Schon seit Mitte 2014 fallen die chinesischen Währungsreserven. Ein Indiz dafür, dass die chinesische Zentralbank die eigene Währung stützt, indem sie US-Dollar verkauft und Renminbi aufkauft.

Der Grund: Der Renminbi ist unter Abwertungsdruck. Kapital wird aus China abgezogen, doch China stemmt sich noch gegen eine allzu rasche Abwertung. Die Erfahrung in vielen anderen Ländern hat jedoch gezeigt, dass politische Versuche, mittels Devisenmarkteingriffen die Abwertung der eigenen Währung zu verhindern, früher oder später scheitern. Es wäre verwunderlich, wenn China hier eine Ausnahme darstellen sollte.

Wertet sich die chinesische Währung weiter ab, verbessert sich natürlich schlag-artig die preisliche Wettbewerbsfähigkeit chinesischer Güter gegenüber den Angeboten aus zum Beispiel den Vereinigten Staaten von Amerika, Europa, Japan und Lateinamerika. Die Produzenten in den letztgenannten Regionen müssten, um ihre Marktstellung zu erhalten, Kosteneinsparungen vornehmen (beispielsweise die Beschäftigtenzahl verringern oder Löhne senken) und/oder die Produktivität erhöhen. Die Abwertung der chinesischen Währung würde folglich einen mitunter starken (weiteren) Preisabwärtsdruck in die Weltwirtschaft hineintragen.

In stark verschuldeten Volkswirtschaften - hierzu zählen die Vereinigten Staaten von Amerika, der Euroraum und Japan - wäre ein Rückgang der Preise auf breiter Front alles andere als willkommen. Denn dadurch verschlechtert sich die finanzielle Lage der Schuldner: Ihre nominalen Einkommen schrumpfen, während ihre nominalen Schulden unverändert bleiben. Ein Preisrückgang würde daher als "Gefahr" angesehen und Rufe würden laut, die Zentralbanken sollen doch gegen den Preisverfall - gegen eine "zu niedrige Inflation" - vorgehen. Die staatlichen Geldbehörden werden sich diesen Aufforderungen nicht verschließen und sich nicht von der Niedrigzinspolitik abkehren (können), beziehungsweise sie vermutlich noch weiter verschärfen.


Die (un-)heilvolle Rolle der Zentralbanken

Die US-Zentralbank (Fed) hat zwar im Dezember 2015 den Leitzins auf nunmehr 0,5 Prozent angehoben. Doch sind Zweifel anzumelden, ob damit tatsächlich die "Zinswende" eingeleitet ist. Die nach wie vor niedrige Teuerungsrate nimmt den Befürwortern weiterer Zinserhöhungen den Wind aus den Segeln. Vor allem ist zu beachten, dass die US-Wirtschaft so ohne Weiteres keine höheren Zinsen aushalten kann, ohne dass dadurch Wachstum und Beschäftigung leiden. Das zeigt sich bereits an den steigenden Kreditprämien, die eine Verschlechterung der Kreditmarktkonditionen signalisieren. In solchen Phasen zieht die Fed die Zinszügel nicht an - wie die Vergangenheit deutlich gezeigt hat.

In Japan sind keinerlei Anzeichen zu erkennen, dass die japanische Zentralbank sich von ihrer Nullzinspolitik abkehren und von ihren Anleihekäufen ablassen könnte. Derzeit kauft die Bank von Japan Wertpapiere jährlich in Höhe von 80 Billionen Yen (das entspricht etwa 661 Mrd. US-Dollar). Schreitet sie auf dem eingeschlagenen Pfad weiter voran, wird sie bis Ende 2016 allein etwa 43 Prozent der japanischen Staatsanleihen aufgekauft haben. Auch die chinesische Zentralbank ist bereits auf Expansion eingeschwenkt: Seit Ende 2014 hat die Peoples‘ Bank of Japan bereits sechs Mal die Leitzinsen gesenkt. Dass eine weitere Abwertung des Renminbi-Außenwertes mit weiteren Zinssenkungen begleitet sein würde, ist wahrscheinlich.

Im Euroraum steht die Europäische Zentralbank (EZB) bereits in den Startlöchern, um ihre Geldpolitik weiter zu lockern. Vermutlich wird die Bank ganz einfach noch mehr von dem tun, was sie bisher getan hat - also den Einlagenzins (der bereits -0,3 Prozent beträgt) noch weiter in den Negativbereich drücken und auch ihre Anleihekäufe noch weiter ausdehnen (betragsmäßig und/oder zeitlich). Wie sich aus dem jüngsten Sitzungsprotokoll des EZB-Rates entnehmen lässt, gibt es Ratsmitglieder, die bereits auf eine weitere Lockerung drängen. Eine solche Geldpolitik scheint vor allem angesichts der zunehmenden politischen Probleme in Europa unausweichlich. Die Bilanzvolumen der Zentralbanken- und Geschäftsbanken wachsen in den Vereinigten Staaten von Amerika, im Euroraum, in China, Japan und der Schweiz (siehe hierzu die Grafiken). Ausnahme bildet allein Großbritannien.

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Quelle: UCube by Rystad Energy; CNN


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Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen



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