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Überdenken Zentralbanken ihre Politik?

24.02.2016  |  Folker Hellmeyer
Überwiegend schwache Daten

Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.1013 (06.57 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.0990 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 111.75. In der Folge notiert EUR-JPY bei 123.07. EUR-CHF oszilliert bei 1.0938.

Gestern lieferten diverse Zentralbanken Einlassungen, die bezüglich der zukünftigen Zinspolitik die Frage aufwerfen, ob eine Neuausrichtung ansteht. Seitens der EZB wurde das Thema der zu geringen Profitabilität der Banken angesprochen, das mit der Negativzinspolitik in Teilen korreliert ist und Strukturfragen bei sportlicher Fortsetzung aufwirft. Daraus jedoch eine kurzfristige Neuausrichtung der EZB-Politik abzuleiten, wäre wohl nassforsch.

Herr Jordan, Präsident der Schweizer Nationalbank, warnt vor unerwünschten Nebenwirkungen der quantitativen Geld- und der Zinspolitik der Zentralbanken. Sie könnten die Zinsen nicht unbegrenzt weiter senken und würden längerfristig mit neuen Programmen ihre Handlungsfähigkeit aufs Spiel setzen. Die Notenbanken dürfen das Kosten-Nutzen-Verhältnis ihrer außergewöhnlichen Maßnahmen nicht außer Acht lassen. "Die Geldpolitik muss angepasst werden, wenn die langfristigen Kosten den kurzfristigen Nutzen übersteigen."

Mit diesen Einlassungen liegt Herr Jordan richtig. Es ist definitiv auch eine Warnung an die EZB. Interessant ist, dass aber gerade die SNB die Negativzinspolitik auf die Spitze getrieben hat (derzeit -75%). Auch von anderer Seite erreichen uns Einlassungen, die die mittel- und langfristige Umsetzbarkeit der quantitativen Maßnahmen der EZB in Frage stellen.

Die EZB könnte mit ihrem Anleiheankaufprogramm innerhalb der nächsten 12 Monate an physische Marktgrenzen stoßen. "Die Knappheit an Bonds betrifft am meisten Bundesanleihen und man muss eine Lösung finden, sonst wird das Programm Probleme bekommen", betont UniCredit-Stratege Cazzulani.

Problematischer könnte es für die EZB laut Einschätzung des Bankhauses ABN Amro werden, sollte die EZB beschließen, die monatlichen Käufe auf 70 von bislang 60 Mrd. Euro aufzustocken. Den Berechnungen von ABN Amro zufolge würde die EZB dann in Deutschland und Finnland das Länder-Limit von 33% vor dem voraussichtlichen Programm-Ende im März 2017 erreichen.

Es gibt fraglos noch andere Felder, die monetäre Expansion fortzusetzen, beispielsweise Aktienaufkäufe. Bezüglich der Anleihen und der gesetzten Regeln (die geändert werden könnten) ist ein Ende in der Tat absehbar. Seitens der Bank of England und seitens der Federal Reserve implizieren die Einlassungen eine Tendenz zur mittelfristigen Zinswende.

Für die Bank of England ist derzeit ein Banken-Strafzins kein Thema. Dies machte der britische Notenbankchef Carney gestern deutlich: "Wir beabsichtigen das überhaupt nicht und haben kein Interesse daran." Auf Sicht von drei Jahren seien steigende Zinsen derzeit eher wahrscheinlich als sinkende Zinsen. Damit wird der britische Bankensektor nicht in der Profitabilität eingeschränkt. Übrigens verzinste und verzinst die Fed die Überschussreserven oberhalb des Ausleihesatzes. Der Unterschied zur EZB ist augenfällig. Was hilft der Kreditvergabe wirklich? Eine Pönale?

Die Auswirkungen der jüngsten Unruhen an den globalen Finanzmärkten auf die US-Konjunktur lassen sich nach Worten des stellvertretenden Chefs der US-Notenbank, Stanley Fischer, noch nicht abschätzen. Der Rückgang der Ölpreise bedeute, dass die Preisinflation länger unter der Zielmarke bleiben werde. Die Konjunkturdaten zeigten, dass sich der Arbeitsmarkt weiter verbessert und das Wirtschaftswachstum im laufenden Quartal beschleunigt habe.

Man müsse eine Zinserhöhung im März ernsthaft erwägen, sagte die Chefin der Fed in Kansas City Esther George (stimmberechtigtes Mitglied im Offenmarktausschuss). Sie wolle bis zum Treffen am 15. und 16. März warten, bevor sie über eine Unterstützung für eine Anhebung des Schlüsselzinses entscheide. Eine Fortsetzung der Turbulenzen an den Finanzmärkten könnte für eine Pause in der Geldpolitik sprechen. Der wirtschaftliche Ausblick der USA habe sich aber seit Dezember fundamental nicht verändert.

Die Ignoranz gegenüber der US-Konjunkturschwäche ist unverändert ausgeprägt. Wir verweisen auf die unten thematisierten US-Konjunkturdaten.


Zusammenfassend

Der öffentliche Diskurs, der seitens der westlichen Zentralbanken derzeit veranstaltet wird, impliziert potentiell Gedanken an eine mögliche Neuausrichtung. Bezüglich der umgesetzten Strukturreformen wäre Kontinentaleuropa am ehesten aus fundamentaler Sichtweise in der Lage, diesen Schritt zu gehen. Die aktuelle Politik der EZB, die europäische Selbstdarstellung, die US-Selbstdarstellung und die daraus resultierende Wahrnehmung an den Märkten verhindern das.


Der deutsche IFO-Index enttäuschte per Berichtsmonat Februar weitgehend:

So sank der Geschäftsklimaindex unerwartet stark von zuvor 107,3 auf 105,7 Punkte und markierte den tiefsten Wert seit Januar 2015. Die Prognose lag bei 106,7 Zählern.

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© Reuters



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