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"Helikopter-Euros" im Anflug

04.04.2016  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Zusammenfassung:

  • Helikopter-Euros bedeuten, dass die Zentralbank neues Geld schafft und es als "Geschenk" unter die Leute bringt.

  • Helikopter-Euros sind ein sicheres Mittel, um eine Deflation zu verhindern, laufen aber Gefahr, politisch missbraucht zu werden …,

  • … und müssen daher die Befürchtung wecken, dass die Kaufkraft des Euro unter die Räder kommt.

  • Dass die Europäische Zentralbank Helikopter-Euros ausgeben könnte, erscheint recht wahrscheinlich, …

  • ... denn es eröffnet die Chance, die Verschuldungslast im Euroraum zu senken und den Euro vor dem Zusammenbruch zu bewahren.

  • Um sich vor Geldentwertung zu schützen, sollten Anleger erwägen, Gold zu halten und in Aktien zu investieren.


I. "Ein sehr interessantes Konzept"

Auf der Pressekonferenz der Europäischen Zentralbank (EZB) am 10. März 2016 antwortete EZB-Präsident Mario Draghi auf eine ganz besondere Frage eines Journalisten. Sie lautete: "Enthält der Instrumentenkasten der EZB auch Helikopter-Geld, entweder in Form der direkten Finanzierung öffentlicher Investitionen … oder in Form direkter Geldtransfers an die Konsumenten?"

Die Antwort von Herrn Draghi war durchaus vielsagend: "Wir haben über Helikopter-Geld nicht wirklich nachgedacht oder gesprochen. Es ist ein sehr interessantes Konzept, das nun von akademischen Volkswirten diskutiert wird … . Aber wir haben das Konzept noch nicht wirklich studiert." Diese Worte sind bei den aufmerksamen Marktbeobachtern sehr wohl angekommen und verstanden worden: Helikopter-Geld ist durchaus eine mögliche Maßnahme, zu der die EZB greifen könnte.

Wir hatten bereits vor zwei Wochen im Degussa Marktreport das Thema "gestreift". (1) Angesichts seiner Bedeutung - nicht zuletzt auch für Edelmetallanleger aus dem Euroraum - ist jedoch eine etwas eingehendere Behandlung angeraten. Der Einstieg in das Thema ist das Deflationsgespenst.


II. Das Deflationsgespenst

Wenn es etwas im Geldwesen gibt, das bei vielen Menschen Ängste schürt, dann ist es vermutlich das Wort Deflation. Mit ihm verbindet man Preisverfall, Produktionseinbruch, Massenarbeitslosigkeit und Massenelend. Für den unbedarften Beobachter erscheinen daher alle Politikmaßnahmen als gut und richtig, die ver-sprechen, eine Deflation abzuwehren.

Doch was ist Deflation genau? Unter Deflation versteht man einen Rückgang der Preise auf breiter Front. Das ist im Grunde nicht problematisch. Denn eigentlich ist es genau das, was sich die Konsumenten wünschen: Güter zu niedrigen Preisen kaufen zu können. Im heutigen Schuldgeldsystem stehen die Dinge allerdings etwas anders. Das Schuldgeldsystem ist quasi darauf aufgebaut, dass die Güterpreise im Zeitablauf immer weiter ansteigen.

Sinken hier die Preise plötzlich - stellt sich also eine Deflation ein -, gerät das Schuldgeldsystem ins Wanken, es kann sogar kollabieren. Daher setzen die Zentralbanken auch alle Mittel ein, um die Preise vor dem Absinken zu bewahren. Das lässt sich auch bewerkstelligen, wenn es gelingt, die Geldmenge unablässig und in ausreichendem Maße auszuweiten. Doch man sollte nun nicht meinen, dass das auf eine Politik hinausliefe, die den Wohlstand, die Prosperität einer Volkswirtschaft mehren würde.

Das Buch "Fiat Money Inflation in France“" wurde von Andrew Dickson White ursprünglich 1896 verfasst. Es handelt von der Hyperinflation in Frankreich im Zuge der Französischen Revolution.

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Andrew D. White, S. 59. *Die wirklich große Geldentwertung kam 1796, ist also in diesen Zahlen noch nicht berücksichtigt.


III. Falsche Lehren

Es ist eine weitverbreitete Auffassung, dass mehr Geld erforderlich sei, damit die Wirtschaft wachsen kann: dass nur so die Güterproduktion zunehmen kann, mehr Menschen einen Arbeitsplatz finden und höhere Einkommen erzielen können. Doch stimmt das? Kann ein Ausweiten der Geldmenge den Wohlstand heben? Nun, wenn das so wäre, dann stellt sich die Frage: Warum sind wir nicht reicher, als wir es sind?

Ließe sich mit einer Ausweitung der Geldmenge Wohlstand schaffen, so könnte man doch ganz leicht die Armut auf der Welt beenden. Man müsste nur mehr Geld produzieren - was heutzutage ja unbegrenzt und quasi kostenlos möglich ist. Doch dass eine Gesellschaft durch Geldmengenvermehrung reicher wird, ist ein Märchen.

Um das zu verstehen, muss man sich vor Augen führen, dass das Geld eine und nur eine Funktion hat: Und das ist die Tauschmittelfunktion. Die Recheneinheits- und Wertaufbewahrungsfunktionen sind lediglich Unterfunktionen der Tauschmittelfunktion. Daraus folgt: Ein Ausweiten der Geldmenge bringt für die Volkswirtschaft insgesamt keinen Nutzen. Es senkt lediglich die Kaufkraft des Geldes - und - was problematisch genug ist - erschwert dadurch die Tauschvorgänge.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Natürlich ist Geld nützlich. Es hat produktive Wirkungen, und eine moderne arbeitsteilige Volkswirtschaft wäre ohne Geld gar nicht möglich. Die produktive Wirkung bezieht sich jedoch nur auf die gerade vorhandene Geldmenge. Das Vermehren der Geldmenge bringt keinen Nutzen für die Volkswirtschaft insgesamt. Allerdings profitieren einige auf Kosten anderer, wenn die Geldmenge steigt. Das ist auch der Grund, warum es Gruppen in der Gesellschaft gibt, die ein unablässiges Ausweiten der Geldmenge befürworten; die darauf drängen, dass die Geldmenge unablässig ausgeweitet wird. Dieser Sachverhalt wird nachstehend noch näher erklärt.

Im Zuge der Diskussion um die "richtige" Vorgehensweise zur Abwehr einer Deflation, zur Belebung des Wirtschaftswachstums und zur "Krisenbekämpfung" ist ein neuer Begriff aufgetaucht: "Helikopter-Geld". Was damit gemeint ist und welche Konsequenzen die Ausgabe von Helikopter-Geld hat, soll im Folgenden aufgezeigt werden.


IV. Die Idee des 'Helikopter-Geldes'

Der Begriff "Helikopter-Geld" geht auf den amerikanischen Ökonomen Milton Friedman (1912-2006) zurück. Mit dem Begriff "Helikopter-Geld" wollte er deutlich machen, dass die Zentralbank - die der Zwangsmonopolist der Geldproduktion ist - die Geldmenge jederzeit und in jeder beliebigen Menge ausweiten kann; und dass es in einem ungedeckten Papiergeldsystem, in der die Geldproduktion von der Zentralbank monopolisiert ist, so etwas wie Geldknappheit nicht geben wird, wenn das politisch nicht gewünscht ist.


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