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Wann dürfen die Märkte wieder Märkte sein …

20.06.2016  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.1362 (07.48 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.1224 im europäischen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 104.66. In der Folge notiert EUR-JPY bei 118.95. EUR-CHF oszilliert bei 1.0895.

Selten waren Finanzmärkte stärker auf Politik und Geopolitik fokussiert. Nie waren sie in der jüngeren Geschichte diesen Einflüssen stärker ausgesetzt. Wann dürfen Märkte wieder Märkte sein?

Das Thema Brexit dominiert das Geschehen.

Das Attentat einer psychisch gestörten Person dreht die aktuellen Umfrageergebnisse. Das macht aus mehreren Gründen nachdenklich. Einem Grund wollen wir hier nachgehen. Basisdemokratie (Volksbefragung) ist im Theorem fraglos erstrebenswert. Eine Basisdemokratie bedarf aber eines Wahlvolkes, das erstens bestens informiert ist und zweitens rational und nicht emotional reagiert. Nur dann kann eine Basisdemokratie auch funktionieren und die erwünschten Ergebnisse im Sinne von Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit liefern.

Werfen wir einen Blick auf die aktuelle Lage im UK, zeigen die Ergebnisse, dass der jüngste Umschwung nicht rational, sondern emotional bedingt ist. Werfen wir einen Blick auf den Täter. Psychisch gestört, nachgesagte Verbindungen zu US-Rechtsextremen und Ausrufe wie "Britain first" implizieren eine Nähe zu den "Brexiteers". Ergo ist der Meinungsumschwung, der jetzt gemessen wird, emotional nachvollziehbar (erste Wahrnehmungsebene), rational ist er definitiv nicht.

Zu den jüngsten Umfragen: Nach dem Attentat auf Jo Cox ergeben sich neue Tendenzen in den Umfragen. In der Umfrage der "Mail on Sunday" führten die EU-Befürworter mit 45% gegenüber den “Brexiteers“ mit 42%. In der Vorwoche sah das Ergebnis genau umgekehrt aus. Laut der Umfrage des "Observer" liegen die beiden Lager mit jeweils 44% gleichauf. Hier haben dagegen die "Brexiteers" in der letzten Woche um 2% aufgeholt. Das Manko dieser Umfrage liegt jedoch darin, dass die Erhebungen maßgeblich vor dem Attentat angesiedelt waren.

Die Manöver der Nato finden ein divergentes Echo. Diesbezüglich erlauben wir uns, darauf hinzuweisen, dass die russischen U-Boote in den schwedischen Gewässern (2015), die laut von unseren Medien als russische Aggressionspolitik interpretiert worden sind, sich nun als ein schwedisches und ein bundesdeutsches U-Boot entpuppt haben. Die Ähnlichkeiten zu den Vorfällen in der Phase 1982 - 1985 in schwedischen Gewässern (Zusammenhang Nato-Doppelbeschluss, Anbindung Schwedens an die Nato, Untergrabung der Position Palmes, am lezten Wochenende Beitrag auf ZDF Info) sind recht augenfällig.

Wir sind durchaus irritiert, dass diese neuen Erkenntnisse medial keine angemessene Beachtung finden nach so starker westlicher Medialbeachtung 2015. Bundesaußenminister Steinmeier kritisierte die Nato-Manöver in Osteuropa. Mehr Dialog und Kooperation mit Russland sei erforderlich und nicht lautes Säbelrasseln und Kriegsgeheul. O-Ton: "Wer glaube mit Panzerparaden an der Ostgrenze mehr Sicherheit zu schaffen, der irrt."

Präsident Putin trumpft nicht mir Aggression auf, ganz im Gegenteil. In seiner Rede in St. Petersburg auf dem Wirtschaftsforum signalisierte Präsident Putin Kompromissbereitschaft und Offenheit. Er bezeichnete die USA als letzte verbliebene Supermacht. Russland akzeptiere das. Man sei in Moskau zu einer konstruktiven Zusammenarbeit bereit. Gegenüber der EU, die voraussichtlich die Sanktionen verlängern wird, hege man keinen Groll. Man sei in Moskau bereit, der EU entgegenzukommen. Das dürfe jedoch keine Einbahnstraße sein.

Fazit: Die Chance auf Verständigung und friedlichem Miteinander ist gegeben. Die Kunst der Politik liegt darin, miteinander zu reden. Diejenigen, die genau diesen diplomatischen Diskurs ablehnen, sind diejenigen, die eskalieren und Eskalation ist eben eine Form der Aggression."Food for thought!"

In Deutschland sprudeln die Steuern. Per Mai lagen die Steuereinnahmen mit 47,7 Mrd. Euro 6,2% über dem Vorjahreswert. Im Zeitraum Januar bis Mai liegt die Zunahme bei 5,8%. Die Steuerschätzung für das Gesamtjahr 2016 lag bei einem Anstieg um 3%.

In wie weit diese Tendenz fortzuschreiben ist, hängt auch an der Frage, ob es zu einer Entspannung bei den politischen Spannungen kommt. Eine Verschärfung der Situation könnte nicht nur das Niveau der Steuereinnahmen erschüttern.

Die Leistungsbilanz der Eurozone reüssierte mit einem Überschuss in Höhe von 36,2 Mrd. Euro nach zuvor 26,3 Mrd. Euro. So sieht es aus, weil die Konkurrenzfähigkeit der Reformländer wieder hergestellt ist und weil die Eurozone der Hort der „Hidden Champions“ (Definition: Nummer eins im eigenen Land, unter Top drei der Welt der jeweiligen Branche) ist. Circa 1.700 von global 2700 "Hidden Champions" kommen aus der Eurozone, die gerade einmal 330 Millionen von 7,2 Mrd. Menschen stellt.

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© Reuters


Aus den USA erreichten uns die Neubaubeginne und Baugenehmigungen per Berichtsmonat Mai. Die Neubaubeginne stellten sich in der auf das Jahr hochgerechneten Fassung auf 1.164.000 nach 1.167.000 Objekte. Die Anzahl der Baugenehmigungen stellte sich auf 1.138.000 und lieferten im Monatsvergleich einen Anstieg um 0,7%. Im Jahresvergleich kam es zu einem Rückgang um 10,1%.

Nachfolgender Chart der Neubaubeginne ist Ausdruck einer Seitwärtsbewegung oder einer möglichen Plateaubildung.

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© Moody’s Analytics


Aktuell ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Erst ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.1080 - 1.1110 neutralisiert den positiven Bias.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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