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Die Wirtschaft ist manipuliert

29.09.2016  |  John Mauldin
- Seite 3 -
Alles, was die Modelle vermögen, ist die Anwendung von Wirtschaftstheorien auf vorhandene Daten. Informationen, die von den mathematischen Modellen nicht ohne Weiteres verarbeitet werden können, müssen ignoriert werden. Ungenaue oder unvollständige Daten verfälschen die Ergebnisse - und die Federal Reserve verfügt mit Sicherheit nicht über alle Daten, die notwendig wären, um eine komplexe Wirtschaft wie die der Vereinigten Staaten angemessen abzubilden.

Zudem beruhen die Modelle auf diversen Annahmen, und viele davon sind schlicht und ergreifend falsch. Obwohl die heutigen Philosophenherrscher der Wirtschaft Professorentitel und Nobelpreise haben und alle möglichen Arten der Mathematik verstehen, die sich mir nie erschließen werden, ist es dennoch eine Tatsache, dass sich ihre Modelle durchweg als falsch erwiesen haben. Jedes Unternehmen, das sich auf derart erwiesenermaßen schlechte Modelle verließe, würde über Nacht bankrott gehen und die Zauberer, die die Modelle erdacht haben, würden ihre Arbeit verlieren. Doch die Zentralbanken produzieren am laufenden Band nicht funktionierende Modelle und basteln ewig an ihnen herum, ohne jemals ihre Grundannahmen zu überdenken.

Fast alle Wirtschaftsmodelle gehen von der theoretischen Existenz einer Art dynamischen Gleichgewichtszustands aus, weil sich ein komplexes, chaotisches System nicht in einer Excel-Tabelle und auch nicht mit der besten Statistiksoftware abbilden lässt. Um überhaupt mit der Erstellung eines verlässlichen Modells beginnen zu können, müsste man Komplexitätsökonomik anwenden, ein Forschungsgebiet, das noch in den Kinderschuhen steckt.

Der amerikanische Publizist George Gilder hatte die großartige Erkenntnis, dass Wissen die einzige Währung mit einem echten Wert ist, eine Tatsache, die er aus Claude Shannons Informationstheorie ableitet. Wissen ist das Signal im Rauschen, das den Märkten mitteilt, wie sie reagieren sollten, und jedem einzelnen von uns hilft zu entscheiden, was wir kaufen oder verkaufen, ob wir zur Arbeit gehen oder zu Hause bleiben, Tag für Tag.

Dieses Wirtschaftsverständnis, welches im Kern auf Wissen und der informierten Entscheidungsfindung der einzelnen Akteure beruht, lässt sich nicht in eines der mechanistischen Modelle pressen, die die Priesterschaft der Ökonomie ersinnt, um zu bestimmen, wo der Preis des Geldes liegen sollte. Uns fehlen ganz einfach die Möglichkeiten zur Darstellung einer solchen Komplexität.

Davon einmal abgesehen, möchte ich klarstellen, dass längst nicht alle Hohepriester die Negativzinsen befürworten. Es gibt durchaus bedeutende Wirtschaftswissenschaftler, unter ihnen auch Nobelpreisträger, die negative Zinsen für eine äußerst schlechte Idee halten. Doch nach allem, was vom Symposium der Fed in Jackson Hole zu uns gedrungen ist, scheint die Ansicht vorzuherrschen, dass Zinsen im Minusbereich eine akzeptable Idee darstellen.

Die Vordenker, die die von der US-Notenbank vertretene Sichtweise ausgebrütet haben, planen offensichtlich die Einführung negativer Zinssätze in der Reservewährung der Welt, sobald die nächste Rezession einsetzt. Das würden sie selbstverständlich leugnen und darauf beharren, dass die Negativzinsen nur eines von vielen Instrumenten in ihrer Werkzeugkiste sind, die im Bedarfsfall angewendet werden können. Im gleichen Atemzug werden sie dann darauf hinweisen, dass negative Zinsen in Europa und Japan ziemlich gut funktionieren. Man fragt sich unweigerlich, was diese Leute rauchen.

Sehen Sie sich die aktuelle Lage an. Die angebliche brummende Wirtschaft wird in nicht allzu ferner Zukunft den nächsten Konjunkturrückgang erleiden. Was dann? Die Federal Reserve kann die Zinsen nicht senken, es sei denn sie hebt sie zuvor deutlich an. Das ist allerdings nicht möglich, weil dann die Unterstützung für die "angemessenen Aktienkurse" wegbräche, die Fed-Vizepräsident Stanley Fischer zufolge so wichtig sind.

Aus Ermangelung anderer Optionen bereitet sich die Notenbank also auf die Senkung der Zinsen in den Minusbereich vor, sobald die Wirtschaft das nächste Mal belebt werden muss. Das war die eindeutige Botschaft der Sitzung in Jackson Hole. Die Ökonomen der Fed glauben tatsächlich, dass Zinssenkungen unter 0% der richtige Weg sind, und dass das Volk ihnen bei der Lenkung der Wirtschaft einfach vertrauen sollte.

Dabei verweisen sie auf die Daten - oder zumindest ihre Interpretation der Daten. Es stimmt, dass die Zinsen gesenkt und lange Zeit auf einem niedrigen Niveau gehalten wurden, und dass sich die Wirtschaft irgendwie ein kleines bisschen erholt hat. Das ist gleichzeitig geschehen. Die Korrelation ist eindeutig, doch die Hohepriester meinen eine Kausalität zu sehen. Sie denken eines (niedrige Zinsen) hat zum anderen (Aufschwung) geführt.

Die Zentralbanken haben versucht, der Wirtschaft neuen Schwung zu verleihen, und die Bürokraten in den wichtigsten Notenbanken der Welt sind der Meinung, dass niedrige Zinsen die Beschäftigungsquote steigen lassen. Daher lohnt es sich in ihren Augen die Zinsen zu senken, auch wenn dadurch die Rendite von Pensionsplänen, Rentenfonds und normalen Unternehmen, die auf feste Zinsen angewiesen sind, zerstört werden.

Die Tatsache, dass es für den Zusammenhang zwischen einem niedrigen Zinsniveau und einer geringen Arbeitslosigkeit sowie einer konjunkturellen Erholung keinen anderen Beleg als eine reine Korrelation gibt, bringt sie nicht im Geringsten von ihrem Kurs ab. Jeder Student der Wissenschaften, der in einer Hausarbeit statistische Korrelation und Kausalität in gleicher Weise vermischt, würde fraglos durchfallen und dürfte den Kurs noch einmal wiederholen. Doch in Wirtschaftskreisen geht der gleiche Unsinn als akademische Glanzleistung durch.

Ein Ökonom sieht, was er sehen möchte, und missachtet den Rest, um ein altes Lied zu paraphrasieren. Die Fed ist nur allzu gewillt, die "Finanzialisierung" der Wirtschaft zu übersehen, die dazu geführt hat, dass es nun günstiger ist, andere Wettbewerbsteilnehmer aufzukaufen als mit ihnen zu konkurrieren, und im Zuge derer die Investitionsausgaben sowie die Beschäftigung zurückgegangen sind. Die Mitarbeiter der Notenbank würden sagen, dass die Investitionen ohne ihre Nullzinspolitik noch stärker gesunken wären.

Die Tatsache, dass die Credits Spreads niedriger als je zuvor und die Kapitalinvestitionen lächerlich sind, scheint nicht in ihre Gleichungen zu passen. Diese Korrelation übersehen sie geflissentlich. Das Problem besteht jedoch nicht in einem Mangel an Kapital, sondern in einem Mangel an guten Geschäftsgelegenheiten, für die es sich lohnt, das Kapital einzusetzen, ultra-niedrige Zinsen hin oder her.

Für dieses Problem ist die Federal Reserve zugegebenermaßen nicht allein verantwortlich. Schuld daran sind auch die Überregulierung jeglicher Geschäftstätigkeit, die sinnlose Struktur des Steuersystems und das Schuldenniveau, das nicht nur in den USA sondern weltweit explodiert. Die ganze Welt steht Kopf.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass es unter den Wirtschaftsakademikern beachtliche Meinungsverschiedenheiten im Hinblick auf den Kurs der Zentralbanken gibt. Zahlreiche angesehene Ökonomen lehnen die aktuelle Philosophie der Notenbanken instinktiv ab. Glauben Sie also bitte nicht, ich würde alle Wirtschaftswissenschaftler als arrogante Philosophenherrscher abstempeln. Nein, ich meine damit nur diejenigen, die Zentralbanken beraten und verwalten.


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