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Ist Inflation ein monetäres Phänomen?

24.10.2016  |  Klaus Singer
Zuletzt soll hier das angerissene Thema Inflation noch weiter vertieft werden. Aus den Verläufen der Inflationsraten bei den Produzenten und Konsumenten in der Eurozone, in den USA und in der VR China ergibt sich, dass zunächst der Boden der Preisentwicklung erreicht sein könnte und in den nächsten Monaten mit weiter steigenden Inflationsraten zu rechnen ist.

Dabei spielen die Rohstoffpreise eine wichtige Rolle, die nach CRB-Index (in Dollar) seit dem Tief im Februar um rund 20% gestiegen sind. Gegenwärtig wird hier erneut die langfristige Abwärtslinie vom Hoch aus der Jahresmitte 2008 attackiert.

Entscheidend sind die Ölpreise, sie notierten zuletzt nahe einem 15-Monats-Hoch. Bei Öl Brent ist der Pegel von rund 53 Dollar wichtig (rote Linie). Interessanterweise startete von hier aus Anfang 2007 die Explosion der Rohstoffpreise insgesamt, die den Brent-Ölpreis bis zur Jahresmitte 2008 auf über 145 Dollar trieb. So lange der Preis nicht wieder signifikant unter 43 Dollar fällt (grüne Linie), erscheint mir eine weitere Aufwärtsbewegung wahrscheinlicher - ein Ausbruch über 53 Dollar ist dann nur eine Frage der Zeit.

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Die jährlichen Veränderungen in den Einzelhandelsumsätzen zeigen für die USA und die VR China ebenfalls eine Bodenbildung an, für die Eurozone gilt das aktuell nicht. Hier wirken allerdings auch sehr unterschiedliche Entwicklungen zusammen. Im September ist die Preissteigerung in der Eurozone aber wieder auf 0,4% gestiegen, den höchsten Satz seit zwei Jahren. Hier wirkt auch über den schwachen Euro importierte Inflation.

Weitere preistreibende Faktoren: In Deutschland steigen die Löhne um 2,5% ohne eine entsprechende Zunahme der Produktivität. Eine halbwegs laufende Konjunktur trifft auf steigende öffentliche Defizite. In der Eurozone hat die Preissteigerung den Tiefpunkt im Sommer dieses Jahres erreicht, schreibt Dr. Martin Hüfner, und fährt fort: "Von nun an geht es deutlich nach oben. Wenn wir in zwei Jahren zurückblicken, werden wir den Herbst 2016 als den Wendepunkt diagnostizieren.“

Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen - das ist der von Milton Friedman geprägte monetaristische Glaubenssatz Nr. eins[1]. Und weil in unserer Art zu wirtschaften die Zentralbanken eine so starke Stellung haben, dass sie die Geldmenge effizient kontrollieren können, können sie auch die Inflation kontrollieren, so der Glaubenssatz Nr. zwei.

Die Basisgeldmenge ist in den USA seit Mitte 2008 um den Faktor 4,4 angestiegen, was hauptsächlich auf den Anstieg der Reserven der Geschäftsbanken zurückzuführen ist. Sie hat zuletzt um 7,3% gegenüber dem Vorjahr abgenommen, die Trendauswertung (rote Signallinie) zeigt seit April 2015 Kontraktion. In normalen Zeiten müsste man annehmen, dass der Realwirtschaft damit eine Rezession droht. Aber erstens geschieht diese Kontraktion auf einem sehr hohen Niveau.

Zweitens steigt die die Versorgung mit liquidem Geld messende Geldmenge MZM mit zuletzt 6,9% weiter an. Und drittens wird mit der Finanzialisierung der Wirtschaft der Geldkreislauf immer stärker separiert; was im Geldfass der Finanzwirtschaft geschieht, hat nur noch sehr indirekte Auswirkungen auf das Geldfass der Realwirtschaft. Seit 2009 haben die Preise für Aktien und Anleihen im Kontext der stark gestiegenen Basisgeldmenge deutlich angezogen - der Glaubenssatz eins (Inflation ist ein monetäres Phänomen) trifft hier zu.

Die Realwirtschaft verhält sich anämisch, was sich auch an der Umlaufgeschwindigkeit der Geldmenge MZM zeigt. Sie sinkt im großen zeitlichen Rahmen seit zwanzig Jahren ab. Relative Prosperität ist gekennzeichnet durch zunehmende Umlaufgeschwindigkeit bei gleichzeitiger Abnahme des MZM-Multiplikators zur Basisgeldmenge, weil dies nahelegt, dass Geldmittel vermehrt in den Geldkreislauf der Realwirtschaft gehen.

So gesehen war die Zeit vor 2000 durch eine relativ gesunde wirtschaftliche Entwicklung gekennzeichnet, sowie dann nochmals die Phase zwischen 2004 und Mitte 2007. Seit der Jahreswende sinkt die Umlaufgeschwindigkeit weiter ab, während der Multiplikator eher beschleunigt zunimmt. Er hatte im Oktober 2014 einen Tiefpunkt erreicht.

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Das Platzen der Schuldenblase 2008 hat zu einer Bilanzrezession geführt (Richard Koo hat diesen Begriff geprägt). Private Haushalte und v.a. Unternehmen, sowie Banken sparen nach einer Finanzkrise, um durch einen positiven Finanzierungssaldo Wertverluste wegen Abschreibung von Vermögenswerten auszugleichen. Der Staat muss dann die Gegenposition einnehmen und als Schuldner den Ausgabenausfall aus Investitions- und Konsumzurückhaltung des privaten Sektors kompensieren.

An Keynes orientierte staatliche Anreizprogramme können die Wirtschaft zeitweilig stabilisieren. In einer Phase der Bilanzrezession führt eine durch die Zentralbank finanzierte Staatsverschuldung aber nicht zu Inflation, da die private Nettokreditaufnahme rückläufig ist. Die Überschuss-Reserven im Bankensystem steigen, verlassen aber das Bankensystem nicht, weil es nicht genügend private Kreditnehmer gibt. Ein niedriges Zinsniveau ändert an dieser Situation wenig, so lange die Bilanzbereinigung Vorrang hat.

Das Verhältnis der Überschuß- zu den gesamten Reserven im Bankensystem kommt aktuell auf 93%, vor Ausbruch der Finanzkrise lag es bei vier Prozent, in der Spitze kam es Mitte 2014 auf 95%. Das weist auf das bestehende Kreditschöpfungspotenzial mit entsprechender Ausweitung der Geldmenge hin. Die gesamten Ausleihungen liegen heute um 25% höher als Mitte 2008, sie stiegen zuletzt um jährlich acht Prozent auf 9,1 Bill. Dollar.

Das alleine sagt hinsichtlich Inflationswirkung in der Realwirtschaft nicht viel aus, da hierzu die Kredite innerhalb des Finanzsystems herausgerechnet werden müssten. Momentan liegt es nach Verlauf der Geldmenge MZM und des MZM-Multiplikators nahe, dass dieser Teil überwiegt.


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