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Die Inflation ist programmiert

11.12.2016  |  Manfred Gburek
Die am Finanzplatz Frankfurt bestens vernetzte Börsen-Zeitung lüftete am Freitag - als eines von ganz wenigen Medien - ein Geheimnis: Bundesbank-Präsident (gleichzeitig EZB-Ratsmitglied) Jens Weidmann hätte am Donnerstag gegen die erweiterte Geldspritze von EZB-Präsident Mario Draghi samt dessen getreuen Rats-Dienern opponiert. Darin liegt noch mehr Sprengkraft als im Dilemma maroder italienischer Banken, denen die neue Geldspritze offenbar ganz nebenbei zugute kommen soll. Denn Weidmann kontra Draghi, dieser bisher nur mit Worten ausgefochtene Zweikampf, beginnt zu eskalieren.

Die jetzt von Draghi und seinem Anhang beschlossenen, vorläufig bis Ende 2017 laufenden Anleihenkäufe zur Stimulierung von Wirtschaft und Inflation führen in eine Falle: Entweder sie werden danach zurückgefahren, dann wäre die nächste Finanzkrise einschließlich Euro-Debakel fällig. Oder sie werden fortgeführt, dann käme es über kurz oder lang zu einer Inflation, die sich nicht mehr bändigen ließe. Der folgende verräterische, im typisch umständlichen EZB-Jargon formulierte Satz aus der offiziellen EZB-Mitteilung vom Donnerstag spricht Bände:

"Sollte sich der Ausblick zwischenzeitig eintrüben oder sollten die Finanzierungsbedingungen nicht mehr mit einem weiteren Fortschritt hin zu einer nachhaltigen Korrektur der Inflationsentwicklung im Einklang stehen, so beabsichtigt der EZB-Rat, das Programm im Hinblick auf Umfang und/oder Dauer auszuweiten." Im Klartext: Auch 2018 und darüber hinaus kann die EZB nach Belieben Geld drucken.

Weidmanns Botschaft lautet seit Monaten: Niemand soll später behaupten können, der Bundesbank-Präsident habe nicht rechtzeitig vor den Gefahren der ultralockeren EZB-Geldpolitik und ihrer Vermischung mit der Fiskalpolitik gewarnt. So meinte Weidmann Ende September beim Hauptstadtempfang in Berlin, die Anleihenkäufe ließen "die Grenze zwischen der Geldpolitik und der Fiskalpolitik verschwimmen".

Während des European Banking Congress Mitte November stichelte er gegen Draghi wegen dessen Glauben an Wirtschaftswachstum durch Geldpolitik: "Es sind nicht die Zentralbanken, welche die Wirtschaft zu stärkerem Wachstum führen können." Und in einem Handelsblatt-Interview Ende November legte er nach: "Gerade mit den unkonventionellen Maßnahmen hat die EZB die Grenze zwischen Geld- und Fiskalpolitik verwischt."

Die Reaktionen der Anleger auf die EZB-Beschlüsse vom Donnerstag waren zunächst himmelhoch jauchzend; sie schickten die deutschen und anderen europäischen Aktienkurse spontan nach oben. Dabei kam ihnen gelegen, dass der amerikanische Dow Jones- und der japanische Nikkei-Index sich seit Wochen ein Wettrennen liefern und Anleger ihrerseits zu Wetten animieren, welcher von beiden wohl zuerst die 20.000-Punkte-Marke überspringt.

Alles zusammen führt zu teilweise aberwitzigen Schlussfolgerungen. Hier ein paar Kostproben: Jetzt, da mit Anleihen weiterhin kein Staat mehr zu machen sei, blieben Aktien erst recht alternativlos. Hohe Dividendenrenditen sprächen für Aktien, vor allem für solche aus dem Dax. Der habe die psychologisch wichtige Marke von 10.800 Punkten in kürzester Zeit geknackt, sodass jetzt der weitere Weg nach oben frei sei. Mit ETFs, den börsengehandelten Indexfonds, könne man nichts falsch machen. Das von Donald Trump schon bald initiierte Konjunkturprogramm werde die Aktienkurse in ungeahnte Höhen treiben. Und so weiter.

Die allgemeine Stimmungsmache für Aktien hat unter anderem den Grund, dass Kapitalerhöhungen und Börsengänge in solch einer Atmosphäre zu besonders günstigen Konditionen gelingen. Darüber hinaus lässt sich das Window dressing, also das Verschönern der Performance von Fonds und Vermögensverwaltungen zum Jahresende, so viel leichter gestalten als bei rückläufigen Kursen - mit dem Nebeneffekt, dass bereits im Fall befindliche Aktien weiter fallen gelassen werden, weil man sie im Portfolio zum Jahresende nicht so gern ausweisen möchte.


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