Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Auch dieses Jahr wieder - was bringt das nächste?

27.12.2016  |  Klaus Singer
Alle Jahre wieder lädt das Jahresende zum Ausblick auf das kommende Jahr ein. Bei einem längerfristigen Blickwinkel auf die Finanzmärkte sind die strukturellen Tendenzen relevanter als die kurzfristigen Faktoren, die häufig spekulativ überzeichnet werden. Ich befasse mich dabei vor allem mit den USA, hier wird politisch und wirtschaftlich immer noch (oder erst recht wieder) der Takt geschlagen. Natürlich ist bei solchen Projektionen vorausgesetzt, dass kein "Schwarzer Schwan“ auftaucht, eines von jenen Ereignissen, die nach traditioneller Stochastik höchst unwahrscheinlich sind.

Das Ereignis, das für die Finanzmärkte zweifellos die größte und nachhaltigste Bedeutung hatte in dem auch ansonsten an Ereignissen nicht eben armen Jahr 2016, war die Wahl von Trump zum nächsten US-Präsidenten. Seitdem wird an den Finanzmärkten gewettet auf die einfache Gleichung Trump = Deregulierung + Infrastruktur-Ausgaben + Steuersenkungen. Der Dow Jones stieg sieben Wochen in Folge. Eine besonders gute Performance legten amerikanische Small Caps hin, was wohl mit Tiraden Trumps gegen Auswirkungen der Globalisierung zu erklären sein dürfte. Gemäß aktuellen Berichten könnte Trump eine Importsteuer von bis zu zehn Prozent einführen, das dürfte kleinere, lokal operierende Firmen besonders unterstützen.

Die "Trumponomics“ werden ohne hohe neue Staatsschulden nicht finanziert werden können. Im von den Republikanern dominierten US-Kongress dürfte das aber nicht auf Widerstand stossen. Die Fed warnt zwar, auf hohes schuldenfinanziertes Wachstum im kommenden Jahr mit bis zu drei Zinserhöhungen zu antworten. Da Fed-Chefin Yellen aber immer wieder für Investitionen in die Infrastruktur plädiert hat, erscheint das als leere Drohung. Überhaupt fokussiert die Fed die Ankurbelung der Konjunktur und nähme dabei auch ein Überschießen der Inflation inkauf. Sie wird im Zweifel das Ziel einer günstigen Finanzierung neuer Staatsschulden höher hängen als die Preisstabilität. Eine Politik der gezielten Liquiditätsverknappung ist somit unwahrscheinlich.

Damit spricht gegenwärtig nicht viel dagegen, dass die "Trumponomics“ umgesetzt werden. Dies dürfte in die Welt hinaus ausstrahlen. Wirtschaftspolitisch steht damit nun die Angebotsorientierung im Vordergrund, nachdem sich in den vergangenen Jahren gezeigt hatte, dass die auf Keynes basierende nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik offensichtlich nur geringe konjunkturbelebende Wirkung hat.

Jetzt dürfte oben anstehen, die Investitionsbedingungen der Unternehmen zu verbessern - auch mittels höherer staatlicher Verschuldung. Daraus folgt auch, dass das in den zurückliegenden zwei Jahren beherrschende Thema "Deflationsgefahr“ (vorerst) vom Tisch ist. Basiseffekte bei Rohstoffen, insbesondere bei Öl, unterstützen das. Die Inflationserwartung nach Differenz der nominalen und realen Renditen zehnjähriger TNotes liegt gegenwärtig bei 1,9%, vor "Trump“ hatte sie bei 1,7% gelegen, Mitte September bei 1,5%.

Trumponomics - das erinnert an die Zeit von Reagan in den frühen 1980er Jahren. Im Unterschied dazu ist das Verschuldungsniveau jedoch mittlerweile auf einem so hohem Niveau, dass es die Entfaltung von Wachstumskräften behindert. Zudem ist die Ungleichmäßigkeit der Verteilung von Einkommen und Vermögen heutzutage sehr groß. Setzt sich diese Entwicklung im Rahmen der Trumponomics fort, könnte das schnell gesellschaftspolitisch brisant werden - mit entsprechenden wachstumsbremsenden Effekten. Demographische Entwicklungen tun ein Übriges. Damit dürfte der Wachstumseffekt aus den Trumponomics deutlich holpriger ausfallen als zu Reagans Zeiten.

Die Fed versucht, zinspolitisch wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Eine Rückkehr zu einem halbwegs normalen Zinsniveau liegt jedoch in weiter Ferne. Die Fed erwartet in ihren Projektionen, dass die Inflation erst 2019 ihr Ziel von zwei Prozent erreichen wird. Entsprechend ist die Aussicht auf in absehbarer Zeit deutlich höhere Leitzinsen gering. Für 2017 sind ein, vielleicht zwei Trippelschritte von je 0,25% zu erwarten.

In der Eurozone dürften das Rendite-Tief hinter uns liegen, auch wenn die EZB ihr QE-Programm bis Ende 2017 verlängert hat. Eine Erhöhung der Leitzinsen ist hier angesichts der schwachen Konjunktur unwahrscheinlich. Laut EZB wird die Inflation auch in drei Jahren noch nicht beim Ziel von zwei Prozent angekommen sein. In den USA nehmen die Reserven des Bankensystems seit Mitte 2015 nachhaltig ab, u.a. weil die Ausleihungen mit zuletzt 7,1% p.a. steigen, die liquiden Mittel (nach Geldmengenaggregat „Money Zero Maturity - MZM“) weiten sich jedoch aus - zuletzt mit 6,5% jährlich.

Tendenziell nimmt das Zinsdifferenzial zwischen USA und Europa also noch etwas zu, die Ausweitung der liquiden Mittel in den USA dürfte jedoch verhindern, dass sich die Renditedifferenzen noch deutlich vergrößern. Das würde den Dollar gegen Euro tendenziell nicht weiter begünstigen. Zudem dürften die USA hier alsbald auf die Bremse treten, um die Akteure an den Finanzmärkten gar nicht erst auf die Idee zu bringen, die Parität zum Euro stehe zur Disposition. Ein zu schnell zu stark werdender Dollar würde die US-Exportwirtschaft tangieren und den Schuldendienst der zu einem großen Teil in Dollar verschuldeten Schwellenländer erschweren. Umschuldungen aus Dollar in Euro (Carry Trades) dürften noch für Druck auf den Euro sorgen, allerdings ist hier wohl das meiste gelaufen.

Wichtig ist in Bezug auf die Entwicklung des Dollar auch, was die VR China tut. Sie hatte bis Anfang 2014 über den Kauf von US-Staatsanleihen dem Aufwertungsdruck der eigenen Währung gegenüber dem Dollar noch entgegengearbeitet. Danach wendete sich das Blatt, das Währungspaar Dollar/Yuan stieg im Zuge der allgemeinen Erstarkung des Dollar wieder an, gleichzeitig begann die chin. Regierung Währungsreserven zu verkaufen. Die USA werfen der VR China vor, ihre Währung nach unten zu manipulieren, um im Export zu profitieren.

Das gilt erst recht für Trump, der das Land zum handelspolitischen Feindbild hoch stilisiert. Lässt er den verbalen Attacken reale Maßnahmen folgen, etwa Einfuhrzölle auf chinesische Waren, dürfte das die Flucht ausländischen Kapitals beschleunigen. Der Dollar würde stärker, der Yuan schwächer. Die chinesische Regierung könnte mit einem verstärkten Verkauf von Währungsreserven reagieren, was die US-Bond-Renditen steigen ließe und "Trumponomics-avers“ wäre. Es ist zu früh, sich hier auf ein Szenario fest zu legen - klar ist aber, dass die VR China nicht ohne Optionen ist.

Alles in allem glaube ich nicht, dass im Euro/Dollar in 2017 die Parität erreicht wird. Das Währungspaar dürfte sich im kommenden Jahr volatil in Richtung 1,10/1,15 bewegen. Dem Dollar-Index traue ich bis Jahresende 2017 ein Potenzial bis 1,08 zu. Das würde bedeuten, dass der Dollar in Bezug auf die in diesen Währungskorb enthaltenen Währungen Yen, britisches Pfund und kanadischer Dollar deutlicher an Wert gewinnt.

Prinzipiell liegt die Trendwende bei den Renditen nach mehr als drei Dekaden Hausse in Anleihen, gleichbedeutend mit Baisse bei den Renditen, nahe. Sollte sich diese allerdings tatsächlich manifestieren, käme sehr schnell eine sich selbst verstärkende Bewegung in Gang, bei der die großen Versicherungen als Kapitalsammelstellen ihre Bestände an Anleihen auf den Markt werfen, um Buchgewinne zu realisieren. Das könnte die gewaltige Anleiheblase platzen lassen - eine Perspektive, die die Zentralbanken mit allen Mitteln zu verhindern versuchen müssen.


Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"