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Und urplötzlich taucht es wieder auf - das Gespenst der Inflation

03.03.2017  |  Dr. Uwe Bergold
- Seite 3 -
Bergold: Das ist eine Fehlkalkulation, die zwar ständig wiederholt, aber dadurch nicht wahrer wird. Sonst hätten wir in den 80er- und 90er-Jahren, die heute als goldene Wirtschaftsjahre gelten, eine kräftige Rohstoffhausse haben müssen. Nichts war. Auch die Angebotsentwicklung schlägt sich nur punktuell in den Rohstoffpreisen nieder und erklärt deren enorme Schwankungsbreite nicht. Die monetäre Seite und das Verhalten der Anleger besitzen einen mindestens ebenso großen Einfluss.


MONEY: Und die werden die Rohstoffpreise nun wieder anschieben?

Bergold: Sie müssen den ganzen Zusammenhang sehen. Das Ganze gleicht einem Drama in mehreren Akten. Schon seit 2000, dem Platzen der High-Tech-Blase am Aktienmarkt, befinden wir uns tendenziell in einem Kontraktionsprozess. Die US-Notenbank Fed reagierte damals mit einer extrem expansiven Geldpolitik. Die führte bis 2007 zu einer neuen Blase, diesmal bei Immobilien. Das war der zweite Akt.

Im dritten provozierten nach dem Platzen auch dieser Blase die Notenbanken mit noch weitergehenden monetären Lockerungen die größte Anleihenblase aller Zeiten. Nie in der Geschichte - und es gibt Aufzeichnungen zurück bis ins Jahr 1694 - waren die Zinsen so niedrig wie heute bzw. die Anleihen so überbewertet. Diese Blase wird irgendwann ebenfalls angestochen werden.


MONEY: Wo bleiben da die Rohstoffe?

Bergold: Sie sind immer der vierte Akt in einem solchen Zyklus und gleichzeitig das Finale. Wenn die überbordende Liquidität diese Blase aufbläst und als Folge die Erzeuger- und Konsumentenpreise explodieren, dann merkt das auch der Bürger, der mit Investments nichts zu tun hat, an rasant steigenden Supermarktpreisen oder Mietnebenkosten. Das alles wird in den kommenden vier, fünf Jahren auf der Agenda stehen.


MONEY: Wie passt da der Goldpreis hinein? Als Inflationsindikator hat er seit 2012 rund 40 Prozent eingebüßt.

Bergold: Auch hier müssen Sie den ganzen Zyklus sehen: Von seinem Tief bei 250 Dollar 1999 hat sich der Goldpreis bis 2011 fast verachtfacht. Erst dann kam die 40-Prozent-Korrektur, aber nur in Dollar. In Euro steigt der Goldpreis schon seit Dezember 2013 wieder.


MONEY: Als Inflationsindikator ist er also weiter intakt?

Bergold: Ja, nach wie vor ist der Goldpreis ein sehr guter Seismograf für die tatsächliche Inflation. Sie können bei jedem Papiergeld, wenn Sie es mit Gold bewerten, sehen, wie es mit ihm steht. Jedes Land hat doch, oft politisch motiviert, eine andere Statistik, berechnet die Inflation, die Wirtschaftsleistung usw. anders. Da lässt sich manches hinbiegen. Der Goldpreis ist hier unbestechlich. Wenn Sie die Währung eines Landes ständig in Gold messen, stellen Sie leicht fest, wie stark die Geldpolitik die Bürger über Inflation enteignet. Denn der Anstieg des Goldpreises bedeutet im Prinzip nichts anderes als einen Ausgleich des Kaufkraftverlusts.


MONEY: Also hat die offizielle Inflationsrate eigentlich gar keine große Bedeutung?

Bergold: Oh doch. Sie ist eine ganz wichtige Zahl für viele andere volkswirtschaftliche Vorgänge, etwa die Lohnfindung, Mieten- oder Rentenerhöhung und vor allem auch für die Sparzinsen. Denn darüber, ob der Sparer Geld verdient oder verliert, entscheiden die Realzinsen, also die Nominalzinsen minus Inflation. Je geringer die offizielle Inflationsrate, desto eher kann dem Sparer vorgegaukelt werden, dass er trotz Minizinsen nichts verliert.

Die Rechnung sieht völlig anders aus, wenn man die tatsächliche Inflation ansetzt. Dann wird er kräftig enteignet. Jeder, der keine Sachwerte besitzt, sondern Papierwerte - und das ist die Mehrheit der normalen Bevölkerung -, wird hier betrogen. Das Niederträchtige daran ist, dass dies eine sehr subtile Form der Enteignung darstellt. Viele Leute verstehen das nicht und lassen sich durch die offiziellen Inflationsberechnung blenden. Erst jetzt, wo Null- oder gar negative Zinsen drohen, fällt es auf.


MONEY: Das Spiel läuft demnach schon länger?

Bergold: Wenn man es real und am Gold misst, schon seit dem Jahr 2000. Sonst würde das Metall nicht steigen, denn es bringt keine Zinsen. Gold steigt nur dann, wenn Geldanlagen real verlieren. Das ist ein ökonomisches Grundgesetz. Die Leute erliegen einer Geldillusion: Sie freuen sich über steigende Immobilien- oder Aktienpreise, die eigentlich - in Gold gerechnet - gar nicht steigen.


MONEY: Fed-Chefin Janet Yellen signalisiert doch, dass sie die Zinsen weiter erhöhen wolle, und auch die EZB scheint sich vorsichtiger zu geben. Hilft das nicht den Sparern?

Bergold: Noch mal: Man muss in realen Größen denken. Eine Zinserhöhung nutzt wenig, wenn gleichzeitig die Preise anziehen. Und vielleicht rechnet Yellen bereits mit einem Anstieg der Rohstoffund als Folge der Verbraucherpreise. Es kann durchaus sein, dass die Zentralbanken die Nominalzinsen peu à peu erhöhen und sich für eine gelungene Zinswende feiern lassen, aber die eigentliche Inflation gleichzeitig viel stärker zulegt. Das würde bedeuten: Real sinken die Zinsen weiter, der Sparer erleidet trotz höherer Nominalzinsen noch größere Verluste.


MONEY: Das wäre dann Treibstoff für den Goldpreis?

Bergold: Richtig. Er reagiert mittelfristig nicht auf Nominalzinsen, sondern auf die reale Situation. Natürlich kann ein Anstieg der Nominalzinsen oder die Aussicht darauf kurzfristig einen psychologischen Effekt für die Märkte haben - wie etwa der jüngste Rücksetzer beim Goldpreis in Verbindung mit der Dollar-Erholung. Wenn aber gleichzeitig die Rohstoffpreise kräftig anziehen, hilft das gar nichts. Wir hatten dieses Szenario in den 70er-Jahren. Deswegen ist damals auch der Goldpreis explodiert - trotz rasant steigender Zinsen.


MONEY: Apropos 70er-Jahre: Noch Ende der 60er erklärte der damalige Wirtschaftsminister Karl Schiller, die Inflation sei tot wie ein rostiger Nagel. 1973 erreichten die Verbraucherpreise dann mit sieben Prozent den höchsten bisher offiziell ausgewiesenen Anstieg. Könnte sich Geschichte wiederholen?

Bergold: Definitiv. Starkes Wachstum der Geldmenge und der Verschuldung bedeuteten in der Historie immer Inflation, ohne Ausnahme. Und sie bedeuten immer eine fortschreitende Entwertung der Währung. Der Prozess der Inflationierung hat schon begonnen. Wir bekommen in den nächsten drei bis fünf Jahren ein massives Inflationsproblem. Das ist nicht aufzuhalten.



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