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Frankreichs EUROphorie schwindet

29.04.2017  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Wirtschaftliche Probleme untergraben zusehends die politische Unterstützung der französischen Bevölkerung für das Europrojekt.

Die erste Runde in der französischen Präsidentschaftswahl ist entschieden, und in die Stichwahl am 7. Mai ziehen der sozialliberale Emmanuel Macron und die Front-National-Kandidatin Marine Le Pen. Das Ergebnis löste auf den Finanzmärkten Jubelstürme aus. Doch ist die Euphorie gerechtfertigt?

Sie speist sich aus der Erwartung, dass Macron in den Elysee-Palast einzieht. Unter ihm, so die Hoffnung, bleibt Frankreich auf einem Pro-Europakurs und wird sich daranmachen, dringend notwendige Wirtschaftsreformen durchzusetzen. Vor allem wäre mit ihm ein Schreckgespenst für viele Euro-Befürworter vom Tisch: dass Frankreich den Euroraum verlassen könnte, wie es Le Pen anstrebt und durchsetzen könnte.

Doch noch steht das Ergebnis des zweiten Wahlgangs nicht fest, auch wenn Umfragen Macron als wahrscheinlichsten Gewinner sehen. Und selbst wenn er gewinnt, ist die politische Unsicherheit in Frankreich noch nicht beendet. Macron braucht die Unterstützung der französischen Nationalversammlung - denn auch der französische Präsident, der über recht große Vollmachten verfügt, wird nicht lange gegen eine Mehrheit im Parlament regieren können.

Doch die fehlt Macrons Anhängern bislang. Es ist wahrscheinlich, dass er sich auf eine Koalition der rechten und linken Parteien stützen muss. Eine vertrauenserweckende reformfähige und -willige Regierungskoalition sieht anders aus.

Zwar hat ein Teil der französischen Wähler, enttäuscht von den Altparteien, seine Hoffnung auf den "sozialliberalen" politischen "Newcomer" - En Marche! - gesetzt. Ein beträchtlicher Teil der Franzosen bevorzugt jedoch eine radikale Politikänderung: Der Front-National hat zusammen mit La France insomise 41 Prozent der Wählerstimmen erhalten.

Damit hat sich in Frankreich der Trend fortgesetzt, der in anderen Euroländern schon deutlicher sichtbar wurde: In den österreichischen Präsidentschaftswahlen und in den niederländischen Parlamentswahlen beispielsweise konnten sich zwar letztlich die Pro-Europa-Kräfte durchsetzen, aber die Establishment-kritischen Parteien haben merklich an Boden hinzugewonnen.

Frankreich steht vor großen wirtschaftlichen Anpassungsproblemen: Das Wirtschaftswachstum des Landes ist niedrig, die Arbeitslosigkeit, insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit, ist extrem hoch, die Staatsschulden schwellen weiter an und die Banken sind wackelig. Hier Fortschritte zu erzielen, wird sich als Herkulesaufgabe für die neue Regierung erweisen - und auch Macron hat bislang keine überzeugenden, marktwirtschaftlich beherzten Reformpläne in Aussicht gestellt.

Vielmehr scheint Macron dort weitermachen zu wollen, wo seine Vorgänger aufgehört haben: beim Schaffen eines Euroraum-Finanzministeriums mit eigenem Etat und der Einführung von "Euro-Bonds", um die nationalen Staatsschulden zu vergemeinschaften.

Die Wahl Macrons zum neuen französischen Präsidenten würde dem Europrojekt allenfalls eine Verschnaufpause bringen. Die EU-Müdigkeit und -Enttäuschung vieler Franzosen wird es Macron sehr schwer machen, eine Politik der weiteren EU-Vertiefung zu verfolgen - vor allem, wenn er auf die Unterstützung der politischen Kräfte angewiesen ist, die genau das verhindern wollen.

Im Vorgriff auf die zweite Wahlrunde um das Präsidentenamt ist die Lageeinschätzung die Folgende: Frankreich bewegt sich zusehends dahin, wo sich bereits eine Reihe von "Euro- Peripherieländern" befinden: Die wirtschaftlichen Probleme untergraben zusehends die politische Unterstützung der Bevölkerung für das Europrojekt. Auch Frankreichs EUROphorie schwindet.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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