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Craig Hemke: "Das ganze Kartenhaus wird zusammenbrechen"

18.05.2017  |  Mike Gleason
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Mike Gleason: Da Sie auf Ihrer Webseite ein Forum für Gold und Silber haben und die Investoren dort all diese Themen diskutieren, sind Sie immer am Puls der Edelmetall-Community. Wie schätzen Sie die Geduld der Anleger derzeit ein? Gibt es Leute, die es satt haben und das Handtuch werfen? Oder harren die meisten in der Überzeugung aus, dass es sich am Ende doch noch auszahlen wird, Edelmetalle als Absicherung gegen die Papiermärkte zu halten? Was denken Sie und wie ist die Stimmung im Moment?

Craig Hemke: Interessante Frage, Mike. Wir haben eine wirklich große Community und ich glaube, wir hatten noch nie so viele Mitglieder wie im Moment. Unsere Online-Gemeinschaft ist sehr breit gefächert, deshalb ist es immer spannend zu beobachten, wie sich die Stimmung entwickelt. Diesmal war es recht vorhersehbar, wie Sie sich vielleicht schon denken können. Wenn die Preise 16 Tage lang fallen - 16 Tage in Folge bei Silber! - dann nimmt einen das zwangsläufig ziemlich mit. So macht das Ganze natürlich viel weniger Spaß. Aber man muss irgendwie gemeinsam durchhalten, tapfer bleiben und sich mit denen auseinandersetzen, die frustriert, wütend und aufgebracht sind.

Im Großen und Ganzen denke ich jedoch, dass wir unsere Mitglieder schon gut darüber informiert haben, wie der derzeitige Preismechanismus an den Edelmetallmärkten funktioniert, was die Gründe dafür sind, und welche gigantische Leverage hinter den Terminmärkten steckt. An den Gold- und Silbermärkten kann es vorkommen, dass es für jede einzelne Unze physischen Edelmetalls bis zu 100 Leute gibt, die einen theoretischen Besitzanspruch darauf haben.

Die Banken haben ein ganz neues System geschaffen. Während sie noch in den 1950er und 1960er Jahren im Rahmen des Londoner Goldpools versuchten den Goldpreis stabil zu halten, indem sie den Markt mit physischem Gold versorgten, haben sie jetzt einen Weg gefunden, Gold und Silber aus Papier alchemistisch herzustellen - auf legale Weise.

Gleichzeitig ist es ihnen gelungen, die Anleger und Trader davon überzeugen, dass Futures, Anteile am GLD und nicht eindeutig zugewiesene Goldkonten in der Schweiz ebenso gut sind wie echtes Gold. Auf diese Weise haben sie die theoretische Goldmenge um das 50- bis 100-fache vergrößert. Es ist klar, worauf wir nun alle warten, und der Tag wird irgendwann kommen. Die Welt wird aufwachen und feststellen, dass es nicht einmal ansatzweise so viel physisches Gold und Silber gibt, wie die niedrigen Preise glauben machen.

Ich habe das früher schon gesagt: Das derzeitige Preisniveau legt die Vermutung nahe, dass Gold und Silber reichlich vorhanden sind. Doch das ist ein Trugschluss! Der Preis zeigt nur, dass es Goldderivate aus Papier im Überfluss gibt. Diese auf Gold beruhenden Finanzprodukte gibt es in Hülle und Fülle, nicht jedoch das physische Metall. Eines Tages wird das schließlich zu einer Vertrauenskrise führen und die Anleger werden die Aushändigung ihrer Edelmetalle verlangen.

Von den Banken werden Sie dann so etwas hören wie "kommen Sie in 90 Tagen wieder" - auch wenn Sie es schriftlich haben, dass Sie jederzeit auf der physischen Lieferung ihres Goldes bestehen können. Wenn sich diese Krise erst einmal ausbreitet, wird der aktuelle Mechanismus der Preisfindung an den Derivatemärkten endlich zusammenbrechen. Ich denke, dass das vielen Edelmetallanlegern bewusst ist. Deswegen sind sie bereit, einfach abzuwarten.


Mike Gleason: Bis dahin können wir die niedrigen Kurse auch als gute Kaufgelegenheit betrachten. Wenn die Banken Gold und Silber für uns billig machen wollen, bitteschön. Dann nutzen wir den günstigen Preis eben, um unsere Anlagen aufzustocken.

Craig Hemke: Richtig. In diesem Zusammenhang kommt mir auch das Gold/Silber-Verhältnis in den Sinn. Ich könnte mir gut vorstellen, dass viele Leute sich fragen, wie es sein kann, dass das Gold/Silber-Verhältnis bei 1:75 liegt, wenn es doch historisch betrachtet etwa 1:15 betragen sollte. Vielleicht ist das Verhältnis fünfmal höher als es sein sollte, weil am Silbermarkt noch fünfmal mehr Derivate gehandelt werden als am Goldmarkt.

Vielleicht sollte man bei der Suche nach Gründen zunächst einen Blick auf die Papiermärkte werfen. Doch wie dem auch sei - ein einziger Blick auf das Gold/Silber-Verhältnis genügt, um zu wissen, dass die Edelmetallpreise nicht mehr nach den gleichen wirtschaftlichen Kriterien gebildet werden wie das jahrtausendelang der Fall war. Eines Tages wird sich dieses Ungleichgewicht korrigieren.


Mike Gleason: Damit sich unter den Preisen ein Boden bildet und die Kurse wieder nach oben klettern können, werden die Spekulanten einen Grund für den Kauf von Gold und Silber benötigen. Wir beide könnten eine lange Liste mit guten Gründen für den Besitz von Edelmetallen aufstellen: Die Zentralbanken arbeiten weiterhin weltweit an der Entwertung unserer Währungen, die Verschuldung und die Staatsausgaben sind hoffnungslos außer Kontrolle geraten und das Finanzsystem ist instabiler als je zuvor.

Doch die meisten Menschen, einschließlich praktisch aller, die an der Wall Street arbeiten, schenken solchen grundlegenden Entwicklungen nicht viel Aufmerksamkeit. Zur Zeit interessieren sich nur wenige Anleger für die sogenannten Safe-Haven-Assets, insbesondere seit der US-Präsidentschaftswahl im vergangenen November. Stattdessen treiben die Investoren die Aktienkurse immer weiter in die Höhe und gehen immer größere Risiken ein. Was könnte in Ihren Augen ein potentieller Katalysator sein, der die Spekulanten in den kommenden Monaten wieder an die Gold- und Silbermärkte lockt?


Craig Hemke: Damit haben Sie die Sache auf den Punkt getroffen, mein Freund. Wenn die Preise wieder steigen sollen, muss es zuerst eine größere Nachfrage an den Derivatemärkten geben, denn auf diesen beruhen die Kurse schließlich. Erst wenn die Hedgefonds und andere Investmentfonds wieder an der COMEX Gold- und Silberfutures kaufen wollen, kann es aufwärts gehen.

Wenn es zum weiteren Abverkauf der Kontrakte kommt, d. h. wenn das Angebot größer ist als die Nachfrage, sinkt der Preis. Übersteigt dagegen die Nachfrage das Angebot, geht es für die Kurse wieder bergauf. Der Schlüssel zum "Management" dieser Märkte sind letztlich aber das Sentiment und das Momentum. Danach haben auch JP Morgen und die anderen Bullionbanken ihre Strategie ausgerichtet.

Ende Dezember 2016 und Anfang dieses Jahres war der Silberpreis nicht viel niedriger als aktuell. Die Gesamtzahl der ausstehenden Kontrakte an der COMEX lag damals bei rund 160.000. Das entsprach ca. 800 Millionen Unzen Silber. Wie ich vorhin schon erwähnt hatte, hat das Open Interest nun vor etwa drei Wochen bei einem Silberkurs von 18,50 $ den Rekordstand von 235.000 Kontrakten erreicht. Der Preis ist also von 16 $ auf 18,50 $ gestiegen, während die Banken das verfügbare Angebot an Silberfutures um 50% erhöht haben.


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