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UK-Wahldilemma - Europa nimmt Fahrt auf - EZB unerschütterlich locker

09.06.2017  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.1210 (06.55 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.1179 im fernöstlichen Handel markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 110.200. In der Folge notiert EUR-JPY bei 123.53. EUR-CHF oszilliert bei 1.0850.
Europa nimmt mit der Ausnahme des UK Fahrt auf:

Das Wachstum der Eurozone stellte sich laut aktueller Revision im 1. Quartal auf 0,6% im Quartalsvergleich. Die Prognose als auch der vorläufige Wert lagen bei 0,5%. Im Jahresvergleich ergab sich damit eine Zunahme um 1,9%. Hier lagen sowohl die Prognose als auch der vorläufige Wert bei 1,7%. In der in den USA favorisierten Darstellung stellte sich der Anstieg des BIP auf 2,4%. Das ist doppelt so viel wie in den USA. Mehr noch war es der höchste Wachstumsclip seit zwei Jahren!

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© Moody’s Analytics


EZB: Unerschütterlich locker!

Die Zinspolitik als auch die quantitativen Maßnahmen wurden erwartungsgemäß nicht verändert. Die Konjunkturprognosen wurden leicht nach oben revidiert. Die Inflationsprognosen wurden leicht nach unten geschleust. Das Thema Exit von den Extremmaßnahmen der EZB ist nicht aktuell.

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Ja, in den USA will man wegen 1,2% Wachstum und einer angeblichen guten Konjunkturlage Zinsen erhöhen, während der EZB-Rat bei dem doppelt so hohen Wachstumsclip in der Eurozone bei belastbaren Treibern des Wachstums im Gegensatz zu den USA nach wie vor an Extremmaßnahmen festhält. Das ist zunehmend riskant, da das von der EZB selbst ermittelte Potentialwachstum um 1,5% oszilliert.

Alles, was hier gestern zu dem Thema EZB-Ratssitzung geschrieben wurde, ist aktueller denn je. Kernthesen aus dem Forex Report vom 8. Juni 2017: ...

Die Politik der EZB hatte aber andere Effekte:

1. Sie wirkte auf den Euro in der Bewertung an den Devisenmärkten negativ - das förderte die Exportfähigkeit der Reformländer und wirkte fraglos stimulierend auf die Konjunktur der Eurozone.

2. Sie führte zu einem drastischen Zinsrückgang am Kapitalmarkt, der die Staatsfinanzierung erleichterte. Das nivellierte das Zinseszinsdrama für die öffentlichen Haushalte der Teilnehmerländer der Eurozone

Die vom Markt unterstellte Verbalakrobatik impliziert, dass diese beiden Ergebnisse der EZB-Politik nicht nur beiläufig sind, sondern im Zielkatalog des EZB-Rats stehen. Sie implizieren es, sie beweisen es fraglos nicht.

Die „Snap-Election“, die vor Wochen noch als eine sichere Wette zu Gunsten der Konservativen erschien, führt zu dem Verlust der absoluten Mehrheit der Tories.

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Die Tories sind zwar stärkste Kraft im Parlament, haben aber ihre absolute Mehrheit verloren. May gewinnt und verliert gleichzeitig.

Premierministerin May ist an ihrer Hybris gescheitert. Das Ziel, eine starke Basis für das Brexit-Verhandlungsmandat zu bekommen, wurde ihr von den Wählern laut und vernehmlich verweigert!

Politisch steckt das UK in einem Dilemma, denn Koalitionsverhandlungen werden äußerst schwierig. Das Thema Minderheitsregierung steht im Raum – ergo das Gegenteil dessen, was von May beabsichtigt war.

Wer scheitert, muss die Konsquenzen ziehen. Wir sind auf die um 11 Uhr unserer Zeit anberaumte Pressekonferenz gespannt.

Die britischen Konservativen haben es binnen zwei Jahren geschafft, zweimal das UK in eine politische und in der Folge perspektivisch in eine wirtschaftliche als auch potentiell gesellschaftliche Krisenlage zu manövrieren. Besser kann man einen extrem ausgeprägten politischen Amateurstatus nicht offen zeigen.

Der von Labour-Chef Corbyn geforderte Rücktritt der Premierministerin May ist vor diesem Hintergrund sachlich nachvollziehbar. Für die anstehenden Brexit-Verhandlungen ist die aktuelle politische Gemengelage kontraproduktiv. Für den Investitionstandort UK ist dieses Wahlergebnis ein Katalysator für Zurückhaltung. Für die britische Wirtschaft verdunkelt sich der Horizont sportlich, während in Kontinentaleuropa die Konjunktur- und Struktursonne scheint.

In dieser Divergenz liegt durchaus ein Chance, das der Brexit am Ende nicht kommen wird.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Exit vom Brexit eintritt, liegt nach meiner Meinung jetzt bei 60% mit zunehmender Tendenz.

Aktuell ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Erst ein Unterschreiten des Unterstützungsniveaus bei 1.0970-1.1000 dreht den Bias zu Gunsten des USD.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank



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