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Drei Schwarze Schwäne

10.08.2017  |  John Mauldin
- Seite 2 -
Meine Sorge ist, dass sich bis Ende 2018 eine neue große Krise entwickeln wird. Möglicherweise werden eine Reihe von günstigen Umständen und die Selbstzufriedenheit der Anleger an den Märkten es uns erlauben, noch einige Jahre lang so weiterzumachen wie bisher. Aber irgendwann in unserer Zukunft wird die nächste Rezession kommen, und diese wird hinsichtlich der weltweiten Verluste mindestens ebenso heftig ausfallen wie die letzte.

Die anschließende Erholung wird noch viel zäher sein als der Aufschwung nach der vorherigen Krise, weil unsere gigantischen Schuldenberge das Wachstum enorm behindern. Ich hoffe, dass ich falsch liege. Aber ich schreibe diese düsteren Prognosen lieber jetzt und nehme sie dann in meinem Jahresrückblick 2020 zurück, als Sie nicht zu warnen und womöglich unvorbereitet in die Krise gehen zu lassen.

Weil ich diese Woche viel unterwegs bin, wird es in diesem Newsletter nur einige Appetithäppchen geben - knusprige Schwarzer-Schwan-Flügelchen, Schwarzer-Schwan-Fleischbällchen in Orangensauce, Schwarzer-Schwan-Spieße in Teriyaki-Marinade usw. - um Ihren einen Vorgeschmack auf das Kommende zu geben. Aber ganz im Ernst - könnten sich die drei unten diskutierten Szenarien als verhängnisvolle Auslöser der nächsten Krise erweisen? Ja. Vergessen Sie dabei nicht, dass selbst ein harmloser weißer Schwan im richtigen Licht schwarz aussehen kann. Und manchmal reicht das schon, um eine Panik zu verursachen.


Der erste Schwarze Schwan: Yellen schießt über das Ziel hinaus

Es wird immer offensichtlicher - zumindest für mich - dass die US-Wirtschaft nicht in der Weise durchstartet, wie nach der Wahl vorhergesagt wurde. Präsident Trump und den Republikanern ist es nicht gelungen, auch nur eine der Maßnahmen zur Stimulierung der Wirtschaft zu verabschieden, auf die wir gehofft hatten. Die Banken und die Energieunternehmen profitieren von einer gewissen Deregulierung, aber das ist weit entfernt von der umfassenden Gesundheitsreform, den Steuererleichterungen und den Infrastrukturausgaben, die uns versprochen wurden.

Eine ernsthafte, tiefgreifende Steuerreform hätte zwar das Potential, die nächste Rezession in den USA bis weit über das Jahr 2020 hinaus zu verzögern, aber stattdessen wird man wieder nur an Detailfragen herumbasteln.

Positiv zu vermelden ist, dass die Erwerbslosigkeit weiter abgenommen hat und auch entmutigte Arbeitssuchende wieder eine Stelle finden. Doch die Verbraucherausgaben sind nach wie vor niedrig, d. h. die Menschen sind vielleicht weniger optimistisch als die Stimmungsbarometer anzeigen. In einigen Bereichen wie dem Gesundheitswesen und dem Wohnungs- und Immobilienmarkt hat sich die Inflation erhöht, doch anderswo ist sie noch immer gering bis nicht existent.

Ist das im allerweitesten Sinne eine Wirtschaftslage, in der die Federal Reserve die Geldpolitik straffen sollte? Nein. Aber sie tut es trotzdem, zum Teil auch deswegen, weil die Notenbank zu lange gezögert hat, die quantitativen Lockerungen (QE) zu beenden und mit der Kürzung ihrer Bilanzsumme zu beginnen. Die Mitglieder des Offenmarktausschusses wissen, dass sie spät dran sind, und sie wollen zumindest ein Lippenbekenntnis darüber ablegen, dass sie etwas getan haben, bevor ihre Amtszeiten enden.

Darüber hinaus glauben Janet Yellen, Stanley Fisher und die anderen Notenbanker mit religiöser Hingabe an die Philips-Kurve. Diese Theorie besagt, dass eine so niedrige Arbeitslosenquote wie heute einen Aufwärtsdruck auf die Löhne verursachen wird. Dass dafür bislang noch niemand ein Anzeichen entdeckt hat, scheint keine Rolle zu spielen: Die Lohnsteigerungen existieren der Theorie nach und müssen daher berücksichtigt werden. Nach Ansicht der Zentralbanker, die praktisch alle Keynesianer sind, soll die unordentliche Realität doch bitte die elegante Theorie in Ruhe lassen. Man muss sich schließlich nur die Mathematik ansehen, um zu erkennen, wie brillant die Philips-Kurve ist!

Winston Churchill hat einmal gesagt: "Ganz gleich, wie schön die Strategie ist - man sollte sich gelegentlich die Ergebnisse ansehen." Tatsache ist, dass das Fehlen von Lohnsteigerungen bei den unteren 70-80% der Einkommenspyramide (den Schutzlosen) eine echte Schwäche der US-Wirtschaft darstellt. Wenn Sie im Dienstleistungssektor arbeiten, dann hat der hohe Konkurrenzdruck um Arbeitsplätze dafür gesorgt, dass Ihr Gehalt niedrig blieb.

Der Schwarze Schwan ist in diesem Zusammenhang die Gefahr, dass die Fed ihre Geldpolitik zu schnell und zu stark strafft. Wir wissen aus den letzten Sitzungsprotokollen, dass einige Mitglieder der Offenmarktausschusses eine Straffung zum Teil auch deshalb befürworten, weil sie die erwarteten finanziellen Impulse der neuen Regierung abmildern wollten. Diese Stimulierungspakete wurden nicht verabschiedet, aber die Notenbank verhält sich weiterhin so, als würden sie bald umgesetzt.

Was geschieht, wenn die Fed die Zinsen in der frühen, unsicheren Phase einer Rezession erhöht, statt sie zu senken? Ich bin mir nicht sicher, ob es vergleichbare, historische Präzedenzfälle gibt, die wir analysieren können. Logisch betrachtet würde die Notenbank damit jeglichen Inflationsdruck zunichte machen und die Wirtschaftsentwicklung in die andere Richtung lenken - geradewegs in die Deflation.

In einer hoch verschuldeten Wirtschaft wie der unseren könnten eine Deflation katastrophale Folgen haben. Wir wären gezwungen, unsere Schulden mit Geld zurückzuzahlen, das an Kaufkraft gewinnt, statt infolge der Inflation an Kaufkraft zu verlieren. In den Vereinigten Staaten haben wir so etwas seit den 1930er Jahren nicht mehr erlebt. Das war schon damals kein Zuckerschlecken und heute würde es noch viel weniger Spaß machen.

Ich fürchte zudem, dass auch die neuen Notenbanker, die Trump in den Offenmarktausschuss berufen wird, keinen Unterschied machen werden. Trump scheint mehr Interesse daran zu haben, die regulatorische Rolle der Fed zu beschränken, als Einfluss auf ihre Geldpolitik zu nehmen. Ich glaube kaum, dass Janet Yellens Nachfolger - wer auch immer das sein wird - weiß, was zu tun ist, und das auch schnell genug umsetzen kann.


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