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Die Zukunft des Goldes

10.09.2004  |  Walter Hirt
Einleitung

WIRTSCHAFTaktuell - seit Jahren prinzipiell gold-freundlich - hat mit dem Dauerthema "ökonomische Altlasten" und nach den brisanten, weitherum unterschätzten Hauptthemen "Exzesse der Finanz-Industrie" (XXI/7+8), "Triumph der Schulden" (XXI/9) und "Globalisierung" (XXII/1) am 4. März 2002 in Nummer XXII/5 - vor mehr als zwei Jahren also und nach Tiefstpreisen um 250 $/Unze im September 1999 und April 2001 - begonnen, intensiv über Gold und Silber zu berichten sowie Engagements bei Goldpreisen zwischen 280 und 290 U$/Unze wieder gezielt und nachhaltig zu empfehlen. Ein Blick ins Archiv zeigt, dass damals fast ausschließlich negative Kommentare über die Edelmetalle erschienen sind, und der Gleichklang lässt sehr vermuten, dass die meisten in derselben Küche entstanden sind - dort, wo der Brei der Hochfinanz angerührt und geknetet wird (siehe spätere Kapitel).

Zu Beginn des Frühjahrs 2002 war der Kilobarren Gold zwar nicht mehr unter 14.000 Franken und das Kilo Silber nicht mehr um 4 US$/Unze (180 Franken/Kilo) zu haben. Im Rückblick ist das damalige Timing gleichwohl zufriedenstellend, die bisherigen Preisentwicklungen erfreuen. Es wäre aber völlig falsch, die bisher aufgelaufenen Gewinne als glückliche Fügung hinnehmen und realisieren oder kurzfristige Kursschwankungen - wie oft empfohlen - mitspielen zu wollen: Physisches Gold ist das Mittel zur strategischen Vermögenssicherung! Dies erfordert mentale Stärke, die das tägliche Hick-hack und Medien-Geschwätz ignoriert und das kurzfristiges Schielen auf schnelle Gewinne verbietet. Wer in gewissem Umfang 'traden' möchte, sollte dies mit Minenaktien tun, die ebenso in ein zukunftgerichtetes Portefeuille gehören. Wer darüber hinaus (mit 'kleinem Geld') aggressiver spekulieren möchte, dem stehen Open-End-Zertifikate zur Verfügung, etwa die ABN-Amro-Veneroso-Zertifikate (siehe später).

Aufgrund der Scheußlichkeiten im Finanz-System und der mit viel Luft, Manipulationen und Betrügereien angereicherten Blasen benötigt die rationale Konsequenz nicht viele Worte: Die Hinwendung zum Gold und Silber ist ein Akt vorausschauender Vernunft. Es kommt der Tag, da der gigantische Papiermüll verflucht wird und wirkliche Werte wieder im Zentrum stehen. Diese "wirklichen Werte" können nur Sachwerte sein, worunter das Gold aus vielerlei Gründen eine ganz besondere Rolle einnimmt. Das wissen natürlich auch jene, die uns die papierenen "Werte" und Luftbuchungen virtuos anzudrehen versuchen und das Gold seit Jahren manipulieren. Diese haben sich bestimmt überlegt, was denn eines Tages, wenn der Machtkampf um Werte seinem Höhepunkt zutreibt, getan werden muss, um die Werteverschiebung in Grenzen zu halten. Deshalb wird die Beurteilung der vor uns liegenden Abläufe nicht einfach. Wir müssen die Facts emotionslos aufknöpfen, gesamtheitlich durchdenken und das Thema Gold in einem stark erweiterten Kontext analysieren.


Der Mythos Gold

"Es ist ein mächtig Ding, das Gold" schmettert Kerkermeister Rocco in Ludwig van Beethovens Oper "Fidelio" in seiner Bass-Arie. Die sonoren, lieblichen Huldigungen des wenig zimperlichen Rohlings an seinen liebsten Wert werden begleitet vom Klimpern der Taler in seinen Händen. In Musik, Sprache, bildender Kunst, Ahnenverehrung, Münzprägung, Sagen und Märchen sowie bei Eroberungsfeldzügen hat das Gold seit Jahrtausenden seinen unangefochtenen Platz. Es ist bezeichnend, dass heute besonders 'witzige' Barmänner und Köche feinen Goldstaub in die Drinks mixen und dünnste Goldfolien-Plättchen statt Trüffel über das gegrillte Steak streuen. Gold hat gute und schlechte Menschen nie losgelassen, so verschieden deren Beziehungen gewesen sein mögen.

Das scheinen nur jene vergessen zu haben, die den Geld-Schein als den "Wert" aller Werte benutzen und sich dabei nie an deren Schein-Bonität stoßen. Heute zählen Schnelligkeit, Oberflächlichkeit und Vergänglichkeit - eine Zeit, in der Mythen belächelt werden, weil sie in der virtuellen Realität durchfallen. Der Mythos wird mit dem Gold auferstehen! Wenn sich die Menschen des Unterschieds von Schein und Wirklichkeit wieder bewusst werden und entsprechend zu handeln bereit sind!

Der bis in die Anfänge der Kulturen zurückreichende Mythos, den das edle Metall Gold verströmt, hat die Menschen - Arme und Reiche, Herrscher und Beherrschte - schon immer fasziniert. Die Erkenntnisse über Gold reichen bis um 4000 v. Chr. zurück, als das Edelmetall in Zentral- und Osteuropa benutzt wurde. Im Süden des Iraks, früher Mesopotamien, wurden Schmuck und Kunstwerke aus Gold gefunden, die auf die Zeit um 3000 v. Chr. datiert werden. Der Glanz und die Unanfälligkeit gegen Korrosion rückten das Gold in die Nähe des Einmaligen, des Göttlichen.

In Ägypten waren Gold und Edelsteine besondere Kostbarkeiten, die den damaligen Wohlstand am Nil offenbarten und den Pharaonen und reichen Bürgern als Grabbeilagen ins Jenseits mitgegeben wurden. Sensationelle Grabfunde als Zeugen jener Zeit stammen aus der 18. Dynastie, als die ägyptische Hochkultur ihren Zenit erreichte. Besonders aufwendig und kostbar wurde der Kindkönig Tutanchamun, der Sohn von Pharao Echnaton und seiner Frau Nofretete, bestattet. Die reich geschmückten Sarkophage mit königlichen Mumien und andere goldene Gegenstände des Ahnenkults "verströmen noch heute eine faszinierende Nähe".(1)

Bereits 1091 v. Chr. wurden in China Seidenstücke als Geldform durch Goldtäfelchen ersetzt und legalisiert. Abgesehen von byzantinischen, griechischen und römischen Goldmünzen ist heute der "Karolinger" mit dem Kopf von Ludwig dem Frommen (9. Jahrhundert) in Kreisen der Numismatiker die kostbarste Rarität. Danach schlug der Goldschmied Ephraim Brasher 1798 die erste US-Goldmünze (Angaben des World Gold Council). In der Währungs- und Anlagepolitik erhielt Gold seine eigentliche Bedeutung (und Bewährung) dann mit der Einführung der Goldstandards. Bis zum Ersten Weltkrieg hatten die mächtigsten Staaten der Welt ihre Währungen an Gold gekoppelt, und nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in Bretton Woods eine neue Weltwährungsordnung geschaffen, die zur Disziplinierung der Politiker anfänglich gute Dienste leistete (Nummer XXI/9).

Wer weiss, vielleicht reicht der Mythos Gold noch weiter zurück. Die meisten Goldvorkommen dürften aus Zusammenstössen von Neutronensternen stammen, wie Forscher der University of Leicester mit Computersimulationen herausgefunden zu haben scheinen: Wenn zwei Neutronensterne - dichte, in sich zusammengefallene Sterne - zusammenprallen, muss stark erhitztes Material ins All geschleudert worden sein. In der etwa eine Milliarde Grad Celsius heißen Asche muss es zu Nuklearreaktionen gekommen sein, bei denen sich schwere Elemente wie Platin und Gold bildeten. Der Anteil an schweren Elementen in der ausgeschleuderten Materie entspricht der chemischen Zusammensetzung des Sonnensystem, was die Annahmen der Leicester-Forscher stützt. Damit dürfte ein weiteres großes Rätsel der Wissenschaft gelöst sein: Bisher war unverständlich, wie schwere Elemente einst überhaupt gebildet worden sind. Quellen für leichte Atome wie Sauerstoff und Kohlenstoff sind Sterne, die der Sonne ähnlich sind, die aber keine schweren Elemente hervorgebracht haben können.

Nach dem sphärischen Ausflug zurück zum Mythos Gold:
  • Die Israeliten tanzten am Sinai um das Goldene Kalb, gegossen von Aaron, dem Bruder Moses.
  • Paris, Prinz von Troja, hatte den Apfel aus Gold der schönsten Göttin zuzuwerfen (Aphrodite).
  • Midas, der geldgierige phrygische König, konnte alles Berührte zu Gold machen (Gabe von Dionysos).
  • Genovino und Fiorino gelangten 1252 als erste europäischen Goldmünzen seit 500 Jahren in Umlauf.
  • Für die spanischen Eroberer Amerikas gab es nur eine Gier: Gold - die Indios Lateinamerikas litten.
  • "Gold ist das, was hinter allen Dingen leuchtet; es kann sogar die Seelen ins Paradies tragen.", schrieb Christoph Kolumbus von seiner Reise nach Amerika.
  • Die Entdeckung des umfangreichen Goldlagers in der brasilianischen Provinz Minas Gerais löste um 1695 den ersten Goldrausch in der Geschichte aus.
  • Das weltweite Goldfieber brach 1848 mit dem Gold im kalifornischen Sacramento aus (General Sutter).
  • Der goldene Vogel, das goldene Pferd, die goldene Gans (mythische Lebewesen in Grimms Märchen).
  • "Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles" (Johann Wolfgang von Goethe, Faust I).
  • "Gold gab ich für Eisen" - Aufruf von König Friedrich Wilhelm von Peussen, 1813).
  • Gold wurde in England alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel.
  • Das zweite deutsche Kaiserreich führte 1873 die Goldwährung ein.
  • Von 1800 bis 1910 stieg die Goldförderung von 15 auf 560 Tonnen jährlich.
  • Die Krise des britischen Pfundes löste 1967/68 (!) eine beispiellose Goldspekulation aus.
  • Im System fester Wechselkurse nach dem Zweiten Weltkrieg wird der Dollar in Gold einlösbar.
  • "Der Mann mit dem goldenen Arm" - Frank Sinatra als morphiumsüchtiger Falschspieler.
  • Morgenstund hat Gold im Mund.
  • Es ist nicht alles Gold, was glänzt.
  • "Gold und Silber mag ich sehr, kann's auch gut gebrauchen - hätt' ich doch ein ganzes Meer, mich hineinzutauchen." (aus "Trautes Schätzchen", eines meiner liebsten Studentenlieder).
  • Der "Goldhase" ("Lapin d'Or" / "Gold Bunny") von "Lindt & Sprüngli", der schweizerischen Erfolgsfirma für feine Schokolade, ist seit Jahrzehnten ein traditionelles Ostergeschenk mit einem besonderen Nimbus - im Ausland noch mehr als im Inland. Die liebliche Form, eng eingeschlagen in eine hauchdünne, goldfarbene Folie und mit einem 'goldenen' Glöckchen am roten Kreppband um den Hals, weckt offenbar über Generationen hinweg Emotionen und eine sentimental vergoldete Verehrung.


  • Das mediale Geschwätz und die meisten seichten Diskussionen über die Bedeutung des Goldes begnügen sich mit der Betrachtung nominaler Preise. Der wahre Wert des Goldes über die Jahrhunderte ist damit nicht erkennbar; nur die reale Darstellung eröffnet uns jene Perspektiven, auf die wir uns stützen sollten (hier mit dem 1999-Dollar inflationsbereinigt):


    Die Gold-Wende 2002

    Die Gold-Wende hat sich - mit Blick zurück - bereits Mitte 2001 ganz sachte angebahnt. Nach den freudlosen Jahren mit herben Enttäuschungen an den Gold- und Silbermärkten wäre es zu kühn gewesen, sofort mit wehenden Fahnen aufzuspringen - hingegen war eine intensive und unvoreingenommene Beobachtung für emotionslose Analysen angesagt, zumal damals viele Analytiker, Anlagespezialisten der Banken und Broker sowie selbsternannte 'Goldexperten' das Gold als "Relikt der Angsthasen" diffamierten, weil in der 'modernen Zeit' mit vielen attraktiven Instrumenten der Absicherung gegen alle Unbill dieser Welt das Gold zur völligen Bedeutungslosigkeit versinken muss - von den Medien multiplikativ und schnell verbreitet!

    Was könnte schließlich der Kristallisationspunkt für den Stimmungswandel am Goldmarkt gewesen sein? Vielleicht kommt die Ehre, diese Wende herbeigeführt haben, ausgerechnet der Gold-Auktion der Bank of England vom 16. Januar 2002 zu, eine der letzten in deren Verkaufsprogramm, die den Markt jeweils negativ belasteten. Das Londoner Morgen-Fixing lag nach einem Tageshoch von 289 U$/Unze bei 287,95 U$/Unze, und das Gold-Angebot der BoE von (wie schon mehrmals 20 Tonnen) wurde nur 1,4-fach überzeichnet, was als sehr enttäuschend empfunden wurde und zu einem anderen Zeitpunkt zu einer sofortigen massiven Kursschwäche geführt hätte. Der Auktionskurs von 283,50 U$/Unze war deshalb überraschend erträglich, und danach erholte sich der Preis sogar bis auf 286 U$/Unze; am Nachmittag wurde schließlich bei 284,60 gefixt.

    Besonders auffallen musste an diesem Tag der positive Verlauf am New Yorker Terminmarkt mit einem Hoch bei 289,90, einem Tief von 283,50 und dem Schlusskurs von 287,60 U$/Unze für den Februar-Terminkontrakt, bei ungewöhnlich geringen Aufschlägen für die Termine März und April. (Früher wurden Enttäuschungen in London danach an der Comex in New York regelmäßig negativ ausgekostet.) Die Änderung des Markt-Musters war offenbar das Zeichen für eine überfällige, schon seit einigen Jahren fehlende "innere Stärke" des Goldmarktes. Gleichzeitig gab die Bank of China bekannt, ihre Goldreserven 2001 um 30% erhöht zu haben, ein Gold-Bonbon zur bestmöglichen Zeit. Für verkaufsfreudige Notenbanker war dies gleichwohl kein Zeichen zur Besinnung; insbesondere die Schweizerische Nationalbank ließ sich in ihrem Vorhaben, die eigenmächtigen täglichen Gold-Verkäufen fortzusetzen, nicht beirren! (siehe später)




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