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Zur Möglichkeit, dass Kryptowährungen zu Geld werden

30.09.2017  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Aus geldtheoretischer Sicht können Kryptowährungen durchaus zu Geld, zum allgemein akzeptierten Tauschmittel, werden. Es hängt allein davon ab, ob die Geldnachfrager Kryptowährungen gegenüber anderen Geldarten vorziehen.

Sie werden als Krypto“Währungen“ bezeichnet: Bitcoin, Ethereum, Bitcoin Cash, Ripple, Litecoin und noch einige andere. Allerdings ist es eigentlich verfrüht, diese digitalen Einheiten als Währung, als Geld zu bezeichnen. Zwar werden Bitcoin und Co. bereits für private und kommerzielle Transaktionszwecke eingesetzt, aber sie sind noch davon entfernt, Geld zu sein: Geld ist das allgemein akzeptierte Tauschmittel. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Die Frage lautet folglich: Was sind die Bedingungen, unter denen Kryptowährungen zu "echtem" Geld, zum allgemein akzeptierten Tauschmittel, aufsteigen können?

Um eine Antwort auf diese Fragen zu finden, bietet es sich an, die Lehren der Geldtheorie einzubeziehen. Die erste Frage, die sich aufdrängt, lautet: Kann eine immaterielle, virtuelle Währung überhaupt die Geldfunktionen übernehmen?

“Bitcoin “is a fraud”.
“The currency [bitcoin, A. d. V.] isn’t going to work. You can’t have a business where people can invent a currency out of thin air and think that people who are buying it are really smart.”

Jamie Dimon, CEO of JP Morgan Chase & Co

Ein Gut muss, damit es als Geld Verwendung finden kann, einige "physische" Eigenschaften aufweisen. Dazu gehören üblicherweise die Folgenden: Das Gut muss knapp sein, homogen (also von gleicher Art und Güte), haltbar, transportabel und teilbar, und es muss einen hohen Wert pro Einheit aufweisen und allgemein wertgeschätzt sein. Im Wettbewerb um die Geldfunktion hatten in der Vergangenheit vor allem die Edelmetalle (Gold und Silber) die Nase vorn, weil sie am relativ besten die genannten physischen Eigenschaften erfüllen, die "gutes Geld" ausmachen.

In einer zusehends digitalisierten Welt kann eine immaterialisierte Einheit wie Bitcoin und Co., soweit sie die oben genannten Eigenschaften erfüllt, ein "natürlicher" Kandidat für Geld sein. Zu fragen ist nur, ob ein Gut tatsächlich physisch vorhanden sein muss (wie Gold oder Silber), damit es als Geld akzeptiert wird.

Im heutigen "Fiat-Geld"-System ist das Geld im-materialisiert. Der größte Anteil des Geldes, das die Menschen tagtäglich bereitwillig verwenden, besteht in Form von Buchgeld (also Bits und Bytes auf Computerfestplatten), das zudem in kein Sachgut eingelöst werden kann. Die Vermutung liegt folglich nahe, dass auch eine Kryptowährung, die nicht physisch vorhanden ist, durchaus als Geld Akzeptanz finden könnte.

Nun gibt es jedoch in der Geldtheorie das Regressionstheorem. Kurz gesprochen besagt es, dass (1) Geld spontan im freien Markt, ohne staatliches Dazutun entstanden sein muss, und zwar (2) aus einem Sachgut beziehungsweise aus einem Gut, das zuvor allein wegen seiner nicht-monetären Nutzenstiftung wertgeschätzt wurde. Wie verträgt sich das Regressionstheorem mit der Überlegung, dass Bitcoin und Co. zum Geld aufsteigen könn-ten?

Zu Punkt (1): Es besteht kein Zweifel, dass die Kryptowährungen "Phänomene des freien Marktes" sind. Beispielsweise wurde der Bitcoin als digitale Einheit durch private Initiative geschaffen. (Der Erfinder wird unter dem Synonym Satoshi Nakamoto genannt). Auch hat sich bereits eine "natürliche" Nachfrage herausgebildet: Eine wachsende Zahl von Menschen möchte Bitcoin besitzen und damit zahlen. All das geschieht ohne Dazutun des Staates.


Das Regressionstheorem

Das Regressionstheorem besagt, dass ein Gut, bevor es zum allgemein akzeptierten Tauschmittel (Geld) werden kann, einen nicht-monetären Wert beziehungsweise einen Marktpreis gehabt haben muss - also einen Wert, der allein auf den nicht-monetären Nutzen, den das Gut stiftet, zurückzuführen ist. Warum ist das so? Nun, Geld wird nachfragt, weil es Kaufkraft hat. Wie aber bestimmt sich die Kaufkraft des Geldes? Antwort: durch das Angebot von und die Nachfrage nach Geld. Wer zum Beispiel einen Apfel für 1 Euro kaufen will, bietet dafür Geld an (also 1 Euro).

Wer einen Apfel verkaufen will, fragt Geld nach. Anders gesprochen: Das Apfelangebot entspricht der Geldnachfrage, die Apfelnachfrage dem Geldangebot. Der (Apfel-)Preis, der sich auf diesem Weg bildet, bestimmt die Kaufkraft des Geldes. Um aber schlüssig erklären zu können, warum Menschen Geld halten (beziehungsweise nachfragen), muss man sich darüber klar werden, dass sich die Geldnachfrage heute dadurch erklärt, dass das Geld gestern Kaufkraft besessen hat.



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