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Gefangen im Sicherheitsnetz

21.10.2017  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die Volkswirtschaften sind im Sicherheitsnetz der Zentralbanken gefangen. Solange es nicht eingeholt wird, ist eine Rückkehr zur geldpolitischen Normalität unwahrscheinlich.

Weltweit haben die Konjunkturen Fahrt aufgenommen, Produktion und Beschäftigung steigen. Die Aktienkurse erklimmen ein Rekordhoch nach dem anderen. Auf den Kreditmärkten sind die Aufschläge für risikoreiche Papiere stark zusammengeschrumpft. Und das Verschuldungskarussell hat wieder Fahrt aufgenommen - trotz der immensen Altschuldenlasten:

Lag die globale Verschuldung der Privaten (ohne Banken) und Staaten Ende 2007 212 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung, so betrug sie Ende 2016 mehr als 265 Prozent. Die Krise 2008/2009, verursacht durch hohe Schulden, wurde folglich durch eine Politik "bekämpft", die die Schuldenlast noch weiter in die Höhe getrieben hat. Das konnte nur geschehen, weil die Zentralbanken die Zinsen auf extrem niedrige Niveaus heruntermanipuliert haben und die elektronische Notenpresse schneller laufen ließen.

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Quelle: BIS, 2017


In den Augen der Finanzmarktakteure hat jedoch genau das strauchelnde Staats- und Bankenschuldner wieder solide(r) gemacht. Fällige Kredite lassen sich wieder problemlos durch neue Kredite, die einen niedrigeren Zins tragen, ersetzen. Aber nicht nur die Dauerschuldnerei, auch die Neuverschuldung läuft wieder problemlos. Wirtschaften auf Pump ist attraktiver denn je. Die niedrigen Zinsen treiben zudem die Preise von Aktien, Häusern und Grundstücken in die Höhe -, und diese "Vermögenspreisinflation" nährt eine trügerische Illusion: die Prosperität steige und man ginge besseren Zeiten entgegen. Doch es ist nicht nur die Niedrigzinspolitik, die die Volkswirtschaften in die Irre leitet. Es ist noch etwas anderes im Spiel.

Und zwar das "Sicherheitsnetz", das die Zentralbanken unter die Finanzmärkte und Konjunkturen gespannt haben. Keiner der Zentralbankräte hat diese geldpolitische Maßnahme so unverhüllt ausgesprochen wie der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi. Im Juli 2012 sagte er: "[T]he ECB is ready to do whatever it takes to preserve the euro. And believe me, it will be enough." Spätestens diese Worte sollten es allen, die denken können und wollen, unmissverständlich klar gemacht haben: Die Zentralbanken sind als Monopolbehörden der Geldproduktion die Allmachtzentralorgane, von deren Entscheidungen das Wohl oder Wehe der Volkswirtschaften abhängig sind.

Durch das von ihnen durch Kreditvergabe in Umlauf gebrachte ungedeckte Papiergeld haben sie ein Wirtschafts- und Gesellschaftssystem maßgeblich (mit-)geformt, das nur aufrecht erhalten bleibt, wenn immer mehr aus dem Nichts geschaffenes Geld auf dem Kreditweg nachgeschossen wird. Bei Entzug droht nämlich der Kollaps. Die Anleger auf den Finanzmärkten haben längst begriffen, dass sich die Zentralbanken allerspätestens seit der letzten Krise, nun aber unentrinnbar, im Schlepptau des Chaos befinden, das sie selbst angerichtet haben.

Es wird nun allgemein erwartet, dass sie bei schwächelnder Wirtschaft, bei den Problemen im Bankensystem in den "Rettungsmodus" zurückschalten, ihre Leitzinsen senken und die elektronische Notenpresse anwerfen, um Zahlungsausfälle zu verhindern.


"Moralische Wagnisse"

"Moralische Wagnisse" (englisch: "Moral Hazard") ist ein häufig gebrauchter Begriff in den Wirtschaftswissenschaften. Ein Beispiel soll zeigen, was unter Moralischen Wagnissen zu verstehen ist: Versicherungsnehmer, die eine Auto-Schadensversicherung abgeschlossen haben, parken in der Regel unvorsichtiger ("schwungvoller") in eine Parklücke ein als Autofahrer, die keine solche Versicherung haben.



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