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"Crash-Faktor" Zins

30.10.2017  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Doch der "Boom", den die Zentralbanken durch das künstliche Absenken des Zinses anstoßen, ist in der Regel zeitlich begrenzt. Früher oder später offenbaren sich die Fehllenkungen von Kapital, die der verzerrte Zins verursacht. Beispielsweise bemerken Unternehmen, dass die Investitionen nicht die erhofften Gewinne einspielen - entweder weil ihre Verwirklichung teurer wird als vorgesehen (aufgrund von knappen Inputfaktoren), oder weil die erhoffte Nachfrage nach den neuen Erzeugnissen hinter den Erwartungen zurückbleibt. Die Unternehmen liquidieren ihre Investitionen, und die zuvor geschaffenen Arbeitsplätze gehen verloren.

Geht der Boom seinem Ende entgegen, so ist es üblicherweise so, dass nicht nur einige wenige Branchen mit ihren Investitionen Schiffbruch erleiden, sondern die Probleme erfassen nahezu alle Branchen. Der verzerrte Zins sorgt nämlich für Fehlentscheidungen auf breiter Front. Deshalb zieht der Bust, der auf den Boom folgt, auch üblicherweise die gesamte Volkswirtschaft in Mitleidenschaft.

Vor allem auch der Bankensektor gerät unter Druck, wenn der Boom zum Bust wird: Kreditinstitute erleiden Kreditausfälle, die rasch ihre dünne Eigenkapitaldecke aufzehren können. Vertrauensverluste in den Märkten tragen ein Übriges dazu bei, Banken in finanzielle Bedrängnis zu bringen. Das geldpolitische Beeinflussen des Zinses durch die Zentralbank erweist sich also als Störfaktor.


Die Investitionsrendite in Abhängigkeit des Marktzinses

Nehmen wir an, ein Unternehmen erzielt einen Gewinn von 10 Euro pro Jahr in den kommenden 20 Jahren. Werden die Gewinne mit einem Zins von 5 Prozent auf die Gegenwart abgezinst, beträgt der Barwert des Unternehmens beziehungsweise der Wert seiner Aktie 124,6 Euro. Beträgt der Zins 2 Prozent, beläuft sich der Barwert auf 163,5 Euro, bei 8 Prozent hingegen nur auf 98,2 Euro.

Wenn der Marktzins 5 Prozent beträgt, und ein Investor die Aktie für 124,6 Euro erwirbt, beträgt seine Investitionsrendite 5 Prozent. Wenn, ausgehend von einem Marktzins in Höhe von 5 Prozent, der Investor erwartet, dass der Marktzins auf 2 Prozent fällt, wird er bereit sein, die Aktie bis zu einem Preis von 163,5 Euro zu kaufen. Bei einem erwarteten Marktzins von 8 Prozent, würde er hingegen nicht mehr als 98,2 Prozent zahlen wollen.


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Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen. (1) Annahme: Gewinn 10 Euro pro Jahr für die kommenden 20 Jahre.


Damit wird deutlich, wie bedeutsam die „richtige Erwartung“ des Marktzinses für den Investitionserfolg ist. Wer zum Beispiel bei einem künstlich gesenkten Zins von 2 Prozent die Aktie kauft, weil er meint, der Zins wird bei 2 Prozent verharren, wird bereit sein, 163,5 Euro für die Aktie zu zahlen. Wenn der Zins dann aber auf 5 Prozent steigt, fällt der Wert der Aktie, und seine Rendite beläuft sich auf minus 24 Prozent. Steigt der Zins auf 8 Prozent, ist die Negativrendite sogar 40 Prozent. Grundsätzlich gilt: Je weiter die Unternehmensgewinne in der Zukunft liegen, desto geringer ist ihr Barwert.

Interessant ist zu sehen, wie Änderungen des Marktzinses den Barwert der Unternehmensgewinne beeinflussen. Ausgehend von einem Marktzins von 5 Prozent, erhöht ein Rückgang des Marktzinses (auf zum Beispiel 2 Prozent) vor allem den Barwert der weit in der Zukunft liegenden Unternehmensgewinne. Entsprechend vermindert eine Zinserhöhung (auf zum Beispiel 8 Prozent) den Barwert der weit in der Zukunft liegenden Unternehmensgewinne.


Wer also zu künstlich gedrückten Marktzinsen investiert, geht ein großes Verlustrisiko ein: Es besteht darin, dass die Marktzinsen - anders als erwartet - wieder steigen (und entweder wieder auf ihr "normales Niveau" zurückfinden (in unserem Beispiel 5 Prozent) oder gar überschießen und zum Beispiel 8 Prozent erreichen). Die Aktien von Unternehmen, deren Gewinnpotentiale in entfernter Zukunft liegen (und das ist bei neuen Firmen häufig der Fall), sind daher besonders zinsreagibel.


Zins und Verschuldung

Ein künstlich niedrig gehaltener Zins spornt die Schuldenwirtschaft an. Das liegt auf der Hand. Ist der Zins niedrig, werden neue Kredite aufgenommen, und fällige Kredite werden durch neue Kredite abgelöst, die einen (noch) niedrige(re)n Zins tragen. In einem ungedeckten Geldsystem, in dem neues Geld per Kredit in Umlauf gebracht wird, zeigt sich nun aber, dass die Verschuldung der Volkswirtschaft schneller wächst, als die Einkommen zunehmen. Mit anderen Worten: Der Verschuldungsgrad der Volkswirtschaft steigt an. Klettert aber der Zins plötzlich in die Höhe, geraten Schuldner (und mit ihnen Gläubiger) leicht in Bedrängnis.

Viele von ihnen haben dann Probleme, ihren Schuldendienst zu leisten. Kreditgeber werden daraufhin vorsichtig. Die Refinanzierung fälliger Schulden wird schwieriger und teurer für die Kreditnehmer. Ihre Schuldentragfähigkeit verschlechtert sich. Eine negative Abwärtsspirale kommt in Gang. Banken geraten in Bedrängnis, wenn Kreditnehmer zahlungsunfähig werden, denn ihr Eigenkapital, das als Verlustpuffer dient, ist knapp. Sie treten auf die Bremse bei der Kreditvergabe. Versiegt der Zustrom von neuem Kredit und Geld, droht die Wirtschaft zu erlahmen, und die Kreditpyramide gerät ins Wanken.


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