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"Crash-Faktor" Zins

30.10.2017  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 5 -
Wie sich aus der obigen Graphik erkennen lässt, ist der US-amerikanische Kurzfristzins, mit kurzen Ausnahmen, seit etwa Ende 2002 mehr oder weniger im Negativbereich verblieben: Die Fed hat ihren Leitzins so weit abgesenkt, dass er nach Abzug der Teuerung negativ war - im Durchschnitt lag der kurzfristige Realzins bei knapp minus 0,7 Prozent pro Jahr. Das hat das Halten von Gold gegenüber herkömmlichen festverzinslichen Anlageprodukten (wie Bankeinlagen oder kurzlaufenden Schuldpapieren) attraktiv gemacht - und dem Goldpreis Auftrieb verliehen.

Zwar ist der Zins nicht der einzige Faktor, der den Verlauf des Goldpreises (langfristig) bestimmt. Unter den herrschenden Bedingungen dürfte er jedoch eine wichtige Rolle spielen. Es stellen sich daher Fragen: Werden die Zinsen steigen? Und, wenn ja, können die Zinsen, vor allem die Kurzfristzinsen, wieder positiv in realer Rechnung (d. h. nach Abzug der Inflation) werden? Angesichts der weltweiten Verschuldung ist es unwahrscheinlich - so denken wir -, dass die Zinsen merklich ansteigen werden, beziehungsweise dass sie, in realer Rechnung gemessen, wieder dauerhaft in positives Territorium zurückgeführt werden können.


Die "Währung Gold"

Sollten die Zinsen weiter steigen, nimmt die Risikosituation in der internationalen Kredit- und Geldarchitektur aus den aufgeführten Gründen zu: Steigende Zinsen erfordern Anpassungen in Wirtschaft und Finanzmärkten, und das kann mit Verlusten von Produktion und Beschäftigung und Finanzmarktturbulenzen verbunden sein; so gesehen ist der Zins ein "Crash"-Faktor.

Ob nun aber die Zinsen unverändert blieben oder steigen: Die "Währung Gold" ist für langfristig orientierte Anleger in jedem Falle attraktiv. Zum einen kann die Kaufkraft des Goldes nicht durch die Geldpolitik entwertet werden. Zum anderen trägt das Gold kein Zahlungsausfallrisiko: Es kann nicht - anders als Bankeinlagen und Schuldpapiere - ausfallen und dem Anleger Verluste bescheren. Das sind gute Gründe, Gold als eine effektive Versicherung im Portfolio einzustufen.

Langfristig ist davon auszugehen, dass der Goldpreis der Ausweitung der (weltweiten) Geldmenge folgt. (Dieser Verbund zwischen Geldmenge und Goldpreis dürfte in Phasen von Null- oder Negativzinsen tendenziell eng(er) ausfallen.) Mittlerweile ist allerdings zwischen Geldmengenausweitung (die US-Geldmenge M2 dient hier als "Stellvertreter" und Goldpreis eine deutliche "Lücke" entstanden. Das deutet auf ein Wertsteigerungspotential des Goldes hin - das sich insbesondere dann materialisieren könnte, wenn sich zeigt, dass die Volkswirtschaften der Welt nicht mehr mit einem höheren Zins zurechtkommen, wenn ein höherer Zins zum "Crash-Faktor" wird.

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Quelle: Thomson Financial. Graue Fläche: Phase, in denen die Zentralbanken Netto-Goldverkäufer waren.


EZB hält an Null- und Negativzins fest

Auf der Sitzung am 26. Oktober 2017 hat der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) beschlossen, die Zinsen unverändert zu lassen (Leit- und Spitzenrefinanzierungszins: jeweils 0,0 Prozent, Einlagenzins: minus 0,4 Prozent). Bis Ende 2017 werden die monatlichen Anleihekäufe noch 60 Mrd. Euro betragen, ab Januar 2018 werden sie auf 30 Mrd. Euro monatlich abgesenkt. Die Anleihekäufe sollen bis Ende September 2018 andauern - also neun Monate länger als ursprünglich geplant. Die EZB könnte ihre Anleihekäufe sogar noch weiterführen (in Bezug auf Dauer und Betrag), sollte das geldpolitisch als erforderlich angesehen werden, so EZB-Präsident Mario Draghi.

Selbst dann, wenn die Anleihekäufe enden, wird die EZB die Tilgungszahlungen der fälligen Anleihen, die sie in ihrer Bilanz ausweist, noch für lange Zeit reinvestieren. Das bedeutet im Kern: Eine Euro-Zinswende steht bis auf weiteres nicht ins Haus.

Auch wenn die EZB die Anleihekäufe bald reduziert: Sie behält weiterhin die Euro-Markzinsen fest im Griff - und wird sie sehr wahrscheinlich auf den gegenwärtig extrem niedrigen Niveaus halten. Eine Verringerung der Anleihekäufe trägt folglich nicht notwendigerweise dazu bei, die Euro-Marktzinsen zu "normalisieren". Die EZB wird weiterhin neue, "aus dem Nichts" geschaffene Euro in das Bankensystem pumpen, indem sie Anleihen kauft - und vermutlich wird das der "Vermögenspreisinflation" im Euroraum Vorschub leisten.

Die Euro-Sparer werden weiterhin zur Ader gelassen: Bei Nullzinsen und einer positiven Inflationsrate bleibt der Realzins für viele Sparinstrumente negativ, die Ersparnisse werden entwertet. Eine geldpolitische Wende markiert die jüngste EZB-Entscheidung nicht - auch wenn die Nachricht, dass die Anleihekäufe bald halbiert werden, diesen Eindruck leicht entstehen lassen könnte. Für die innere und äußere Kaufkraft des Euro bleibt die EZB-Politik eine Belastung.


Zusammenfassung:

  • Die US-Zentralbank zieht die Zinszügel an. Auf den Kreditmärkten steigen die Kreditkosten langsam an.
  • So wünschenswert höhere Zinsen auch sind: Sie erhöhen die Krisenanfälligkeitder internationalen Kredit- und Geldarchitektur …
  • … und haben das Potential, die Preise auf den Finanzmärkten unter Druck zu setzen und die Konjunkturen zu erschüttern.
  • Die "Währung Gold" bleibt eine attraktive Versicherung, die zum aktuellen Preis deutliches Wertsteigerungspotential hat.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH


(1) Siehe hierzu Degussa Marktreport, Das Wagnis der Sorglosigkeit, 13. Oktober 2017.



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