Interview mit Roland Baader: "Babylons Türme stürzen ein"
26.08.2009 | Roland Baader
Der Ökonom Roland Baader sah den Finanzcrash schon vor fünf Jahren kommen.
factum: Herr Baader, Sie haben bereits im Jahr 2004 die gegenwärtige Finanzkrise und die Rezession detailliert vorhergesagt. Sind Sie ein Prophet?
Roland Baader: Nein, natürlich nicht. Wer die Geldtheorie der Österreichischen Schule der Nationalökonomie kennt, konnte das Desaster schon lange kommen sehen.
factum: Bevor wir auf die konkrete wirtschaftliche Situation und Ihre Erwartungen eingehen, zunächst Folgendes: Alle Welt redet vom Geld. Was ist Geld eigentlich? Was ist das Wesen des Geldes?
Roland Baader: Geld ist indirektes Tauschmittel. Andere Funktionen - wie etwa die der Wertaufbewahrung - sind davon abgeleitet. Geld soll den Gütertausch vereinfachen, aber nicht beeinflussen oder verzerren. In diesem Sinne muß es «neutral» sein. Neutral kann es aber nur sein, wenn es nicht beliebig vermehrt werden kann.
factum: Die Geldscheine in meinem Portemonnaie: Ist das Geld, auf das Ihre Definition zutrifft?
Roland Baader: Nein. Das ist Scheingeld. Es scheint nur Geld zu sein, ist es aber nicht. Es kommt nicht vom Markt, wo es ursprünglich durch allgemeine Übereinkunft der Tauschpartner entstanden ist, sondern ist staatsmonopolistisches Zwangsgeld, das beliebig vermehrt werden kann.
factum: Hängt die Krise damit zusammen, dass wir es, wie Sie sagen, mit «Scheingeld» zu tun haben?
Roland Baader: Ja. Das ist einer der entscheidenden Gründe und der Ursprung aller Inflationen, aller übertriebenen Konjunkturzyklen, aller Währungskrisen, aller Riesenblasen in der Wirtschafts- und Finanzwelt - und somit auch aller anschliessenden Niedergänge und Zusammenbrüche.
factum: Gibt es weitere Gründe?
Roland Baader: Dass die Zentralbanken die Zinsen diktieren und Geld vermehren können, indem sie Kredite vergeben, für die es keinen materiellen Gegenwert gibt.
factum: Politiker in den USA wie in Europa reagieren auf die Krise, indem sie den Staat weiter verschulden und unvorstellbar hohe Summen in das Finanzsystem pumpen. Dabei kann es sich ja ebenfalls nur um Scheingeld handeln. Was werden die Folgen sein?
Roland Baader: Hier wird Feuer mit Benzin gelöscht. Bei der aktuellen Krise - die sich alsbald noch wesentlich verschlimmern wird - handelt es sich um eine Verschuldungskrise von welthistorisch einmaligem Ausmaß, um Ozeane aus Schulden, die mit «echtem Geld» nicht hätten entstehen können. Dieses Schulden-Delirium mit noch mehr Billionen-Schulden heilen zu wollen, ist der schiere Wahnwitz.
factum: Auch viele Bürger verschulden sich, etwa um ein Haus zu kaufen. Warum sollte sich nicht auch der Staat verschulden? Was ist der Unterschied zwischen den Schulden eines Staates und denen eines Bürgers?
Roland Baader: Wenn der Bürger oder der Eigentümer-Unternehmer Schulden macht, muß er dafür haften - bis hin zum Verlust aller Vermögenswerte, zum Verlust der Existenz und zur prozeß- und strafrechtlichen Verfolgung. Wenn der Staat Schulden macht, haften dafür andere. Es haften nicht die Politiker, sondern die Steuerzahler und Inflationsopfer - also die Bürger. Am deutlichsten wird das im finalen Staatsbankrott, meist «Währungsreform» genannt: Dann ist, genau besehen, nicht der Staat bankrott, sondern alle Bürger als Sparer und Vermögensbesitzer.
factum: Die Schuldenlasten der Staaten höhlen die Wohlstandserzeugungskraft der Volkswirtschaften aus, schreiben Sie in Ihrem Buch. Was sind die Folgen?
Roland Baader: Die Folgen sind äußerlicher Scheinreichtum und innere Verarmung. Der Prozeß der Erzeugung echten Wohlstands durch den Markt wird behindert und verhindert. Denn alles, was der Staat ausgibt, egal ob aus Steuern oder aus Verschuldung finanziert, muß er zuvor, zugleich oder später den Bürgern abnehmen. Er muß es also anderen, produktiveren Verwendungen entziehen.
factum: Als Mittel gegen die Krise wird jetzt häufig staatliche Beschäftigungspolitik empfohlen - von Straßenbau bis Forschungsförderung. Was halten Sie davon?
Roland Baader: Von solcher Politik halte ich gar nichts. Es erfolgen keine «neuen» Investitionen, sondern eine Umverteilung von produktiven zu weniger produktiven Investitionen. Staatliche Beschäftigungspolitik bedeutet Verschwendung von Ressourcen - hauptsächlich der Ressource Arbeit. Sie macht einige froh, aber alle ärmer.
factum: Kann man Wohlstand durch staatliche Förderung der Nachfrage, also durch Konsumförderung, mehren?
Roland Baader: Nein, das ist Humbug. So wie eine Person oder eine Familie sich nicht «reich konsumieren» kann, so wenig kann das eine ganze Volkswirtschaft. Die ganze Misere ist ja entstanden aus einer jahrzehntelangen Förderung und Anregung des Konsumrauschs.
factum: Der Ruf nach dem Staat, der alles regeln soll, wird lauter. Wird der milliardenschwere Staatsinterventionismus zu einer Gefahr für die Freiheitsrechte der Bürger?
Roland Baader: Und wie! Der Blutkreislauf der Marktwirtschaft wird durch staatsmonopolistisches Scheingeld und das zentralplanwirtschaftliche Diktat des wichtigsten Preises einer Volkswirtschaft, nämlich des Zinses, vergiftet. Diese sozialistische Methode versetzt die Marktwirtschaft erst in einen Drogenrausch -und läßt sie dann zusammenbrechen. Und damit werden auch die Freiheitsrechte der Bürger erdrosselt.
Es gilt die alte Weisheit «Markt oder Befehl». Jede Entscheidung, jede Handlungsalternative, die dem freien Markt mit seinen freiwilligen und friedlichen Wahlhandlungen entzogen wird, landet in den gewaltbewehrten Händen des Staates und seiner Bürokratie. Die Freiheit geht Stück für Stück - und schließlich ganz verloren. Derzeit wird uns die restliche und ohnehin schon stark dezimierte Freiheit mit Billionen «abgekauft» - mit Billionen aus unseren eigenen Taschen wohlgemerkt.[/i]
factum: Der Schweizer Sozialphilosoph Robert Nef hat die Marktwirtschaft als «Non-System» bezeichnet. Sie sei eine «Natürliche Ordnung freier Menschen». In was für einer Ordnung leben wir?
Roland Baader: Wir leben in einem Mischsystem aus Staatskapitalismus, Staatssozialismus und Korporatismus. Letzterer hat die Form eines Machtfilzes aus Big Government und Big Business angenommen, sowie die Netzform von Hunderten von viertel-, halb- und dreiviertel-staatlichen Suborganisationen des Wohlfahrtsstaates. Das Wirtschaften funktioniert, wo man die Bürger unbehindert arbeiten läßt und ihnen die Früchte ihrer Arbeit nicht wegsteuert.
factum: Haben Sie ein Beispiel?
Roland Baader: Ja: Wie rasch effiziente Märkte entstehen, konnte man in jüngerer Zeit in China beobachten. Der sozialistische «große Sprung nach vorn» Mao Tse-tung hat 70 Millionen Menschen das Leben gekostet - mehr als der Zweite Weltkrieg weltweit. Sie sind verhungert.
factum: Wie wird sich die wirtschaftliche Situation entwickeln? Geht es nach einer Durststrecke wieder aufwärts?
Roland Baader: Was wir in den letzten 35 Jahren - und besonders in den letzten zehn Jahren erlebt haben, war der größte Schulden-Tsunami der Menschheitsgeschichte. Allein das Volumen der abgeleiteten Schuldverschreibungen (Derivate) hat das 12-Fache des Weltsozialprodukts angenommen; etwas, das nur in einem reinen Papiergeldsystem möglich ist. Entsprechend furchtbar wird die Ernüchterung ausfallen.
Weil man nicht erkennt, dass Rezession und Depression das Heilmittel gegen die schwere Schuldenkrankheit sind, und den Heilungsprozeß mit Billionen neuer Schulden «bekämpft», wird das Elend lange dauern, vielleicht ein Jahrzehnt oder länger. Wir müssen schon froh sein, wenn daran nicht die Zivilisation zerbricht. Die Welt, wie wir sie kennen, wird es jedenfalls nicht mehr geben.
factum: Was müsste geschehen, damit es anders kommt?
Roland Baader: Anders wären die Aussichten, wenn man endlich wieder echtes Geld zulassen, die Zentralbanken abschaffen und dem Bankensystem auf alle Zeit eine Hundertprozent-Deckung der Sichteinlagen vorgeben würde. Die Erholung könnte dann - nach einem tiefen und schmerzlichen Taucher - relativ rasch stattfinden.
factum: In den Feuilletons wird sehr wohlwollend diskutiert, ob der Staat jedem Bürger ein bedingungsloses Grundeinkommen zahlen solle, von dem man auf bescheidenem Niveau auch leben kann. Was halten Sie davon?
Roland Baader: Nichts. Man sollte den Bürgern ihr Geld lassen - und dem Geld seine Kaufkraft. Den Arbeitsmarkt sollte man von allen Fesseln befreien. Dann würde der resultierende Reichtumsprozeß nicht nur dafür sorgen, dass es viel weniger arme Leute gibt, sondern dass sich auch große private Hilfsorganisationen karitativer Art bilden, wie sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den Industrienationen entstanden sind und groß geworden wären, wenn sie der einsetzende Wohlfahrtsstaat nicht erdrosselt hätte. Wir sollten Familienzusammenhalt, Eigenverantwortung und private Hilfsbereitschaft fördern, nicht lähmen. Jetzt gilt: Warum soll ich meinem Nachbarn helfen, wenn es doch den Sozialstaat gibt? Das würde mit Einführung eines Grundeinkommens zum obersten Verhaltenskodex werden.
factum: Ihr Buch heißt «Geld, Gold und Gottspieler». Wer spielt hier Gott?
Roland Baader: Der Staat mit seinen Bürokratien und Funktionären, die Zentralbanker und die Mainstream-Ökonomen, die in ihrem Machbarkeitswahn glauben, die Wirtschaft zum Wohle aller lenken zu können.
factum: Der Sozialstaat masst sich an, «Kollektivpatriarch» des Bürgers zu sein, schreiben Sie, indem er ihm ein Leben auf Pump vormache und ihm durch Sozialleistungen, die auf Schulden und Scheingeld gründen, ein erträgliches, wenngleich zunehmend entmündigtes Leben ermöglicht. Was könnte aus dieser fatalen wechselseitigen Fehlhaltung herausführen?
Roland Baader: Einzig und allein ein Standard echten Geldes, also ein wettbewerbliches Privatgeld, das sich wohl schwergewichtig mit Gold- und Silberdeckung bilden würde. Mit echtem Geld - also mit Goldgeld - hätte man keinen der großen Kriege führen können; deshalb wurde die Goldwährung ja zu Beginn des 1. Weltkrieges abgeschafft. Ebenso wenig könnten die Staaten ihren Wohlfahrts- und Knechtungskrieg gegen die eigene Bevölkerung mit echtem Geld führen. Die uferlose Aufschuldung der USA konnte auch erst beginnen, nachdem Nixon die letzte Verbindung des Dollars zum Gold im Jahr 1971 aufgehoben hatte.
factum: Der Staat gestaltet das Steuer- und Abgabesystem immer stärker in der Absicht, menschliches Verhalten zu disziplinieren und zu dirigieren (etwa bei der Kfz-Steuer oder den Steuern auf Genussmittel). In volkswirtschaftlich extremem Ausmaß geschieht dies durch den «Handel» mit «Emissionszertifikaten». Der Staat bezeichnet diesen Interventionismus als umweltpolitische oder gesundheitspolitische «Fürsorge» und legitimiert sein Verhalten, indem er für sich den Besitz einer höheren Moral proklamiert. Sehen Sie darin eine Gefahr für die Freiheitsrechte?
Roland Baader: Die Kombination aus Macht und Hypermoral ist geradezu satanisch. Nicht ohne Grund ist Robespierres Moralwahn zur Schreckensherrschaft ausgeartet, zum Tugend-Terror. Die Menschen leben mit einer durchschnittlichen Moral. Wer die Leute «verbessern» will, bringt sie um oder versklavt sie. Der sozialistische Traum vom «neuen Menschen» hat immer und überall zu Massenmord und zu extremster Knechtschaft geführt, von Stalin über Hitler bis zu Mao und Pol Pot. Bei uns in der heutigen westlichen Welt spielt sich der Irrsinn noch auf niedrigerem Niveau ab, aber was so harmlos daherkommt, ist brandgefährlich und wird zur Gesinnungsdiktatur und zum Totalitarismus ausarten.
factum: Wo sehen Sie Anzeichen einer solchen Entwicklung?
Roland Baader: Was sich unter den scheinbar so edlen Namen wie Politische Korrektheit, Antidiskriminierungs-Gesetzen, Gender Mainstreaming und Ähnlichem abspielt, höhlt die Eigentumsrechte aus und die private Vertragsfreiheit. Es zerstört das Gesellschaftsgefüge und die jahrhundertealten Regeln der Friedlichkeit und Freiwilligkeit - und es zerstört die Menschen bis in die Innenkammern ihrer Seelen hinein.
Was die «Klima-Katastrophe» anbelangt: Das ist fast alles Schwindel, ein Trojanisches Pferd der Machteliten. Aber das weiter auszuführen, würde den Rahmen dieses Interviews sprengen. Man lese das Buch des tschechischen Staatspräsidenten Václav Klaus: «Blauer Planet in grünen Fesseln. Was ist bedroht: Klima oder Freiheit?».
factum: Kehrt der Staat die Verantwortlichkeiten um, wenn er sich zum Träger der Moral stilisiert und den Bürger zu demjenigen macht, der die Opfer dieser Moral zu tragen hat?
Roland Baader: Verantwortung ist immer privat und an die Person gebunden. Kollektive Verantwortung gibt es nicht. Wer aber - wie der Staat - keine Verantwortung tragen kann, hat auch kein Recht, als moralische Oberinstanz aufzutreten. Moral erfordert Freiheit. Eine Handlung kann nur moralischen Wert haben, wenn sie weder unter Zwang noch auf Kosten anderer erfolgt. Aus dem Übel staatlichen Zwangs kann niemals moralisch Gutes erwachsen. Mit den bei der Bevölkerung positiv besetzten Begriffen «Umwelt» und «Klima» haben es die politischen Eliten besonders leicht, mit Märchen und durch Bereicherung ihre Macht fast beliebig auszuweiten.
factum: Sie bezeichnen die Folgen des Staatsinterventionismus und Dirigismus und der hemmungslosen Staatsverschuldung als «verheerend» in ihrer Wirkung auf die Moral der Bürger. Inwiefern hängt die Zunahme der Funktionärsbürokratie und der «Fürsorge» des Staates für die Bürger mit deren Moral zusammen?
Roland Baader: Dieser Frage ist der Philosoph Wolfgang Kersting akribisch nachgegangen. Der Sozialstaat ist, so Kersting, kein Ort ethischer Exzellenz und erzieht nicht zur Moral, sondern zum Gegenteil. Die Menschen betreiben ihre Versorgungskarrieren im Sozialstaat mit der gleichen Egozentrik wie ihre Erfolgskarrieren am Markt. Nur müssen sie sich nicht der disziplinierenden Selbstverantwortlichkeit unterwerfen, die der Markt von jedem verlangt. Nur der Markt ist die hohe Schule der Selbstverantwortlichkeit.
factum: Und Selbstverantwortlichkeit ist der Schlüssel zur Moral?
Roland Baader: Meine Überzeugung ist: Moral ist, wenn sie wirklichkeitsnah und alltagstauglich sein soll, eine einfache Maxime: Ich sorge für mich selber und meine Familie, auch damit ich anderen nicht zur Last falle und nicht auf deren Kosten lebe; ich schädige niemanden und erwarte, dass auch ich nicht absichtlich geschädigt werde; ich bewältige mein Leben und erwarte von niemandem, dass er es für mich bewältigt. Moral heißt ganz praktisch, andere in Ruhe lassen und liebevoll denen zu begegnen, die einem nahe stehen. Damit das funktioniert, gibt es Regeln. Man halte sich daran.
factum: Sie plädieren für die Einhaltung von zivilisatorischen Regeln und nicht für die Schaffung von Gesetzen?
Roland Baader: Ja, ich meine nicht Gesetze, sondern Regeln. Der alles regelnde und allfürsorgliche Staat zerstört die immanente Gültigkeit dieser Regeln und überträgt sie auf das abstrakte Gebilde namens Gesellschaft. Das zerstört das gesellschaftliche Gefüge und die Zellen dieses Gefüges, die Familien. Damit wird auch der einzelne Mensch wurzellos und umso anfälliger für totalitäre Sirenenklänge und zweifelhafte Religionsersatz-Lehren.
factum: Der Sozialstaat nimmt der Familie in vermeintlicher Fürsorge immer mehr zentrale Funktionen ab (Kindererziehung, Sorge tragen füreinander, Vorsorge, Pflege der Alten und Schwachen innerhalb der Familie) und trägt damit zu ihrer Zerstörung bei, lautet eine Ihrer Diagnosen. Eine Folge davon sei ein Wandel der Leitbilder - weg von privaten Autoritäten (Vater, Mutter, Großeltern, Lehrmeister) hin zur Kollektivautorität Staat. Würden Sie die charismatische Wirkung von Präsident Obama, der «allen alles verspricht», in diesem Zusammenhang sehen?
Roland Baader: Baader: Man kann sich Autorität, organisch und zivilisatorisch gewachsene Autorität einerseits - und Macht, zwingende politische Macht, andererseits - wie zwei Schalen einer Waage vorstellen. So wie die eine, die Autorität, schwindet, so steigt die andere, die Macht, in die Höhe. Politiker wissen das oder spüren das instinktiv. Deshalb neigen sie im Extrem zu einem Gehabe messianischer Autorität. Auf dieser Klaviatur spielt natürlich auch Obama. Und die Massen lauschen ergriffen und unterwerfen sich umso williger dem Machtzugriff, je schlechter es ihnen aufgrund der papiergeld- und politik-erzeugten Katastrophen geht.
factum: Sie fordern, der Staat dürfe nicht Kontrolle über das Geld haben. Wird sich das je ändern?
Roland Baader: Friedrich A. von Hayek, neben Ludwig von Mises der wohl bedeutendste Ökonom des 20. Jahrhunderts, hat schon 1977 in seinem Buch «Entnationalisierung des Geldes» geschrieben, dass allein dadurch der Entwicklung aller Regierungen in Richtung auf den Totalitarismus eventuell Einhalt geboten werden könnte. Es gehe um nicht weniger als das Überleben der Zivilisation. Seine letzten Sätze lauten: «Ich wünschte, ich könnte den Rat geben, langsam vorzugehen. Aber die Zeit mag kurz sein.»
factum: Die Krise ist da. War die Zeit so kurz?
Roland Baader: Ja, die Zeit war kurz, und jetzt ist es zu spät. Die babylonischen Türme stürzen ein und die Gefahr, dass sie die Zivilisation unter sich begraben, ist riesengroß.
factum: Kann es nicht sein, dass die Bevölkerung aufwacht?
Roland Baader: Was die Sache besonders schwierig macht, ist die Tatsache, dass die meisten Ökonomen den Bürgern nicht die Wahrheit sagen, sondern ihnen weiterhin die keynesianischen und etatistischen Märchen erzählen. Die eine Hälfte der Ökonomen sind Staatsdiener, die andere Hälfte Angestellte der Banken und Finanzinstitutionen. Wie sollten sie ein Geld befürworten, das ihnen ihre Geschäftsgrundlagen entzieht?
factum: Die individuelle Freiheit des Menschen ist Ihnen offenbar eine Herzenssache. Was sind die Fundamente der Vorstellung, dass der Mensch frei zu sein hat und eigenverantwortlich ist?
Roland Baader: Freiheit ist zuoberst ein moralischer Grundsatz, der in der Natur des Menschen und in seinem Selbsteigentum verankert ist. Eine Handlung kann nur moralisch sein, wenn sie weder unter Zwang noch auf Kosten anderer erfolgt. Freiheit ist auch ein Gegenprinzip gegen Macht und Herrschaft. Es gibt nur drei Arten der Austragung von Konflikten: die Gewalt, die freiwillige Einigung und der friedliche Wettbewerb. Sowohl die freiwillige Einigung als auch der friedliche Wettbewerb sind nur in einer freien Marktordnung möglich. Freiheit ist ein leeres Wort, wenn das private Eigentum nicht respektiert wird und wenn nicht alle menschlichen Beziehungen auf freiwilliger Zustimmung beruhen. Ausserdem gilt die Erkenntnis des grossen Rechtsgelehrten Franz Böhm, dass der Wettbewerb «das genialste Entmachtungsinstrument der Weltgeschichte» ist.
factum: In welchem Zusammenhang stehen christlicher Glaube und Freiheit?
Roland Baader: Die Realität lehrt uns oft besser als die abstrakte Theorie, dass Christentum und Freiheit aufeinander bezogen und aufeinander angewiesen sind, indem stets beide entweder miteinander bestehen oder miteinander niedergehen. Es ist kein Zufall, dass im Verlauf des 20. Jahrhunderts in allen totalitären und sozialistischen Zwangsstaaten der Erde zugleich mit der Freiheit auch die göttliche Botschaft ausgelöscht wurde. Es ist auch kein Zufall, dass in den halbsozialistischen Wohlfahrtsstaaten Europas die Kirchen leer geworden sind, sowie persönliches Mitleid und private Karitas dem «sozial»-kleptokratischen Umverteilungsbefehl des Staates gewichen sind.
Der christliche Glaube sollte keineswegs nur funktional, als eine Art nützliche Hilfskrücke bei der Bewahrung freier Gesellschaften gesehen werden, sondern vielmehr als Essenz der Freiheit.
factum: Von manchen Liberalen hört man, beim Glauben höre die Freiheit auf.
Roland Baader: Der echte Liberale, der jede Herrschaft von Menschen über Menschen ablehnt, weil sie stets Ausbeutung, Unterdrückung, Willkür, Entwürdigung, Zwang, Entmündigung und Knebelung des freien Willens bedeutet - wobei «Herrschaft» nicht mit gewachsener Autorität verwechselt werden darf -, kann sich durchaus der Herrschaft - besser: Autorität - des christlichen Gottes unterwerfen, weil diese nichts mit Ausbeutung, Unterdrückung, Entwürdigung, Entmündigung oder Knebelung des freien Willens zu tun hat, sondern eine Herrschaft der Liebe ist. Diese Herrschaft Gottes ist die eigentliche Befreiung von menschlicher Willkür, weil die Gotteskindschaft dem Menschen erst seine größte Würde und seine höchstmögliche Mündigkeit verleiht.
Es gibt einen wunderbaren Satz von Frédéric Bastiat: «Versuche es mit der Freiheit, denn Freiheit ist ein Glaubensbekenntnis in Gott und seine Werke.» Auch John Locke, einer der Urväter der Freiheitsphilosophie, hatte erkannt, dass Leben, Freiheit und Eigentum eng mit dem Selbsteigentum der Person verbunden sind - und letztere wiederum mit der Gotteskindschaft oder dem Gotteseigentum am Menschen.
factum: Welche Bedeutung hat christlicher Glaube für Sie in Ihrem persönlichen Leben?
Roland Baader: Der Mensch ist ein Wesen, das nach einer Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens - und somit auch nach dem Sinn der Freiheit sucht. Das Prinzip Freiheit läßt sich zwar wohlbegründen (Locke, Hume, Hayek, Jasay usw.), aber es bleibt die letzte Frage nach ihrem metaphysischen Sinn. Im Christentum ist der letzte Sinn der Freiheit die Freiheit des Menschen zu Gott.
Gott annehmen oder ablehnen zu können, ist der letzte ultimative Sinn und das Wesen der Freiheit. Jesus hat die Herrschaft von Menschen über Menschen abgelehnt. Bei Markus (Mark. 10,42-43) ist zu lesen, was er zu seinen Jüngern sagt, nämlich: «Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein.» Dass Herrschaft im wahrsten Sinn des Wortes «Teufelswerk» ist, kommt besonders in der biblischen Erzählung von der Versuchung Christi in der Wüste zutage. Christus ist die einzige Partei, die ich wählen würde.
Für den Freiheitsanspruch und die Menschenwürde gibt es letztlich nur eine einzige unwiderlegbare Rechtfertigung, und das ist die Gottesgeschöpflichkeit des Menschen.
factum: Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Thomas Lachenmaier, erschienen ist es im Factum Magazin.