Der Goldpreis ist keine Bubble
12.11.2009 | James West
Die jüngsten Entwicklungen des Goldpreises haben Sesselökonomen der unterschiedlichsten Couleur dazu gebracht, ganz subjektiv die Idee zu verbreiten, wir stünden hier vor einer "Preisblase". Zwar hat jeder ein Recht auf eine eigene Meinung, aber es gibt andere menschliche Eigenschaften, die uns allen eigen sind und die (wie so viele andere Meinungen) bestens verborgen werden.
Gold zur "Bubble" zu erklären, zeigt die völlige Nichtkenntnis oder die Missachtung der fundamentalen Triebkräfte, die hinter dem jetzt schon fast 10 Jahre andauernden Anstieg der Goldpreise stehen. Und wenn man meint, eine Preisblase zeichne sich ab, so impliziert das auch, dass die Preise - wie bei der Immobilienblase, der Blase am Neuen Markt und bei der Tulpenblase - "platzen" müssen und zu einem langfristig tragfähigen Durchschnittspreis zurückkehren.
Bei jeder dieser jüngeren oder früheren Blasen gründete die Ursache des kometenhaften Preisanstiegs bei diesen unterschiedlichen Anlageklassen immer auf denselben Ereignisketten.
Die Nachfrage überstieg das Angebot bei Weitem, denn irgendwann setzte sich die allgemeine Ansicht durch, die fraglichen Anlageklassen wären die ultimativen Anlageklassen. In diese Klassen flossen überproportional große Kapitalmengen, und als schließlich entdeckt wurde, dass das Angebot problemlos befriedigt und die Nachfrage sogar überstiegen werden könnte, platzte die Blase, die Preise fielen und auf der fieberhaften Suche nach der nächsten "ultimativen" Anlageklasse setzte der Herdentrieb erneut ein.
Eigenheime, Technologie und Tulpen: All das geht aus Anstrengung und Leistung hervor. Je mehr Leistung investiert wird, desto mehr kann davon geschaffen werden. Das Angebot kann problemlos gesteigert werden, so dass es die Nachfrage befriedigt.
Beim Gold ist das jedoch etwas anders: Die Verfügbarkeit wirtschaftlicher Konzentrationen in den Goldlagerstätten nahe der Bodenoberfläche ist begrenzt. Erhöhte Anstrengungen könnten vorübergehend für ein steigendes Angebot aus den bekannten Lagerstätten sorgen, aber jede Lagerstätte ist irgendwann auch einmal erschöpft; und keine Anstrengungen dieser Welt können dieses Gold zurückbringen.
Gold wird größtenteils nicht wirklich verbraucht. Es wird zu Schmuck, Barren oder Münzen verarbeitet, gehortet und aufbewahrt.
Technologie, Immobilien und Tulpen werden jedoch verbraucht und ersetzt. Technologie veraltet und wird überflüssig, Immobilien nutzen sich ab und Tulpen sterben und erblühen jeden Frühling aufs Neue.
Gold? Gold geht nirgendwo hin. Gold rührt sich nicht vom Fleck. Gold wird von Generation zu Generation weitergegeben über Testamente und in Form von Familienerbstücken mit Sammlerwert.
Gold wird als Wertaufbewahrungsmittel wahrgenommen, das keine zeitlichen Begrenzungen kennt.
Nur durch staatliche Intervention kann dies abgeschwächt werden - geschichtlich betrachtet zum Beispiel durch verschiedene rechtliche Bestimmungen, mit denen der Goldwert fixiert wurde, oder als sich die Menschheit entschloss, ihre gierige Veranlagung (sprich das Horten von Werten in Anbetracht zukünftiger finanzieller Tiefschläge) aufzugeben.
Das Zweite ist genauso unwahrscheinlich wie das Erste.
Die Vorstellung, man könne den Goldpreis durch internationale Vereinbarungen kappen, steht dem Konzept freier Märkte - einem Wirtschaftstil, der jetzt fast schon allgemein akzeptiert und bevorzugt wird - völlig entgegen. Und die angeborene Angst, man hätte nicht genug, ein grundlegendes Element der Infrastruktur des menschlichen Gehirns, ist völlig zeitlos, zumindest scheint es so.
Was also könnte den Goldpreis ganz plötzlich einbrechen lassen? Was widerspricht der Annahme, beim jüngsten Anstieg handle es sich um die Anzeichen einer Blase?
Nun, die Kräfte von Angebot und Nachfrage dominieren immer. Übersteigt die Zahl jener, die Gold kaufen wollen und bereit sind, auch den Marktpreis dafür zu zahlen, die Zahl jener, die Gold haben und es verkaufen möchten, dann werden die Preise nach oben gedrückt. Das ist so grundlegend wie: Gibt es mehr Verkäufer als Käufer, müssen die Preise fallen. So einfach.
Und wer verkauft Gold?
Gut, nun kann man sagen, der Internationale Währungsfonds plant, sich von 400 Tonnen Gold zu trennen, um, so heißt es offiziell, jenen Nationen Stimuluspakete zu finanzieren, die selbst nicht in der Lage sind, für eigene Wirtschaftstimuli zu sorgen. Doch gleich nachdem der endgültige Verkauf verkündet ist, kommt Indien ins Spiel und nimmt die Hälfte ab. Durch nur eine Transaktion - die größte einzelne Goldmenge, die seit Beginn des langfristigen Bullenmarktes zugänglich gemacht wurde - und es findet sich problemlos ein Käufer.
Russland, ein Land, das auf der Welt als hoffungsloser Fall gilt, da es sich auf nationaler Ebene nur durch brachiale Kraft anstatt durch Gesetze und Vernunft regieren kann, kündigte erst kürzlich an, es seien Verkäufe notwendig. Verkäufe, die nur erforderlich sind, weil die nationalen Instanzen nicht aufhören können, die eigenen Pfründe zu schröpfen. Ein genetischer Defekt, so scheint es wohl.
Wer sonst könnte noch ausreichend Gold verkaufen, um die Angebot/Nachfrage-Matrix drastisch zu beeinflussen, so zu beeinflussen, dass vom Goldkaufen weitestgehend Abstand genommen wird? China, die Vereinigten Staaten und verschiedene andere G7-Staaten. Aber keiner dieser Staaten verkauft. China hat tatsächlich erst zugegeben, dass es innerhalb der letzten fünf Jahre als der größte staatliche Goldankäufer aufgetreten ist.
Auch während und nach der Wirtschaftskrise war der Denkansatz, Gold zu halten und zu akkumulieren - aber nicht zu verkaufen.
Nein. Die Bubble, mit der wir es gerade zu tun haben, ist eine Währungsblase. Obgleich Währungen ja einfach und im Überfluss gedruckt werden können, hat die Welt, allen voran die USA, vorübergehend vergessen, dass die Gesetze von Angebot und Nachfrage ihre Geltung zur gegebenen Zeit wieder einfordern. Und das ist es, was gerade mit dem Goldpreis passiert.
Das Vertrauen in den auf Papier gedruckten Dollar, mit dem sich Waren im Wert von einem Dollar erwerben lassen, schwindet mit jeder Versteigerung von Staatsanleihen. Die allgemeine Wahrnehmung breitet sich aus, dass Gold monetärer Standard und ein Wertaufbewahrungsmittel sei, dem unter turbulenten und stabilen wirtschaftlichen Bedingungen vertraut werden kann.
Und am ökonomischen Horizont ist nichts zu sehen, dass diese Situation ändern könnte. Wir stecken in einer Periode des Verfalls des Amerikanischen Imperiums und seines schwachen Dollars. Die Nation ist bankrott, moralisch wie auch wirtschaftlich. Sie kann der Welt nicht weiter einreden, sie müsse die gefälschte Währung als Zahlungsmittel im Handel akzeptieren. Nur Nationen, die aufgrund ihrer riesigen Bestände an Monopoly-Spielgeld gezwungen sind, den Eindruck der Werthaltigkeit aufrechtzuerhalten, unterstützen das Wunschdenken, denn alternativ bliebe ihnen nur eine drastische Neueinschätzung ihrer eigenen finanziellen Integrität.
Also - auf der Angebotsseite ist nichts erhältlich. Keiner verkauft. Die Bergbauunternehmen bauen so schnell sie können ab und trotzdem stehen die Käufer Schlange.
Auf der Nachfrageseite steht nichts außer mehr, mehr und mehr Nachfrage. Da keine vertrauenswürdige Währung in Sicht ist (außer vielleicht der Renmibi, eine zunehmend durch Gold gedeckt Währung), existiert auch keine vergleichbare Alternativanlageklasse - also braucht hier auch keiner nach irgendeiner Blase zu suchen.
Ich denke, es ist gut, alternative Standpunkte in den Medien zu haben. Es ist wichtig, alle Aspekte zu betrachten. Aber wenn das Ausscheidungsorgan erklärt, es wurde eine Blase in einer Region unterhalb der Gürtellinie ausgemacht, dann werden diejenigen, die solchen Ratschlägen folgen, noch früh genug ordentlich angeschmiert sein.
Goldpreisblase? Lasst mich bloß in Ruhe!
© James West
www.midasletter.com
Dieser Artikel wurde am 04. November 2009 auf www.gold-eagle.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.