Gold und Silber profitieren von Währungsschwäche
10.11.2010 | Eugen Weinberg
Gold konnte Anfang November bei knapp 1.400 USD je Feinunze ein neues Allzeithoch markieren. Preistreibend waren die Ankündigung einer weiteren quantitativen Lockerung der US-Geldpolitik, die robuste physische Nachfrage aus Indien im Vorfeld der Feiertags- und Hochzeitssaison und das anhaltende Kaufinteresse der Zentralbanken der Schwellenländer. Aktuell ist es vor allem die Suche vieler Anleger nach einer wertstabilen Anlage, welche den Goldpreis nach oben getrieben hat. Wir haben daher unsere Prognose nach oben revidiert und erwarten einen Goldpreis von durchschnittlich 1.350 USD im vierten Quartal 2010. Nach einer vorübergehenden Abschwächung im Frühjahr dürfte der Preis bis Ende 2011 auf 1.450 USD steigen.
Der Goldpreis hat in diesem Jahr gegenüber allen wichtigen Währungen Allzeithochs markieren können (Grafik 1). Den Grund hierfür sehen wir in einem veränderten Finanzmarktumfeld. Die wachsende Besorgnis über die Ausweitung der Staatsverschuldung in den Industrieländern hat zu einer spürbaren Verunsicherung am Markt geführt. Katalysator hierfür war zunächst die Schuldenkrise in den Peripherieländern der Eurozone.

Die jüngsten Handlungen einiger Zentralbanken haben zudem die Sorge vor einem unkontrollierten Gelddrucken geschürt und das Vertrauen in den US-Dollar als weltweite Leit- und Ankerwährung untergraben. Im Zentrum steht dabei die US-Notenbank Fed. Diese hat Anfang November den Aufkauf von US-Staatsanleihen im Umfang von bis zu 900 Mrd. USD beschlossen, was den US-Dollar erneut auf Talfahrt schickte. Darüber hinaus erhöhen die USA den Druck auf China, eine stärkere Aufwertung des chinesischen Renminbi zuzulassen, was faktisch auf eine weitere Abwertung des US-Dollar hinauslaufen würde.
Die japanische Zentralbank hat im vergangenen Monat am Devisenmarkt interveniert, um einer fortgesetzten Aufwertung des japanischen Yen gegenüber dem US-Dollar entgegenzuwirken. Das G20-Treffen der Finanzminister und Notenbankgouverneure Ende Oktober in Südkorea brachte keine Annäherung zwischen den verschiedenen Konfliktparteien, so dass die Gefahr eines vom US-Dollar angeführten Abwertungswettlaufes der Papierwährungen fortbesteht. Im Zuge dieser Maßnahmen steigen die Inflationsrisiken, während die Realzinsen fallen. Dies steigert die Attraktivität von Gold als wertstabile Anlage und alternative Währung. Da Gold keine Zinsen abwirft, entsprechen die Realzinsen den Opportunitätskosten der Goldhaltung.
Dauerhaft niedrige (Real-)Zinsen, eine nochmalige Ausweitung der Liquidität und anhaltende Wechselkursspannungen dürften die Nachfrage nach wertstabilen Anlagen wie Gold auch in den kommenden Monaten hoch halten. Denn im Gegensatz zu den Papierwährungen kann
Gold nicht von Regierungen oder Zentralbanken per Beschluss beliebig vermehrt werden.

Allerdings glauben wir nicht, dass die Goldpreisentwicklung eine Einbahnstraße ist und die Dynamik der vergangenen Wochen beibehalten werden kann. Die physische Goldnachfrage in Indien dürfte nach dem Ende der Feiertagssaison nachlassen, deren Höhepunkt der religiöse Feiertag Diwali am 5. November darstellt. Nicht zuletzt deshalb konnten die indischen Goldimporte im Oktober trotz des hohen Preisniveaus auf 43 Tonnen steigen. Die physischen Goldkäufe in Asien traten insbesondere bei Preisrückgängen auf und haben damit verhindert, dass der Goldpreis stärker korrigierte. Zudem wurde der jüngste Höhenflug durch ein kräftig gestiegenes spekulatives Interesse verstärkt.
Die Netto-Long-Positionen der spekulativen Finanzanleger wurden zwischen Mitte Juli und Anfang Oktober um 50% ausgeweitet und liegen trotz eines leichten Rückgangs zuletzt mit knapp 200 Tsd. Kontrakten nur geringfügig unter dem Rekordvolumen vom Oktober 2009. Damit besteht weiterhin die Gefahr von Positionsschließungen, welche den Preis unter Druck setzen könnten. Die Bestände der Gold-ETFs sind zuletzt auch nicht mehr nennenswert gestiegen (Grafik 2). Laut World Gold Council beliefen sich die Zuflüsse in die Gold-ETFs im dritten Quartal auf nur noch 28,3 Tonnen. Im Oktober gab es laut Bloomberg sogar Abflüsse von 9,5 Tonnen. Dies spricht für eine sichtliche Zurückhaltung der mittel- bis langfristig orientierten Finanzanleger.
Alles in allem rechnen wir im vierten Quartal mit einem durchschnittlichen Goldpreis von 1.350 USD je Feinunze. Im kommenden Frühjahr dürfte Gold aufgrund einer saisonal schwächeren Nachfrage zunächst bis auf 1.300 USD fallen, bevor der Preis bis Jahresende 2011 auf 1.450 USD je Feinunze anziehen wird. Für einen langfristig steigenden Goldpreis spricht vor allem das sinkende Angebot aus dem offiziellen Sektor. Der IWF hat unlängst bekanntgegeben, im September 32,3 Tonnen Gold verkauft zu haben. Damit stehen von ursprünglich 403,3 Tonnen Gold nur noch 42,2 Tonnen zum Verkauf. Diese Quelle des Angebots dürfte somit demnächst versiegen.
Außerhalb des IWF gibt es derzeit so gut wie keine Goldverkäufe des offiziellen Sektors mehr. Die im CBGA-Goldabkommen zusammengeschlossenen 15 europäischen Zentralbanken haben im Ende September abgelaufenen Vertragsjahr lediglich 6,2 Tonnen Gold verkauft. Der World Gold Council rechnet damit, dass der offizielle Sektor im kommenden Jahr zum ersten Mal seit knapp 20 Jahren zum Netto-Käufer wird. Ohne den IWF wäre dies wahrscheinlich schon in diesem Jahr der Fall gewesen.
Die Zentralbanken der Schwellenländer dürften dagegen weiterhin Gold akkumulieren. Diese sind in Gold noch immer unterinvestiert (Grafik 3) und sitzen zudem auf teilweise sehr hohen USD-Beständen. Würde China bspw. wie von einem Vertreter der Chinesischen Internationalen Handelskammer gefordert seine Goldreserven auf das Niveau der USA aufstocken, müsste es gut 7.000 Tonnen Gold erwerben, was der derzeitigen weltweiten Minenproduktion von knapp drei Jahren entsprechen würde.
Auch wenn es vollkommen unrealistisch ist, dass China soviel Gold aufkaufen wird, ist die Richtung damit vorgezeichnet. Auch die privaten Haushalte in China dürften angesichts des wachsenden Wohlstands in den kommenden Jahren deutlich mehr Gold nachfragen. Der World Gold Council geht davon aus, dass sich der jährliche Goldbedarf in China in den nächsten zehn Jahren auf 800 bis 900 Tonnen verdoppeln wird. Dafür spricht auch, dass die ETFs als Anlageform in China noch gar nicht existieren. Angesichts dieser Entwicklung ist vorgezeichnet, dass China in zunehmendem Maße auf Goldimporte angewiesen sein wird.

Gestiegenes Anlegerinteresse beflügelt Silber
Silber hat Anfang November bei 27 USD je Feinunze den höchsten Stand seit mehr als 30 Jahren markiert. Zugleich konnte es auch gegenüber Gold relative Stärke aufbauen. Das viel beachtete Preisverhältnis von Gold zu Silber fiel auf 52 und damit auf den niedrigsten Stand seit mehr als zwei Jahren. Ausschlaggebend dafür war vor allem das starke Anlegerinteresse. Dieses spiegelt sich zum einen in kräftigen Zuflüssen in börsengehandelte Fonds (ETFs) wider: Die Silberbestände der vier größten ETFs sind im Oktober auf einen Rekordwert von mehr als 14.000 Tonnen gestiegen (Grafik 4). Allein in den größten Silber-ETF, iShares Silver Trust, flossen seit Mitte September mehr als 800 Tonnen. Anlegern, denen Gold bereits zu teuer geworden ist und die dennoch auf die klassischen Absicherungseigenschaften nicht verzichten wollen, bietet Silber eine günstige Alternative. Zudem kam es auch zu Umschichtungen von Gold-ETFs in Silber-ETFs. Auch das spekulative Interesse hat kräftig zugenommen: Die Anzahl der Netto-Long-Positionen der spekulativen Finanzanleger ist zwischenzeitlich auf einen Rekordwert von 48 Tsd. Kontrakten gestiegen, was umgerechnet 7.400 Tonnen entspricht.
Aber nicht nur das gestiegene Anlegerinteresse treibt derzeit den Preis. Auch die industrielle Nachfrage, welche etwa die Hälfte der Gesamtnachfrage abdeckt, dürfte sich in diesem Jahr im Zuge des wirtschaftlichen Aufschwungs deutlich erholt haben. Darüber hinaus ist der Importbedarf Chinas in den letzten zwei Jahren immens gewachsen, denn wie auch bei vielen Industriemetallen konnte die steigende Silbernachfrage nicht mehr durch die heimische Produktion bedient werden. In den ersten neun Monaten des Jahres hat China laut Daten des chinesischen Zolls 3.993 Tonnen Silber importiert und damit 20% mehr als im Vorjahr (Grafik 5).
China ist zwar mittlerweile der weltweit drittgrößte Silberproduzent, weist aber auch einen der am schnellsten wachsenden Absatzmärkte für Silber auf. Sollte sich das hohe Wirtschaftswachstum in China fortsetzen, dürfte dies zu einem weiter steigenden Bedarf an Silber führen. Die sich erholende Nachfrage trifft auf eine nur mäßig steigende Minenproduktion, die immerhin 80% des gesamten Weltangebots stellt. Zugleich schrumpft das Angebot an Altsilber, das durch sinkende Recyclingbestände der an Bedeutung verlierenden Fotoindustrie belastet wird. Deshalb dürfte sich der Silbermarkt in diesem Jahr spürbar verengen. Der Primärüberschuss und damit die Menge Silber, welche der Investmentnachfrage zur Verfügung steht, dürfte daher deutlich geringer ausfallen als die gut 4.000 Tonnen im Jahr 2009.
Zunächst dürfte der Silberpreis aufgrund der Flucht in wertstabile Anlagen gut unterstützt bleiben. Allerdings besteht nach dem starken, maßgeblich von Finanzanlegern getrieben Preisanstieg Rückschlagspotenzial. Dies kann im schwankungsanfälligen Silbermarkt zu einem Preisrückgang führen, welcher den Silberpreis noch einmal in Richtung 20 USD korrigieren lassen könnte. Langfristig sind die Preisaussichten unverändert positiv. Silber dürfte dabei von seinem hybriden Status als Edelmetall mit ähnlichen Eigenschaften wie Gold und einer hohen industriellen Verwendung profitieren. Bis zum vierten Quartal 2011 wird Silber unseres Erachtens bis auf 28 USD je Feinunze steigen. Bedenkt man, dass das Gold-Silber-Verhältnis in den letzten fünf Jahren im Tief unter 50 gefallen ist, besteht zudem weiteres Aufholpotenzial gegenüber Gold.
Auf einen Blick













© Eugen Weinberg
Senior Commodity Analyst
Quelle: "Rohstoffe kompakt", Commerzbank AG
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