Da müssen die Silber-Shorts durch
28.04.2011 | Clif Droke
Aus Anlegersicht hat Silber alles andere aus dem Rampenlicht verdrängt, als es in den letzten Tagen auf fast 50 $ stieg. Inmitten des ganzen Tumults wurde die Silber-Rally aber auch von gegensätzlichen, wilden Gerüchten begleitet. Man kann sich kaum vorstellen, dass erst vor einer Woche eine Geschichte mit Nachdruck in Umlauf gebracht wurde, derzufolge ein großer Hedgefonds eine "riesige" Wette gegen Silber abgeschlossen hatte. Auch ansonsten redliche Finanzpublikationen hatten diese Geschichte in Umlauf gebracht (und es beschleicht einen das Gefühl, sie wurde von spekulativen Interessengruppen gesät).
Auch in früheren Kommentaren hatten wir Folgendes erwähnt: Immer wenn extrem bärische Nachrichten in der Finanzpresse im Umlauf gebracht werden, setzt sich meist eine gegenteilige Entwicklung durch. In etablierten Bullenmärkten (wie auch im Silber-Bullenmarkt) sind wie auch immer geartete Verkaufsaktionen aufgrund von Gerüchten gefährlich, da der allgemeine Trend nach oben zeigt; starker Zuwachs auf der Short-Seite kann explosive Rallies nach sich ziehen, sollten sich alle gleichzeitig entscheiden, im Markt auf die Short-Seite zu wechseln. Und das ist offenbar letzte Woche passiert.
Es folgt ein Zitat aus jener Story, die letzte Woche in der Finanzpresse zirkulierte:
"Mit der Etablierung einer Put-Verkaufsoption für den iShares Silver Trust (SLV) [11.April] im Umfang von einer Millionen Anteilen mit Preisziel 25 $ für Juli wurde eine riesige Wette gegen Silber gestartet. Diese Spekulativposition war das größte Optionsgeschäft, das zu dieser Zeit an den US-Börsen abgewickelt wurde; die Position wurde etabliert, als Silber die "31-Jahre-Hochwassermarke" von fast 42 $ pro Unze berührte. Der (bislang) noch nicht festgestellte Käufer der besagten Puts rechnet also damit, dass Silber im besagten Zeitrahmen um 37% sinken wird. Die Verkäufe dürften zudem die Meinung der UBS [11. April] noch verstärken, welche verlauten ließ, Silberkäufe wären aktuell nur etwas für mutige Investoren."
Die Tatsache, dass verschiedene Finanzpressedienste diese Aussagen für wahr hielten und diese Informationen mit grusligen Überschriften versehen in Umlauf brachten, half mit Sicherheit dabei, dass sich am Silbermarkt eine bärische Neigung unter den Kleininvestoren durchsetzte. Und dies hat zweifellos auch dazu beigetragen, dass viele von ihnen das letzte Hemd verloren.

Selbst die ansonsten so nüchternen Markttechniker, die für bekannte Finanzblogs schreiben, schienen dem bärischen Gerücht letzte Woche auf den Leim zu gehen. Ein Autor, der für die bekannte Webseite "Seeking Alpha" schreibt, erwartete für Silber eine Korrektur um 20%. Seine Prognose gründete auf der Tatsache, dass sich der Silberpreis extrem weit von seinem 200-Tage-Durchschnitt entfernt habe. Auch hier gilt wieder folgende Lektion: Es ist extrem gefährlich, einen etablierten Aufwärtstrend aufgrund dürftiger markttechnischer Indikatoren zu shorten. Solange es keinen wirklich zwingenden (und hoffentlich nicht öffentlich propagierten) Grund dafür gibt, ist die beste Strategie, von Leerverkäufen in einem Bullenmarkt abzusehen.
Jetzt, da das offenbar falsche Gerücht durch die große Silber-Rally diskreditiert wurde, versuchten die Leerverkäufer, schnellstens ihre Positionen glattzustellen, und die betretene Finanzpresse suchte verzweifelt nach "Gründen", mit denen sich die jüngsten Marktentwicklungen erklären ließen. Besonders ärgerlich ist nun, dass dieselbe Publikation, die schon das Märchen vom Hedgefondsmanager als großen Silberverkäufer in Umlauf brachte, jetzt auch noch eine neue Story unter der folgender Überschrift veröffentlichte: "Silber schießt über 46,25 $/ oz, da sich Gerüchte über einen Short-Squeeze und Marktbeeinflussung erhärten". Anscheinend hat diese Publikation ein irreführendes Gerücht durch ein anderes ersetzt. Und die Moral von dieser Geschicht’: Keinem Gerücht in den Schlagzeilen sollte Glauben geschenkt werden, solange dieses Gerücht nicht schlüssig bewiesen werden kann.
Wenden wir uns jetzt dem Energiemarkt zu. Dieses Thema wird uns alle in den nächsten Wochen und Monaten betreffen. Auch wenn der Rohölpreis weiter steigt und der wichtige Benzinpreis auf die Marke von 4 $ pro Gallone (rund 3,8 Liter) zustrebt, so werden diese Entwicklungen von Mainstream-Presse nach wie vor mit einem Achselzucken und dem Hinweis auf die "Nachfrage aus China" abgetan. Wie bei allen anderen großen Themen ist auch das nur ein kleiner Ausschnitt des Big Pictures. Ein großer Teil des Preisanstiegs beim Rohöl kann darauf zurückgeführt werden, dass die Federal Reserve darauf besteht, die US-Wirtschaft durch ihr quantitatives Lockerungsprogramm (QE 2) quasi weiter auf der Intensivstation zu halten. Viele Ökonomen glauben, dass diese extreme Maßnahme nicht mehr so notwendig ist, wie noch in den frühen Erholungsphasen nach der Kreditkrise.
Immer mehr Analysten gehen zudem davon aus, dass die dank der Fed ins System geschleuste Überschussliquidität ihren Weg in die Rohstoffmärkte findet. Rohöl ist ein bevorzugtes spekulatives Medium der marktbewegenden Hedgefonds und institutionellen Trader; und das letzte Mal, als spekulatives Kapital in die Ölmärkte geschleust wurde, entstand hier eine massive Bubble, deren Platzen mit der schlimmsten Finanzkrise seit der Großen Depression einherging. Die Rally der Ölpreise verläuft diesmal sukzessiver, aber sie baut dennoch langsam Druck auf.
Der folgende Chart für Brent-Rohöl müsste jeden ernsthaften Chart-Leser erschaudern lassen. Aktuell befindet es sich in den frühen Phasen einer Entwicklung, die als potentielle parabolische Explosion klassifiziert werden kann. Wie man sehen kann, wird der Rohölpreis bald 130 $/ Barrel erreichen, und man braucht nicht viel Fantasie, um zu erkennen, dass ein erneuter Test des letzten Allzeithochs bei 145$/ Barrel in nicht mehr allzu weiter Ferne liegen könnte.

Zudem wird jetzt offensichtlich, dass die Tankstellenpreise für Benzin gegen Sommer wieder ihr letztes Allzeithoch (markiert im Sommer 2008) erreichen werden - wenn sie es nicht sogar übersteigen. Und natürlich bedeuten steigende Öl- und Benzinpreise auch steigende Produzentenkosten, was wiederum insgesamt steigende Preise für viele Güter und Dienstleistungen bedeutet. Damals war die Wirtschaft viel stärker, und es ist es fraglich, welche Preissteigerungen die Konsumenten heutzutage noch aufnehmen können. Die Ironie ist nun, dass die Fed am Ende wohl eben jene Erholung torpedieren wird, deren Entstehung sie erst durch ihre laxe Geldpolitik befördert hatte.

Die Reaktion der Gold- und Silberpreise könnte zunächst zwei Wege gehen: Einerseits könnten sich wahrscheinlich Resteffekte der laxen Fed-Geldpolitik bemerkbar machen - und in der Tat sehen wir diese gerade auch. Die aktuelle Rally der Edelmetallpreise ist weniger ein Maß der Angst und Unsicherheit als ein Maß spekulativer Interessen, die von Momentum-Tradern ausgehen.
Der zweite (und wichtigere) Weg, wie Gold und Silber auf die aufkeimende Ölpreiskrise reagieren können: Sobald den Marktteilnehmern voll und ganz bewusst wird, dass die wirtschaftliche Erholung durch steigende Ölpreise unterminiert wird, werden sie sich auf die Suche nach einem Sicheren Hafen begeben. Gold wird ihnen dabei natürlich als erstes in den Sinn kommen.
Auch wenn Gold keinesfalls immun gegen Paniken ist (was wir Ende 2008 beobachten konnten), so wird seine relative Sicherheit immer wieder erkannt, wenn sich rationale Gedanken nach extremen Krisenphasen schließlich wieder durchsetzen. Und das ist auch ein Grund, warum Gold in den letzten Jahren besser abschnitt als Aktien.
Wir treten in die finale "Hard-Down-Phase" des deflationären Langwellenzyklus ein. Und hier sollte Gold als ultimative Absicherung gegen deflationäre Verwüstungen zu voller Form auflaufen. Und auch wenn ein galoppierender Ölpreis auf den ersten Blick inflationär scheinen mag, so ist er in Wirklichkeit deflationär in seinen längerfristigen Konsequenzen, denn er wird zu sinkender Nachfrage und zu sinkendem Verbrauch führen - und letztendlich auch zu sinkenden Ölpreisen (der Preis kuriert den Preis).
© Clif Droke
www.clifdroke.com
Dieser Artikel wurde am 22.04.11 auf www.safehaven.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.