GoldSeiten.de - Gold & Silber, Münzen und Barren sowie Minengesellschaften

Erst Angst, dann Wut

12.05.2011  |  Theodore Butler

Es folgt ein Auszug aus Ted Butlers Wochenrückblick vom 7. Mai 2011.

Der historische Preisverfall dieser Woche hat für starke Emotionen gesorgt. Zuschauen zu müssen, wie viel Vermögen verschwindet - buchstäblich innerhalb von Minuten unter unnormalen, ungeordneten Handelsbedingungen - ist eine Grundangst eines jeden Investors. Schlimmer noch, wenn man offensichtlich keinen legitimen Grund für das "Markt-Gemetzel" erkennen kann. (Wenn Ihnen das keine Angst einjagt, dann kann Sie nichts schrecken.) Das gilt besonders, wenn man ohnehin schon ein schlechtes Gefühl hinsichtlich des Funktionieren des Silbermarktes hatte.

Aber Angst ist eine Emotion, die sich heftig aber eher schnell verbraucht. Ein Mensch kann nicht im Zustand erhöhter Angst vor einer Finanzkatastrophe bleiben, ohne nicht irgendwann doch zu verkaufen oder sich dem neuen Preisniveau mental anzupassen. Dann wird der Zustand, der ursprünglich zur Angst führte, durch eine andere Emotion ersetzt. Wenn nun Hinweise darauf existieren, dass der plötzliche finanzielle Verlust verhindert hätte werden können, weicht die neue Emotion dem Gefühl der Wut. Wut auf die oder das, was den Verlust ausgelöst haben könnte, und diejenigen, die ihn hätten verhindern können. Ich denke, es gibt zwingende Hinweise darauf, wer und was den Silber-Crash verursacht hat und auch darauf, wer ihn hätte verhindern können.

Zuallererst müssen wir festhalten, dass sich hier ein ungewöhnlich intensiver Preistiefschlag ereignet hat. Silber fiel in einer Woche um 30%, der größte Verlust seit 31 Jahren. Die Verluste waren zudem von Rekordwerten im Handelvolumen an der COMEX und im SLV begleitet. Nach jeder objektiven Betrachtungsweise zeugte der Handel von Marktstörungen, was auf wenig echte Liquidität trotz der Rekordvolumina hindeutet. Denn ein großer Teil der Trading-Aktivitäten fand im Rahmen des computerbasierten Hochfrequenzhandels (HFT, high frequency trading) statt, dessen eindeutiges Ziel die Störung der Preisfindung ist.

Es handelt sich dabei um dieselben störenden Trader, die letztes Jahr den Blitz-Crash am Aktienmarkt verursacht hatten. Ich glaube, dass es diese Trader waren, die den Preisverfall letzten Sonntagabend mit einem 6 $-Anschlag innerhalb von 12 Minuten anstießen. Ihr Hauptdaseinsgrund scheint die Verursachung von Preiszusammenbrüchen zu sein.

Warum diese Trader unsere Märkte verschmutzen dürfen, ist mir ein Rätsel. Der überhaupt einzige Nutznießer ihrer Trading-Operationen ist die Börse an sich, die für jeden gehandelten Kontrakt Gebühren einstreicht. Nachdem der Aktienmarkt letztes Jahr abstürzte, wurde der automatisierte HFT-Computerhandel, so glaube ich, aufgrund des Drucks der Aufsichtsbehörden zurückgefahren. Das war gut, aber warum wurden ihnen erlaubt, jetzt auch den Silberhandel mit ihren Störpraktiken zu infizieren? Das ist nur eine der Fragen, die sich mir angesichts der dieswöchigen Ereignisse am Silbermarkt stellen; ich werde sie gleich alle zusammen auflisten. Aber zuvor möchte ich noch etwas anderes loswerden.

Das, was diese Woche am Silbermarkt passierte, hat mich aus einem ganz speziellen Grund erschüttert. Ich kann nicht behaupten, dass diese jüngste, eklatante Marktpreisdrückung für einen manipulierten Markt (den ich nun schon seit 25 Jahren beklage) so abwegig wäre. Und eigentlich brauchen wir auch keine weiteren Beweise dafür, dass der Silbermarkt manipuliert wurde; doch dieses vorsätzliche Preisscharmützel liefert massenhaft Beweise. Zugegebenmaßen habe ich einen anderen Blick auf Silber als die meisten Leute, aber in dieser Woche passierte wirklich etwas Spezielles.

Und der spezielle Grund, warum ich dieses Mal besonders erschüttert bin, ist Folgender: Es ist der erste Silberpreisanschlag für das Buch der Rekorde, der sich während der Amtszeit des CFTC-Chairmans Gensler ereignete. Auch seit Genslers Bestätigung im Amt im Mait 2009 hatte es immer einmal Verluste in Höhe von mehreren Dollars gegeben, aber die Preisdrückung während der vergangen Woche war die erste Mega-Abwärtsbewegung seit Beginn seiner Amtszeit, und deswegen ist es auch so speziell für mich.





Wie Sie wissen, habe ich Gensler auf’s Podest gehoben und ihn wiederholt als den besten Chairman in der Geschichte der CFTC bezeichnet. Angesichts der Erfahrungen, die ich mit dieser Behörde in der Vergangenheit gemacht hatte, staune ich immer noch über meine eigene Wandlung. Ich denke, er hat mehr als jeder andere für die Reformierung der gesetzlichen Bestimmungen im Rohstoffsektor getan, einschließlich seines fleißigen, aber sehr stillen Wirkens zur Beendigung der Silbermanipulation.

Wie man vielleicht auch wissen wird, geriet ich wegen meiner Einstellung gegenüber Gensler allgemein in Kritik. Ich habe diese Kritik respektiert und zur Reflexion benutzt und an ihr meinen ununterbrochenen Glauben an den Chairman getestet. Was diese Woche beim Silber passierte, stellt für mich aber einen Wendepunkt dar. Ich hege immer noch einen tiefen Glauben an Genslers Charakter und Absicht, dennoch ist es wichtig, zu beurteilen, wie er und die Kommission auf den aktuellen Einbruch der Preise reagieren.

Gensler persönlich wird mir sicherlich nicht antworten, aber er steht der Öffentlichkeit, der er zu dienen und die er zu schützen geschworen hat, Rede und Antwort. Die Öffentlichkeit war, was Silber betrifft, diese Woche nicht geschützt. Ich glaube nicht, dass er irgendwelche Vorabinformationen darüber hatte, was diese Woche beim Silber passieren würde, er ist jedoch zu schlau, um die Bedeutung des Silberpreiseinbruchs und die verursachenden Umstände zu verkennen. Die Art und Weise, wie er jetzt auf diesen ersten echten Fall eklatanten Betrugs und unverhohlener Manipulation reagiert, wird der entscheidende Test für ihn sein. Ich hoffe natürlich, dass seine Reaktion eine andere sein wird, als die typischen CFTC-Reaktionen bevor er ins Amt kam. Also wie die drei Affen, die nichts sehen, hören und nichts sagen.

Gensler ist sich voll und ganz im Klaren, dass es in den letzten Jahren zum Thema Silber mehr öffentliche Beschwerden, Kommentare und behördliche Untersuchungen gegeben hat als zu irgendeinem anderen Thema in der Geschichte der Behörde. Die Öffentlichkeit hat alles von der Behörde Gewollte und Erforderliche getan, um sich zum Thema Silber korrekt öffentlich zu äußern. Alles in allem erreichten die Kommission zehntausende öffentliche und private Kommentare zum Thema Silber - von Positionsobergrenzen bis hin zu Verweisen auf ganz spezifischen Missbrauch im Handel.

Auch wenn ich annehme, dass hinter den Kulissen Fortschritte gemacht wurden, so ist dieser Fortschritt nicht für die Öffentlichkeit ersichtlich. Wir haben hier einen Fall, in dem sich die Öffentlichkeit wohl gar nicht ausdrücklicher und bestimmter zu Fehlverhalten im Silbersektor gegenüber den vorrangig zuständigen Aufsichtsbehörden hätte äußern können, und dann muss sie Zeuge der ungeheuerlichsten Preisdrückung der Geschichte werden,

Silberinvestoren sind keine Bürger zweiter Klasse, und dennoch werden sie als solche behandelt. Im Allgemeinen gehören sie zu den gottesfürchtigsten, familienorientiertesten, am härtesten arbeitenden, gesetzestreusten, produktivsten und patriotischsten Mitgliedern der Gesellschaft. Chairman Gensler und die Kommission wissen das aus den Dokumenten, die ihnen die Silberinvestoren regelmäßig zuschicken. Warum soll den Silberinvestoren dann aber nicht derselbe Schutz von Gesetzes wegen geboten werden, dessen Befolgung und Durchsetzung die Kommission gelobt hat? Gibt es bei der "Gerechtigkeit für alle" irgendetwas, das diejenigen, die in Silber investieren geben, ausschließt?

Wäre das, was diese Woche am Silbermarkt passierte, am Aktienmarkt passiert oder am Markt für Mais, lebend Rind oder an irgendeinem anderen Markt, dann hätte es seitens des Kongress und der CFTC nonstop Untersuchungen und Debatten gegeben. Silberinvestoren werden stattdessen mit einem Nonstop-Propagandaschwall konfrontiert, der nahelegt, man muss wohl ein Idiot gewesen sein, Silber überhaupt in Betracht zu ziehen.

Ich will ganz direkt und spezifisch sein. Hier sind die Fragen, denen sich Gensler stellen muss und die er anzugehen hat.

1.) Die Preisdrückung am Sonntagabend, 6 $ innerhalb von 12 Minuten, bei anfänglich schwachem Globex-Volumen zielte eindeutig darauf ab, den Silberpreis auf eine steile Talfahrt zu schicken. So etwas habe ich noch nie zuvor erlebt. Es gab keine fundamentalen Entwicklungen beim Silber, die dies gerechtfertigt hätten. Deswegen handelt es sich nicht um echte Preisfindung, sondern um Preisbestimmung und Manipulation. Welche Stellung bezieht die Kommission in dieser Angelegenheit?

2.) Die Serie von Margin-Erhöhungen durch die CME Group steigerte zusätzlich den Druck auf einen Markt, der ohnehin schon abwärts rollte. Die Erhöhungen der Margins beweisen im besten Fall, dass diese zuvor beim Silber zu niedrig angesetzt waren, dass die CME inkompetent und nachlässig bei der Festlegung der Margins war und dass man ihr diese Befugnis entziehen sollte. Im schlimmsten Fall beweisen sie, dass die CME die Erhöhung der Silber-Margins zeitlich so legte, dass sie ihren wichtigsten Mitgliedern bei der Verursachung des Silber-Crashs tatkräftig zur Seite stehen konnte.

Anders ausgedrückt: Bei steigenden Preisen weigerte sich die CME, die Margin-Sätze zu erhöhen, da damit den Insider-Shorts Schaden entstanden wäre, und sie warteten, bis die Preise sanken, um den Longs zu schaden und die Shorts zu belohnen. Ich kann nun aus Erfahrung sagen, dass man die CME am besten als kriminelles Unternehmen betrachtet. Welche Meinung hat die Kommission in dieser Angelegenheit?





3.) Das beim Handelsvolumen erreichte Rekordhoch und der 30%ige Preiseinbruch deuten an, dass kaum echte Liquidität beteiligt war. Das liegt am unverhältnismäßigen Anteil der HFT-Computerroutinen am Gesamthandel. Warum durften diese Trader am Handel teilnehmen und warum dürfen sie einen so großen Anteil des Silberhandels kontrollieren?

4) In den Medien und anderen Kommentaren wurde viel darüber geredet, dass sich Silber in einer Bubble befände, die aufgrund der stark gehebelten spekulativen Käufe platzen werde und geplatzt wäre. Diese Geschichte wurde so oft wiederholt, dass sie jetzt als wahr akzeptiert wird. Doch die eigenen Daten der CFTC in den COT-Berichten zeigen, dass es vor dem Crash der Silber-Futures zu keinen derartigen Spekulativkäufen gekommen war. Den gesetzlichen Bestimmungen zum Rohstoffsektor zufolge ist das Verbreiten falscher Marktinformationen illegal und Gesetzesbruch. Warum lässt die CFTC zu, dass diese falschen Marktinformationen ungehindert verbreitet werden? Indem sie schweigt und nicht klar Stellung bezieht, macht sich die Kommission selbst des Rechtsbruchs schuldig.

5.) Auch wenn dies außerhalb des direkten Zuständigkeitsbereichs der Kommission liegt, weiß sie von den Anschuldigungen, dass der Leerverkauf von Anteilen im großen Silber-ETF, SLV, manipulative Auswirkungen auf den Silberpreis gehabt hat. Welche Meinung hat die CFTC zu diesem Thema? Und hat die Behörde diese Angelegenheit an die SEC weitergeleitet oder mit BlackRock, dem Sponsor des Trusts, besprochen?

Seitdem die Kommission das letzte Mal Ungesetzmäßigkeiten im Silbermarkt dementiert hatte (Mai 2008), veröffentlichte sie als Behörde keine weiteren Details. Stattdessen brachte sie im September 2008 neue Untersuchungen im Silbersektor in Gang, bisher hat sie jedoch wenig über die Ergebnisse dieser laufenden Untersuchung verlauten lassen. Ich bin der Meinung, dass die Dementis bezüglich einer Silbermanipulation aufhörten, weil Gary Gensler vor zwei Jahren das Amt übernahm. Von diesem Tag an hat er die Dinge gesagt und getan, die folgerichtig für die Beendigung der Silbermanipulation waren. Deswegen haben ich öffentlich (wie auch privat) meine Bewunderung und meinen Respekt für ihn zum Ausdruckt gebracht.

Doch der Preisschlag dieser Woche bringt uns beim Silber an einen entscheidenden Punkt. Nein, ich mache mir langfristig betrachtet keine Sorgen um den Silberpreis, da die tatsächlichen Angebot- und Nachfragefaktoren stärker sind als jede Manipulation. Ich mache mir aber Sorgen um die Prinzipien der Marktintegrität und die Geltung der Rechtgrundsätze. Das, was in der vergangenen Woche passierte, ist dahingehend das Allerschlimmste. Die Öffentlichkeit hat die Kommission ohne Ende vor Unrechtmäßigkeiten gewarnt, letztendlich muss sie jedoch beobachten, dass Unrechtmäßigkeiten völlig unverhohlen erneut geschehen. Es gibt durchaus berechtigte Fragen zu den aktuellen Entwicklungen, derart, wie ich sie oben aufgelistet habe.

Ich glaube, ich kann die Schwere der Aufgabe, mit der Gensler beim Silber konfrontiert ist, verstehen. Aber an der Schwere der Aufgabe zeigt sich der wahre Charakter eines Mannes oder einer Frau. Die Behebung einfacher Probleme und die Beantwortung einfacher Fragen ist nicht der Weg zur Größe. Ohne Mühe und Fleiß, kein Preis.

Wäre es in der letzten Woche nicht zu jenem historischen und vorsätzlichen Silberpreis-Crash gekommen, so wäre es zulässig gewesen, der Behörde die nötige Zeit zur Auflösung der Manipulation zu geben. Schweigen seitens der Kommission wäre aber jetzt für uns alle herabwürdigend. Es ist Zeit, dass Gensler zum Thema Silber und der Ereignisse der letzten Woche Klartext redet. Und für uns alle zusammen hoffe ich, dass er das macht.


© Theodore Butler



(Diese Abhandlung wurde vom Silberanalysten Theodore Butler, einem unabhängigen Berater, verfasst. Investment Rarities teilt seine Ansichten nicht notwendigerweise, diese können sich als richtig oder falsch herausstellen.) Exklusiv übersetzt für GoldSeiten.de. Das Original wurde am 08.05.2011 auf der Website http://news.silverseek.com veröffentlicht.

Informationen zum Abonnement finden Sie unter www.butlerresearch.com.


Open in new window