GoldSeiten.de - Gold & Silber, Münzen und Barren sowie Minengesellschaften

Interview mit Asienexperte: Asiatische Märkte und kommende Deflation in China (1/2)

18.02.2014  |  Presse anonym

Vorstellung: Jeff Tang ist Gründungspartner der ACF Capital Advisory LLC in Boston, deren Spezialgebiet die asiatischen Ökonomien und Märkte sind. Jeff arbeitete zuvor sechs Jahre bei “Clough Capital“ als Manager des Long/Short-Aktienportfolios für Asien; davor arbeitete er als Analyst für asiatische Aktien bei Evergreen Investment. Jeff Tang machte einen MBA an der Booth School of Business/ University of Chicago und einen Bachelor of Science an der Peking University in China. Jeff Tang ist erreichbar unter jytang001@yahoo.com und auf LinkedIn.


Daily Bell: Danke, dass Sie heute hier sein können. Sie sind Investment-Spezialist für Asien und China, also werden sich unsere Fragen auf diesen Bereich konzentrieren. Aber geben Sie uns doch bitte zuerst einen Überblick. Was passiert gerade in Asien? Die Schwellenmärkte hat es hart getroffen. Waren solche Entwicklungen absehbar?

Jeffrey Tang: Asien, und im Allgemeinen die ganze Welt, werden davon beeinflusst, was in China und den USA passiert. Das Wachstum Chinas hat seinen Höhepunkt erreicht. Auch wenn geringeres Wachstum in China jetzt schon Konsens zu sein scheint, so wird das potentielle Ausmaß und die Dauer unterbewertet. Die Nachfrage nach Rohstoffen - jenseits von Nahrungsmitteln und Energie - hat ihren Spitzenstand erreicht und wird nun sinken. Alle die nach China exportieren, werden darunter zu leiden haben, vor allem die, die Kapazitäten über Kredithebel aufgebaut haben. Indonesien, Australien und Brasilen werden also eine lange Zeit zu leiden haben.

Andere Nationen, die sich aufgrund der niedrigen US $-Kosten mit Krediten übernommen haben, werden ebenfalls zu leiden haben - dieser Prozess wird aber davon anhängen, wohin die Fed den Dollar steuern möchte. Wenn wir also davon ausgehen, dass der Dollar-Kredit-Zyklus seinen Höhepunkt erreicht hat, dann werden Länder wie Indien und Vietnam wieder zurück in ihren natürlichen Status versetzt: niedriges, einstelliges Wachstum, nachdem die Kreditbilanzen ausgeglichen wurden; und die Exportsektoren in Taiwan, Japan und Korea werden Geld durch ihre aufgebauten Überschusskapazitäten verlieren.

In den letzten zwei Jahrzehnten gründete das Wachstum in China auf zwei Sektoren. In der ersten Hälfte der letzten Dekade war die Wirtschaft exportgesteuert. Die Finanzschmelze 2007 in den USA leitete das Ende der Auslandsnachfrage ein. Zu all dem kommen noch die schnell steigenden Lohnkosten, so lagen die Lohnstückkosten in China 3,9% über den südkoreanischen Lohnstückkosten und 5,4% unter den japanischen; das sind die Angaben der Weltbank aus dem Jahr 2010, die aktuellen Zahlen dürften schon deutlich höher liegen. Diese beiden Entwicklungen stellen einen schweren Nachteil für Chinas Exportgeschäft dar (und man wundert sich woher all dieses Exportwachstum kommt).

Seit der zweiten Hälfte der letzten Dekade stammt das Wachstum jetzt aus dem Infrastrukturaufbau und der Immobilienentwicklung - Bereiche, die ebenfalls Stresssignale senden. Mit so hohen Lohnstückkosten lässt sich nur schwer Einkommenswachstum erreichen. Wenn dann noch die Immobilienpreise zu sinken beginnen, wird der Negativ-Vermögenseffekt letztendlich die zusätzlichen Konsumausgaben hart treffen, so wie wir es schon in Japan erlebt hatten. Der so häufig erwähnte Binnenkonsum wird also auch keine Hilfe sein. Das wird nicht schön werden.

Japan, als der Vorreiter für Finanzexperimente des monetaristischen/ keynesianischen Models, ist jetzt am Ende des Wegs angekommen. Abe hat sich nicht freiwillig für Abenomics entschieden; Abenomics ist die unausweichliche Konsequenz jahrzehntelanger Geldpolitik. Das Model der Defizitfinanzierung hat einen Punkt erreicht, an dem keine Ersparnisse mehr existieren, um weitere Staatsschulden ankaufen zu können. Jetzt ist die Bank of Japan der Käufer der letzten Instanz.


Daily Bell: Geben Sie uns einen Einblick in die kleineren asiatischen Märkte wie Kambodscha, Thailand und Vietnam. Würde Sie in diese Märkte investieren - privat oder öffentlich?

Jeffrey Tang: Kambodscha ist ein Protektorat Chinas. Das ist schon seit hunderten Jahren so. Wenn Chinas Wirtschaft gesund ist, ist Kambodscha kein schlechter Ort für Investitionen. Wer kein China-Optimist ist, sollte die Finger von Kambodscha lassen.

Thailand ist als Nation hin- und hergerissen zwischen der traditioneller Elite und der Koalition aus Bauern und Kapitalisten. Die Elite möchte vorrangig ihren Status erhalten, die Kapitalisten wollen aber einen größeren Anteil am ökonomischen Kuchen - und das mit Hilfe der unterprivilegierten Landarbeiter. Das ist seit Langem so und wird sich wohl erst dann ändern, wenn eine Seite dominante Macht erreicht. Das Ende ist vorherbestimmt, auch wenn der Weg dorthin viele Biegen und Wendungen haben kann. Hier spielen Geschichte und geopolitische Kämpfe eine Rolle. Wichtig ist, den Gewinner für sich zu bestimmen und dahingehend zu investieren. Aktuell sollte man aber die Finger von Bangkok lassen.

Vietnam profitierte vom US-Kreditwachstum wie auch vom chinesischen Rohstoff-Boom. Nordvietnam liefert Rohstoffe an China. Südvietnam hat enge Verbindungen zur USA. Man kann sich hier also auf den “perfekten Sturm” gefasst machen, wenn der Wind dreht. Auf lange Sicht betrachtet ist Thailand im Allgemeinen aber ein guter Ort.


Daily Bell: Haben Sie eine Meinung zu Indien?

Jeffrey Tang: Indien ist ein hoffnungsloser Fall von einem Schwellenlanddesaster, praktisch eine Wiederholung der Asienkrise Anfang der 90er. Es ist ein Land ohne Infrastruktur, einer unterdurchschnittlich gebildeten Bevölkerung, eine tiefverwurzelten Bürokratie, einer Wirtschaft, die von einer kleineren Anzahl von Gruppen kontrolliert wird, ein Haushaltsdefizit von 10%, ein Handelsdefizit von 5%, Abhängigkeit von Ausland hinsichtlich Öl, Kohle, ein Land mit himmelhohen Immobilienpreisen, verbaut und mit einem überaus verwöhnten Verbraucherverhalten. Das ist ein Mix aus den schlimmsten Faktoren, die vor der Asien-Finanzkrise in Indonesien, Südkorea und Thailand zu beobachten waren.





Hinzu kommt dann noch eine Landwirtschaft, die abhängig von staatlichen Subventionen ist, ein IT-Dienstleistungsexportsektor, der abhängig vom US-Finanzdienstleistungssektor ist und dann noch die zehnfache Bevölkerung von Thailand und Südkorea zusammen. Die Landeswährung spiegelt zugegebenermaßen schon einige dieser negativen Aspekte wieder. Aber warten Sie nur die nächste Ölpreisbewegung. Faustregel ist: Geht der Ölpreis über 100 $, und bleibt dort eine Weile, dann beginnt hier die Krise.


Daily Bell: Können die kleineren asiatischen Länder vielleicht ein Mehr an Marktfreiheit bieten? Ist das ein Trend?

Jeffrey Tang: Kleinere Länder wie Singapur, Indonesien und die Philippinen bewegen sich sicherlich auf freiere Märkte zu, im Vergleich zur eigenen Vergangenheit. Mit demokratisch gewählten Regierungen ist das auch unvermeidlich, bislang zumindest. Man könnte es einen Trend nennen.


Daily Bell: Gibt es aktuell so etwas wie einen regionalen “Asien-Markt"? Gibt es Pläne für ein Art asiatischen Markt, ähnlich der EU?

Jeffrey Tang: Ja und nein. Geographische Nähe macht einen gemeinsamen regionalen Markt eigentlich unvermeidlich. Dieser wird aber nicht wie die EU aussehen. In der EU gibt es drei große Mächte, und somit gab es Verhandlungen und Kompromisse. In Asien dominiert aber eine Macht, oder wird dominieren. Aufgrund der US-Präsenz können kleine Länder auch mal aufbegehren. Aber wenn der US-Einfluss schrittweise abnimmt, wird in Asien nur noch eine Stimme übrigbleiben - d.h. die Chinas. Es wird viel weniger chaotisch zugehen als in Europa.


Daily Bell: Wir haben derzeit militärische Spannungen in Asien. Haben die kleineren asiatischen Länder und deren Führungen Angst vor China?

Jeffrey Tang: Die militärischen Spannungen werden von der Presse wahrscheinlich etwas übertrieben. China wird sich nicht an einem offenen Konflikt beteiligen, solange es nicht unbesiegbar ist. Japan ist kein unabhängiger Staat, nicht wirklich. Was die Führungen der kleineren Länder verängstigt, ist die Zwangsläufigkeit mit der China zur dominanten Kraft in ganz Asien wird.


Daily Bell: Was ist mit Nordkorea? Wird sich das Land öffnen oder werden wir weiterhin Autoritarismus sehen?

Jeffrey Tang: Nordkorea wird sich höchstwahrscheinlich nicht friedlich öffnen. Jene Fraktion mit Verbindungen nach China und zum eigenen Volk wurde kürzlich erst brutal exekutiert. Kein Hinweis auf Veränderungen also.


Daily Bell: Ist China besorgt wegen Nordkorea und sein neues Regime?

Jeffrey Tang: China scheint erzürnt über die jüngsten Ereignisse in Nordkorea, wegen der exekutierten Gruppe Chinafreundlicher. Trotzdem ist Nordkorea ein kleines Land mit einer Bevölkerung von 20 Millionen. Das ist keine große Angelegenheit für China, nur eine Unannehmlichkeit. Auch wenn Nordkorea über Nacht zusammenbräche - was jeden Morgen, wenn wir aufstehen, schon passiert sein könnte - so würde das das Leben in China völlig unberührt lassen.


Daily Bell: Was wird das Endergebnis sein? Wird sich Nordkorea letztendlich dem anpassen, was die Führung des kommunistischen Chinas wünscht?

Jeffrey Tang: Auf kurze Sicht wird das Endergebnis vielleicht dasselbe wie zuvor sein - der junge Führer Kim wird letztendlich erkennen, dass er sich keine offene Konfrontation mit der Hand, die ihn füttert, leisten kann, und folglich einsehen, dass er sich mit China versöhnen muss. Chinas Interesse an Nordkorea liegt darin, dass es China nicht unter die Augen kommt. Und das ist sicherlich machbar.


Daily Bell: Wie steht es mit den kommunistischen Kräften Chinas? Werden die auf absehbare Zeit noch an der Macht bleiben?

Jeffrey Tang: Haha. Das ist eine heikle Frage. Es gibt keine Hinweise darauf, dass die Führung der Kommunistischen Partei in Frage gestellt wird.


Daily Bell: Ist China ein in sich geschlossenes Land oder besteht es aus unterschiedlichen Machtbereichen, die von ihren eigenen Zentren aus regiert werden?

Jeffrey Tang: Historisch betrachtet, ist China ein sehr in sich geschlossenes Land. Peking kontrolliert das Militär, die Geldschöpfung und die Medien. Es ist kaum vorstellbar, dass es neben Peking noch irgendeine Macht geben könnte, die über die grundlegenden Elemente der Massenkontrolle verfügen würde.


Daily Bell: Wir sind der Ansicht, dass die Top-Entscheidungsträger Chinas mit europäischen und US-amerikanischen Bankenmächten eng zusammenarbeiten. Wahr oder falsch?

Jeffrey Tang: Schauen Sie sich nur das Papiervermögen an, dass China angesammelt hat. Das ist der Knackpunkt.


Daily Bell: Wenn es auf finanzieller Ebene weitreichende Kooperation gibt, heißt das nicht auch, dass die militärischen Spannungen übertrieben dargestellt werden?

Jeffrey Tang: In Asien gibt es keine wirklichen militärischen Spannungen.





Daily Bell: Vor Kurzem schrieb die BBC Folgendes: “In Europa sind die Grenzverläufe geregelt. Nicht so in Asien. Drohend zeigt China zeigt seine wachsende Seemacht. In Japan wird überlegt, wie darauf zu antworten ist." Was halten Sie davon? Wie werden sich diese Spannungen in Zukunft weiterentwickeln?

Jeffrey Tang: Je länger es Thema bleibt, desto besser für die Führungen auf beiden Seiten. Echte Maßnahmen würden aber den Zweck verfehlen. Also wird das Thema immer mal wieder auftauchen, aber ohne wirkliche Folgen.


Daily Bell: Der japanische Premierminister Shinzo Abe zeigt sich entschlossen, die militärischen Spannungen voranzutreiben, um den japanischen Nationalstolz anzustacheln. Nach allem, was wir hier sehen, ist er zudem noch eine Art Hyper-Keynesianer, der sich für ein aggressives Gelddruckprogramm entschieden hat. Wer steht hinter Abe? Sind seine politischen Entscheidungen abgestimmt? Ist die monetäre Expansion auch mit einer militärischen verknüpft? Es scheint wie eine Nachahmung der schlimmsten Aspekte westlicher Makroökonomie. Was sagen Sie dazu?

Jeffrey Tang: In der japanischen Öffentlichkeit sinkt Abes Popularität, was die nationalen Angelegenheiten angeht, also benutzt er Japans Auslandbeziehungen zur Ablenkung. Das würde wahrscheinlich auch jeder andere japanische Führer in der aktuellen Situation machen, nicht nur Abe. Japans Wirtschaft ist von einer eher kleinen Anzahl von Industriegruppen dominiert. Die politischen und ökonomischen Entscheidungen und Strategien sind so ausgerichtet, dass sie im Interesse dieser Gruppen sind. Ob nun koordiniert oder nicht, die Druckerpresse ist und bleibt der Weg des geringsten Widerstands, solange, bis sie es nicht mehr ist. Jetzt ist noch nicht der Moment, an dem “NEIN“ gesagt wird (noch steigen die Renditen für japanische Staatsanleihen nicht steil an).


Daily Bell: Wird Abes Politik funktionieren? Wird sie von den Japanern getragen werden? Was hat das für Japan und seine industrielle Macht zu bedeuten?

Jeffrey Tang: Seit dem Platzen der Immobilien/ Kredit-Bubble Anfang der 90er ist Japan zu einer Politik der Defizitfinanzierung übergegangen, um die Privatsektorkredite auf die staatlichen Bilanzen zu verlagern. Mit dieser Politik wurde eine Erhaltung der allgemeinen Kreditmenge erreicht, und das Problem verschleiert. Der breiten Bevölkerung wurde Glauben gemacht, dass die Probleme zumindest beherrschbar seien und dass es so weiter gehen könne.

Die negative Konsequenz ist die Verschwendung von Ersparnissen in Form von Staatsausgaben. Mit einer Schuldenstandsquote von 200% und schrumpfenden Sparkapitalmengen kann dieses Spiel jetzt nicht mehr weitergehen. Abe hat keine andere Wahl, als die Haushaltsdefizite zu monetisieren und den Menschen gleichzeitig vorzugaukeln, dass hier aktive Politik zur Belebung der Wirtschaft betrieben wird. Das wird die Vermögenspreise in die Höhe treiben und somit auch die staatlichen Einnahmen anwachsen lassen, während die Monetisierung fortgesetzt wird. Wenn der Yen sinkt, sinken sicherlich auch die Kosten des Produktionssektors für Exporte. Kurzfristig hat das den positiven Effekt einer Konjunkturbelebung. Wenn QE aber aufhört, wegen sinkender Defizite aufgrund steigender Vermögenspreise, dann verebbt dieser Effekt wieder. Dann fällt die Wirtschaft wieder zurück in die Rezession, und dann erneut - solange, bis der Markt endlich begreift, dass das nicht funktionieren wird und die langfristigen Zinssätze dann kräftig anziehen.


Daily Bell: Wie steht es mit dem Fukushima-Problem in Japan? Wird die Verstrahlung übertrieben dargestellt oder ist dieses Kraftwerk eine schwer zu bewältigende Gefahr?

Jeffrey Tang: Ich war in einem Hotel in Tokio als der Erdbeben ausbrach. Tokyo Electric sagte der Öffentlichkeit immer wieder, der Reaktorkern sei intakt, was sich dann aber als falsch herstellte. Ich wäre also vorsichtig mit den öffentlichen Aussagen Tepcos gegenüber der Presse.


Daily Bell: Welches Verhältnis haben die Japaner aktuell zu ihrer Regierung? Vertrauen sie dem System noch - und dem Aktienmarkt? Es macht zumindest nicht den Eindruck. Die Geburtenrate in Japan ist weiterhin sehr stark rückläufig, als ob sich eine ganze Nation in der Endphase eines Selbstmordes befinden würde. Warum sind die Zustände so schlimm? Was kann helfen?

Jeffrey Tang: So wie ich die Japaner verstehe, misstrauen sie vielleicht ihren Politikern, ihrem System vertrauen sie aber. Die Ruhe, die ich nach dem Erdbeben dort erlebt habe, war so beeindruckend, verglichen mit den Zuständen in New Orleans.

Die Geburtenrate ist nicht nur für die Japaner ein Problem. Dasselbe Phänomen lässt sich auch in Südkorea, Taiwan und China beobachten. Die Mittelklasse hat sich, was das Mehr an Freizeit und Kaufkraft ohne Kinder oder mit weniger Kindern angeht, für einen Weg entschieden, der auf individueller Basis sicher Sinn ergibt, nicht aber mit Blick auf die Gesamtbevölkerung. Alle wollen unbekümmert das Beste mitnehmen. Aus diesem Grund ist auch der Sozialismus gescheitert. Was kann helfen? In diesem Zyklus zumindest nichts.


Daily Bell: Kommen wir zurück zu China. Strebt China auf eine große Krise zu?


© Anthony Wile
www.thedailybell.com



Dieser Artikel wurde am 09.02.2014 auf www.thedailybell.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten.de übersetzt.[/i]