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EU-Gipfel im Fokus! - Der Drahtseilakt setzt sich fort!

30.01.2012  |  Folker Hellmeyer
Der Euro eröffnet heute (07.15 Uhr) bei 1.3170, nachdem im Verlauf der letzten 24 Handelsstunden Höchstkurse im US-Handel bei 1.3234 markiert wurden. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 76.70. In der Folge notiert EUR-JPY bei 101.00, während EUR-CHF bei 1.2060 oszilliert.

Vor dem EU-Gipfel ergeben sich eine Menge positiver Nachrichten aus der Eurozone, die jedoch nicht im wünschenswerten Maße von dem Märkten diskontiert werden.

Österreichs Haushaltsdefizit fällt geringer aus als erwartet. Die Lücke betrage 2011 voraussichtlich 3,3 Prozent des Bruttoinlandprodukts, erklärte das Finanzministerium in Wien am Freitag. Ursprünglich hatte die Regierung mit 3,9 Prozent gerechnet. Das ist doch mal was anderes als in den USA, UK oder Japan und natürlich verdiente das auch die Herabstufung durch S&P … Frankreich kann auch in dieser Sparte punkten. Sarkozy kündigte an, dass das öffentliche Defizit im abgelaufenen Jahr bei 5,4 oder sogar 5,3 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen werde.

Ursprünglich hatte die Regierung 5,7 Prozent prognostiziert. Solche positiveren Entwicklungen als bisher erwartet, verdienen fraglos das Verhalten unserer "Freunde“ in den Ratingagenturen.

Im Hinblick auf die Gesamtkonstellation der Eurozone spielt Deutschland die tragende Rolle. Der deutsche Staat hat im Dezember 2011 mit knapp 71 Milliarden Euro einem Zeitungsbericht zufolge so viel Steuern wie noch nie in einem einzelnen Monat eingenommen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat seien die Steuereinnahmen um 4,1 Prozent gestiegen, berichtete das "Handelsblatt" vorab aus seiner Freitagsausgabe unter Berufung auf das Bundesfinanzministerium. Erstmals hätten die Steuereinnahmen - ohne die gesondert erfassten Gemeindesteuern - die Marke von 70 Milliarden Euro durchbrochen.

Uns ist nicht bekannt, dass weder USA, UK noch Japan mit einer derartigen Reihe positiver fiskalischer Entwicklungen auftrumpfen können. Damit hebt sich die Eurozone faktisch im aktuellen Nachrichtenpotpourri ab. Dabei sollen die kritischen Situationen in den Reformländern nicht kleingeredet werden. Sie sind bezüglich der Reformen, die die Geschäftsmodelle ändern und zunächst Wachstum kosten, jedoch anders einzuwerten.

Die Ratingagentur Fitch hat europäische Länder im Rundumschlag neu und vor allen Dingen negativer bewertet. Nach Standard & Poor's hat Fitch zum Rating-Rundumschlag in der Euro-Zone ausgeholt und gleich fünf Länder schlechter eingestuft. Die Bonitätswächter senkten am Freitagabend die Kreditwürdigkeit von Italien, Spanien, Belgien, Zypern und Slowenien. Der Ausblick für alle Länder ist negativ: Die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Herabstufung in den kommenden zwei Jahren ist demnach hoch.

Die Herabstufung begründete die Agentur mit der Verwundbarkeit der Euro-Länder gegenüber monetären und finanziellen Schocks. Italien, das mit einer Expertenregierung unter Mario Monti gegen eine immense Staatsverschuldung kämpft, wurde um zwei Stufen auf A-minus von A-plus abgesenkt. Die Abstufung wäre noch schärfer ausgefallen, hätte sich die Regierung in Rom nicht derart klar zu einem Abbau des Defizits und Strukturreformen verpflichtet, erklärte Fitch. Hinsichtlich der Einlassung von Fitch, dass Euro-Länder gegenüber finanziellen Schocks verwundbar seien, erlauben wir uns zu sagen, dass das für die gesamte Weitwirtschaft gilt. Das ist auch der Grund, warum der IWF, China und andere Regierungen wesentlicher Länder von der Eurozone und vor allen Dingen von der deutschen Bundesregierung eine tragfähige Solidarität erwarten.

Für Deutschland, dass sich aggressiv unterhalb des Preisniveaus als Folge der Spekulation gegen die europäischen Reformländer refinanzieren kann und damit circa 70 - 80 Mrd. an Zinskosten bisher eingespart hat, ergibt sich aus diesem Geschenk der Reformländer an Deutschland auch eine Verpflichtung.

Der Drahtseilakt in den Verhandlungen zwischen der griechischen Regierung und dem internationalen Bankenverband setzt sich fort. Eine Lösung ist zwar nahe, aber noch nicht nahe genug. Die verstärkten Forderungen der EU und des IWF sind hier aller Voraussicht nach der Bremsklotz.

Von Seiten der europäischen Politik und dem IWF werden derzeit erhöhte Forderungen gestellt. Das gilt auch für den zweiten Rettungsschirm Griechenlands. Nicht mehr 130 Mrd. EUR, sondern 145 Mrd. EUR sollen jetzt notwendig sein.

Wir haben an dieser Stelle immer wieder eingefordert, dass die Lernkurve der globalen Intervention von 2008/2009 zu berücksichtigen ist. Damit ist homogenes Handeln und homogene Verbalakrobatik als auch vor allen Dingen eine Überdimensionierung der Maßnahmen der Cocktail, der Krisen erfolgreich einfängt.

Ergo ist das Ansinnen, etwas größer zu dimensionieren, sachlich vertretbar. Daraus jedoch eine Vieltönigkeit nach dem Muster der letzten beiden Jahre zu forcieren, ist nicht Ziel führend.

Der EU-Gipfel steht heute im Fokus. Der ESM wird um ein Jahr vorgezogen. Der Fiskalpakt wird auf den Weg gebracht. Europa bestellt das Haus. Gleichwohl ist Politik auch unberechenbar. Das haben die letzten 48 Monate zur Genüge bewiesen. Ergo blicken auch wir gespannt auf Brüssel.

Wir konstatieren aber auch, dass sich in Berlin seit November eine veränderte Sicht der Dinge ergeben hat, die anerkannt hat, dass zuvor Fehler gemacht wurden. Eine solche Erkenntnis ist grundsätzlich vielversprechend für eine adäquate Lösungsfindung im aktuellen Prozess.


Wenden wir uns den Veröffentlichungen des letzten Freitags zu:

Die Geldmenge M-3 der Eurozone verzeichnete per Berichtsmonat Dezember im Jahresvergleich einen Anstieg um 1,6% nach zuvor 2,0%. Die Prognose lag bei 2,2%. Das Verfehlen des Ziels ist Ausdruck der konjunkturellen Dynamikverluste in der Eurozone zum Jahresende. Das wird insbesondere in der Entwicklung der Kredite an den Privatsektor deutlich. Hier kam es lediglich zu einer Zunahme um 1,0% nach zuvor 1,7% bei einer Prognose von 1,9%. Der Datensatz war und ist geeignet, Risikoaversion der Marktteilnehmer zu verstärken.

Nachfolgend sind die jährlichen Wachstumsraten der Geldmenge M-3 über die vergangenen 12 Monate abgebildet. Im vierten Quartal waren die Rückgänge ausgeprägt von +2,9% per September auf nun 1,6%.

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Das US-BIP ist laut neuster Schätzung des BEA per 4. Quartal 2011 um 2,75% nach zuvor 1,81% in der annualisierten Fassung gewachsen. Der Aufbau von Lagerbeständen trug zu zwei Dritteln zum Wachstum im vierten Quartal bei. Damit kam es per 2011 zu einem Wachstum in Höhe von 1,7%.

Der nachfolgende Chart bildet die annualisrten Wachstumsraten seit dem 1. Quartal 2010 ab und verdeutlicht die sukzessive Erholung der US-Wirtschaft ausgehend von dem 1. Quartal 2011 bei nur 0,36% Steigerung des BIP.

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Das Verbrauchervertrauen der Uni Michigan lieferte in der finalen Fassung per Januar einen Anstieg von zuvor 69,9 auf 75,0 Punkte. Der vorläufige Wert stellte sich per Januar auf 74,0 Zähler. Sowohl die Bewertung der aktuellen Lage (+4,6 Punkte) als auch die Einschätzung der zukünftigen Lage (+5,5 Punkte) trugen zu diesem fulminanten Ergebnis bei. Damit wurde der höchste Wert seit Februar 2011 markiert.

Der Blick auf den langfristigen Chart verdeutlicht einerseits den nachhaltigen Anstieg der letzten fünf Monate, andererseits belegt er auch, dass sich damit das Verbrauchervertrauen historisch betrachtet unverändert auf mäßigem Niveau bewegt.

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Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den EUR gegenüber dem USD favorisiert. Ein Unterschreiten des Unterstützungsniveaus bei 1.2600 - 1.2630 neutralisiert den positiven Bias des Euros.

Viel Erfolg!


© Folker Hellmeyer
Chefanalyst der Bremer Landesbank





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