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Die sprachliche Erblindung und ihre Folgen

03.04.2010  |  Mag. Gregor Hochreiter
Wirtschaftspolitische Diskurse und theoretische Erörterungen bedürfen eines kohärenten Begriffsapparates, der unterschiedlichen Phänomenen unterschiedliche Begriffe zuweist. Eine begrifflich klare Terminologie ist eine unersetzbare Voraussetzung für die Bewältigung der Probleme der Gegenwart und der Verfeinerung der Theorie. Anstatt Wegweiser in der Bekämpfung der zahlreichen wirtschaftlichen Übel zu sein, verleitet allerdings die gegenwärtige ökonomische Terminologie die öffentliche wie die akademische Debatte dazu, sich in ressourcenverschwendender Symptombekämpfung zu verlieren. Speziell die begriffliche Gleichsetzung von Inflation und Teuerung hat verheerende Konsequenzen.

Auf die weit unter ihrem Wert gehandelte Geld- und Konjunkturtheorie der Wiener Schule der Ökonomie (auch: Österreichische Schule der Nationalökonomie) zurückgreifend, soll unter Inflation ausschließlich ein monetäres Phänomen verstanden sein. Inflation bezeichnet den Anstieg der ungedeckten Geldmenge bzw. in der rechtlichen Definition von Guido Hülsmann den die Eigentumsrechte verletzenden Anstieg der nominalen Geldmenge. Das Gegenstück zur Inflation ist die Deflation, worunter der Rückgang der ungedeckten Geldmenge zu verstehen ist, die im Idealfall die verletzten Eigentumsrechte wiederherstellt. Ohne vorherige Inflationierung der Geldmenge ist eine Deflation undenkbar. Die Deflation nimmt die von der Inflation in Umlauf gebrachten ungedeckten Scheinwerte entweder in Form ungedeckter Banknoten oder in Form jederzeit von der Zentralbank monetisierbarer Zirkulationskredite vom Markt. Die Inflation ruft die Blasenbildung hervor, die Deflation entzieht der Blase die Luft.

Gemessen an der Geldmenge M1 und unter der Annahme, die Zentralbank hätte die vom gesamten Bankensystem betriebene Geldmengenausweitung mit dem Zentralbankgold zu decken, verzeichnete das Eurogebiet im ersten Bestandsjahrzehnt der europäischen Gemeinschaftswährung (1998-2008) eine jährliche Inflation von stolzen 10,4%. Innerhalb von 10 Jahren hat sich damit die ungedeckte Geldmenge mehr als verdoppelt. Auf eine Feinunze Zentralbankgold kamen im Juni 2008 knapp 11.000 Euro. 10 Jahre zuvor waren es knapp über 4.000 Euro gewesen.

Die natürliche Ausweitung bzw. der natürliche Rückgang der Geldmenge unter Wahrung der Eigentumsrechte ist von dem Begriffspaar Inflation-Deflation bewußt nicht abgedeckt. Die natürliche Ausweitung umfaßt in einem Warengeldstandard die nach betriebswirtschaftlichen Kriterien erfolgte Produktion zusätzlicher Mengen der als allgemeines Tauschmittel verwendeten Ware bzw. die Zuführung bislang industriell genutzter Teilmengen der als Geld verwendeten Ware zur monetären Nutzung.

Für die Veränderung des allgemeinen Preisniveaus gemessen am Verbraucherpreisindex soll das Begriffspaar Teuerung-Vergünstigung Verwendung finden. Die Teuerung bezeichnet einen Anstieg des allgemeinen Preisniveaus und damit gleichermaßen einen Rückgang der Kaufkraft einer Geldeinheit, während die Vergünstigung definiert ist als der Rückgang des allgemeinen Preisniveaus bzw. als der Anstieg der Kaufkraft einer Geldeinheit.

Besonders problematisch wird die Fixierung auf den Verbraucherpreisindex in Zeiten, in denen das Güterangebot bei gleichzeitiger inflationärer Aufblähung der Geldmenge deutlich zunimmt. Die Ausweitung des Güterangebots dämpft den allgemeinen Preisauftrieb und scheint die laxe Geldpolitik der Zentralbanken zu rechtfertigen, die unter der angestrebten Preisstabilität eine geringe Zunahme des Verbraucherpreisindexes verstehen. In einem solchen Szenario, das durch den Fall des Eisernen Vorhangs, sowie durch die Öffnung Chinas und Indiens der wirtschaftspolitischen Realität der letzten zwei Jahrzehnte entspricht, können die Zentralbanken darauf verweisen, daß die inflationäre Geldmengenausweitung nur beschränkt preistreibend wirke.

So rühmte sich die EZB zu ihrem 10. Geburtstag, daß die Teuerungsrate (HVPI) in den ersten 10 Jahren ihres Bestehens nur 2,2% betrug. Unter Berücksichtigung der begrifflichen Unterscheidung von Inflation und Teuerung, diese die Ursache, jene die Folge, ist man freilich genötigt zu schließen, daß ohne Inflationierung der Geldmenge der Preisauftrieb deutlich schwächer ausgefallen wäre oder sich sogar eine Vergünstigung eingestellt hätte.

Der rege Zustrom von Silber und Gold ins Spanien des 16. und 17. Jahrhundert ist daher keine Phase der Inflation gewesen, sondern eine Phase der starken Zunahme der gedeckten Geldmenge. Diese hatte selbstverständlich eine Teuerungswelle zur Folge. Doch diese ist im Gegensatz zur inflationsinduzierten Teuerung unvermeidbar. Die Produzenten der als Geld verwendeten Ware kommen zwar als Erstbezieher des neuen Geldes in den Genuß des von Richard Cantillon erstmals dargelegten Kaufkraftgewinnes, weil die Ausweitung der gedeckten wie ungedeckten Geldmenge nicht-neutral ist. Eine die Gerechtigkeit verletzende Vermögensumverteilung ist jedoch nicht zu konstatieren.

Die inflationäre Geldmengenausweitung verteilt dagegen bestehendes Vermögen systematisch um, da die privilegierten inflationären Geldproduzenten den Bezug ihrer Waren und Dienstleistungen nicht mit der als allgemeines Tauschmittel verwendeten Ware - kurz Geld - bezahlen, sondern mit wertlosem Papier. Diese systematische Vermögensumverteilung erleichtern und sanktionieren die Zahlkraftgesetze (engl. legal tender laws), die das gesetzliche Zahlungsmittel mit einem Annahmezwang versehen. Darüber hinaus löst die heute übliche Form der Inflationierung über den Kreditmarkt den Konjunkturzyklus aus, der per Saldo das allgemeine Wohlstandsniveau reduziert und daher nicht einmal aus wohlfahrtstheoretischen Überlegungen gerechtfertigt werden kann.


© Mag. Gregor Hochreiter
Institut für Wertewirtschaft


Den Autor können Sie unter gh@wertewirtschaft.org erreichen.



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