Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Das "Vollgeld" - was es leistet und was nicht

04.04.2015  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 2 -
In einem Vollgeldsystem, in dem die Zentralbank der einzige Geldproduzent ist, stellen sich gewichtige Fragen: Wieviel Geld braucht die Volkswirtschaft? Und was ist der richtige Zins? Die Antworten auf diese Fragen können die Zentralbankräte jedoch nicht wissen. Allein der freie Markt kann die Antworten geben. Eine Zentralbank muss die Geldmenge und den Zins willkürlich festlegen und wird mangels richtigen Wissens dabei Fehler begehen - Fehler, die sich in Geldentwertung und Wirtschaftsstörungen zeigen.

Ein Vorteil, der im Vollgeldsystem gesehen wird, liegt darin, dass die Geldschöpfungsgewinne, die bislang den Geschäftsbanken zukommen, an die Zentralbank (und damit ihren Eigentümern, den Steuerzahlern) gehen. Der Zugewinn für die öffentliche Hand bei einem Wechsel auf das Vollgeld würde jedoch geringer sein, als es zunächst erscheinen mag: Die öffentliche Hand erhielte bei einem Wechsel zum Vollgeld zwar den gesamten Geldschöpfungsgewinn. Allerdings sind davon abzuziehen die bisherigen Steuereinnahmen auf Bankgewinne sowie Einkommensteuerzahlungen, die nun nicht mehr fließen.


Vollgeld ist möglich

Häufig wird vorgebracht, dass Geschäftsbanken in einem Vollgeldsystem keine Berechtigung mehr haben würden. Das Argument ist jedoch nicht stichhaltig. Banken könnten weiterhin im Einlagen-, Kredit- und Investment-Banking tätig sein. Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass Banken auch weiterhin Kredite vergeben könnten. Dazu müssten sie ihre Kunden dazu bewegen, ihre Sichtguthaben in verzinsliche Wertpapiere einzutauschen.

Auf diese Weise wird Mindestreserve freigesetzt und steht für zusätzliche Kreditvergabe zur Verfügung. Allerdings würde durch eine derartige Kreditvergabe kein zusätzliches Geld geschaffen. Die Kreditvergabe führt lediglich zu einer Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes (also einem Anstieg der Häufigkeit, mit der Geld zu Transaktionen in einer Zeitperiode verwendet wird). Zudem würde die Kreditvergabe tendenziell mit einem Anstieg der Kreditzinsen einhergehen - und würde so einer überzogenen Kreditvergabe entgegenwirken.

Auch das Investment-Banking wäre in einem Vollgeldsystem weiterhin möglich. Welche Ausmaße es annimmt, hängt vor allem von der Zentralbankpolitik ab. Wenn die Zentralbank die Geldmenge mit tiefen Zinsen weiter ausweitet, wird es tendenziell zu einem überreichlichen Kredit- und Geldangebot kommen, das die Aktivitäten und Handelsvolumina im Investment-Banking befördert.

Ist ein Übergang zum Vollgeld überhaupt möglich (unabhängig davon, ob es auch empfehlenswert ist)? Die Antwort ist: ja. Die Zentralbank kauft dazu den Banken Wertpapiere in Höhe ihrer Sichtverbindlichkeiten ab. Die Banken erhalten dadurch einen entsprechenden Zentralbankgeldbetrag. Fortan wird eine 100 Prozent Mindestreserve erhoben. Banken ist es nicht mehr möglich, die Geldmenge per Kreditvergabe auszuweiten. Ob und um wieviel die Geldmenge ausgeweitet wird, obliegt allein der Zentralbank.


Übel an der Wurzel packen

Wie bereits erwähnt, löst das Vollgeldsystem nicht die Probleme, die das ungedeckte Papiergeldsystem mit sich bringt. Wenn das Übel an der Wurzel gepackt werden soll, ist eine vollständige Privatisierung des Geldes zu empfehlen: Geld wird dann wie jedes andere Gut auch durch das freie Angebot von und die freie Nachfrage nach Geld geschaffen. Dabei sind die Geldnachfrager diejenigen, die letztlich bestimmen, was als Geld Verwendung findet. Sie werden "gutes Geld" nachfragen und mindere Geldangebote ausschlagen und aus dem Markt drängen.

Welche Geldart sich dabei durchsetzen würde, lässt sich vorab nicht mit Bestimmtheit sagen. Allerdings wäre zu vermuten, dass vor allem Edelmetalle - Gold und Silber - als das vorteilhafteste Geld angesehen würden. Edelmetalle haben physische Eigenschaften, die gutes Geld ausmachen: Sie sind knapp, von gleicher Substanz ("homogen"), teilbar, prägbar, haltbar, transportabel und allgemein wertgeschätzt. Denkbar ist auch, dass neben dem "Grundgeld" in Form von Gold auch andere Tauschmittel Verwendung finden (wie zum Beispiel Bitcoin etc.).

Eine marktwirtschaftliche Geldordnung würde, daran besteht kein Zweifel, die chronischen Probleme des ungedeckten Papiergeldes lösen. Es wäre ebenfalls ein Vollgeldsystem - wenn Banken verpflichtet werden, eine 100 Prozent Mindestreserve zu halten (was "gute Banken" vermutlich ohnehin anbieten würden, wenn die Geldnachfrager es wünschen). Die Geldproduktion würde sich in einer marktkonformen Weise vollziehen. Die Vollgeld-Initiative, die darauf abzielt, allein der Zentralbank die Geldproduktion zuzusprechen, greift jedoch in einem entscheidenden Punkt zu kurz: Sie lässt die eigentliche Quelle der Probleme unangetastet, und das ist die Geldschöpfung "aus dem Nichts".

(1) Für weitere Informationen über die Initiative siehe www.vollgeld.ch.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"