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Verstecken lasche Bilanzierungsregeln die Kapitalzerstörung?

04.11.2014  |  Prof. Antal E. Fekete
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Für die Unternehmen würde das Risiko überbewerteter Vermögenswerte bestehen und ebenfalls als Einladung zu unbedachten Investitionen dienen. Auch wenn wir davon ausgehen, dass aufrechte Manager immer der Versuchung widerständen und sich nicht in zweifelhafte Abenteuer stürzen würden - ohne die korrekte Bewertung der Aktiven wäre die Bilanz kein zuverlässiger Kompass mehr, der die Firma durch wirtschaftliche Turbulenzen lenkt. Die Eventualität eines schweren Fehlers wäre wesentlich grösser. Fehler des Managements könnten sich sogar anhäufen und schlussendlich zum Konkurs des Unternehmens führen.

Staatsgläubige Ökonomen würden argumentieren, im Falle von Staatsanleihen wäre eine Ausnahme von der korrekten Bewertung der Aktiven gerechtfertigt: Die Kreditwürdigkeit der Regierung wäre wie Cäsars Frau, über jeden Verdacht erhaben. Die Regierung würde nie Konkurs anmelden. Deren Fähigkeit, Schulden bei Fälligkeit zurückzuzahlen, könne nicht angezweifelt werden. Als Garantie verweisen diese Ökonomen auf die Steuerhoheit der Regierungen. Allerdings liegt das Problem nicht in der Zahlung des Nominalwertes der Anleihe bei Fälligkeit, sondern in der Kaufkraft dieses Erlöses. Die Entwertung einer Währung ist eine subtilere und damit tückischere Form des Konkurses.

Regierungen, so mächtig sie auch sein mögen, können nicht mehr erschaffen als Individuen. Sie können nur etwas verteilen, wenn sie es zuerst jemanden abgenommen haben. Auch ist die Steuerhoheit einer Regierung nie absolut. Die Annalen der Finanzgeschichte sind voller Beispiele, in denen sich die Steuerzahler gegen zu hohe Steuern auflehnten, was meistens zum Sturz von Regierungen führte. Wäre die Steuerhoheit absolut gewesen, der Weltkrieg wäre mit Steuern finanziert worden. Anleihegläubiger würden keinen Kaufkraftverlust als Folge der Monetisierung dieser Schulden erlitten haben, zumindest nicht diejenigen des siegreichen Lagers.

Regierungen melden in der Regel nicht Konkurs an, aber das könnte ein Nachteil sein. Anleihen höher als den Marktwert zu bewerten, ist nichts anderes, als einer Fata Morgana nachzulaufen. Die Regierungen würden legale oder illegale Methoden verwenden, um die negativen Auswirkungen der eigenen Verschwendungssucht abzuwenden. Das böse Erwachen würde verschoben, aber es würde noch viel verheerender sein.

Eine korrekte Bewertung der Aktiven hätte die meisten Banken und Finanzinstitute in den kriegführenden Ländern in die Insolvenz getrieben. Darin lag das Dilemma des Berufsstandes. Hätten die Buchhalter auf diesem Grundsatz bestanden, sie wären „unpatriotisch“ genannt und für die Schwäche des Finanzsystems verantwortlich gemacht worden.

Demagogen hätten behauptet, die Buchhalter würden die Kriegsanstrengungen untergraben. Erlaubten sie jedoch, dass Banken die Staatsanleihen auf der Aktivseite zum Kaufpreis und nicht zum niedrigeren Marktwert bilanzieren können, kompromittierten sie die bewährten Standards der Rechnungslegung, die Unternehmen und letztlich die Volkswirtschaft und setzten das Finanzsystem grossen Risiken aus, ganz abgesehen davon, dass sie auch die Glaubwürdigkeit des Berufsstandes in Frage stellten.


Illiquide oder insolvent?

Wie der Berufsstand dieses Dilemma löste, wurde nie bekannt. Es kann mit Sicherheit angenommen werden, dass dieses Dilemma durch die kriegführenden Regierungen gelöst wurde, indem sie den Banken verboten, ihre wahre finanzielle Situation zu offenbaren. In der Zwischenzeit wurde eine neue Buchführungsregel eingeführt, die bei der Definition der Insolvenz sehr viel nachsichtiger war. Die korrekte Bewertung der Aktiven wurde aufgeweicht. Den Banken wurde erlaubt, ihre Staatsanleihen zum Nennwert zu bilanzieren, unabhängig vom tatsächlichen Marktwert - als ob sie diese jederzeit zu dem in der Bilanz aufgeführten Preis verkaufen könnten. Ein neuer Begriff wurde kreiert, um die finanzielle Situation einer Bank zu beschreiben, in deren Bilanz Staatsanleihen ein Loch gerissen hatten.

Eine solche Bank wurde fortan als "illiquide", aber immer noch als solvent bezeichnet. Die Praxis, einer illiquiden Bank zu erlauben, weiter zu wirtschaften, bedeutet jedoch, einen gefährlichen Kurs einzuschlagen. Es hat weitreichende Folgen, einschliesslich der Gefahr der Unterhöhlung der Fundamente der westlichen Zivilisation. Die Skandale um Enron und Bear Stearns sind nur der Anstoss zum Zusammenbruch des Finanzsystems. Es ist klar, dass die jüngste "Subprime-Krise" einen verzögerten Effekt der laschen, im Jahr 1914 eingeführten Rechnungslegungsstandards darstellt.

Ich kann zwar nicht beweisen, dass es ein ungeschriebenes Gesetz für Buchhalter gibt. Ich habe keine Erklärung, warum eine offene Debatte über Änderungen der Rechnungslegungsgrundsätze nie stattgefunden hat. Offenbar gab es keine Austritte aus den Reihen der Buchhalter wegen des unethischen und gefährlichen Charakters der neuen Praxis. Diese Änderungen der Bilanzierungsvorschriften jedoch ebneten den Weg zur Selbstzerstörung.

Die dominierende Rolle des Westens beruht auf der moralischen Überlegenheit der geistigen Riesen der Renaissance, darunter Luca Pacioli. Diese felsenfesten Prinzipien wurden jedoch nach und nach aufgegeben und die Kommandozentralen auf Treibsand verlegt; solide Richtlinien wurden von opportunistischen verdrängt: die westliche Zivilisation verlor ihren weltweiten Führungsanspruch. Es ist keine Überraschung, dass sie heute vor den grössten Herausforderungen aller Zeiten steht.




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