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Öl - der "Schwarze Schwan" für die Finanzmärkte (Teil II)

15.12.2014  |  Uli Pfauntsch
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Erste Domino-Steine fallen!

Tatsächlich läuft die US-Shale-Produktion so "gut", dass die Aktienkurse vieler der insgesamt mehr als 200 Shale-Produzenten von den Jahreshochs inzwischen um 60 bis 90 Prozent eingestürzt sind. Und es gibt keine Zweifel, dass der Ölpreis bereits mit voller Wucht auf die Aktivitäten der Shale-Industrie durchschlägt. Wurden im Oktober noch 7.227 neue Wells genehmigt, waren es im November nur noch 4.520 neue Wells. Das entspricht einem Einbruch um 40 Prozent.

Erstaunlich ist, dass selbst im Eagle Ford und Bakken jeweils 28 Prozent und 29 Prozent weniger Wells genehmigt wurden - ausgerechnet dort, wo die Kosten doch angeblich so niedrig sind. Mit dem Ölpreis ist der erste Dominostein gefallen - der zweite Dominostein waren die Bohr-Genehmigungen. Der nächste Dominostein wird am US-Kreditmarkt fallen.


Todes-Spirale & Junk-Bubble

Meistens werden für Blasen Anleger verantwortlich gemacht, die Aktien auf absurd hohe Bewertungen treiben. Doch in Wahrheit haben Black-Swan-Events ihren Ursprung für gewöhnlich im Bond-Markt, wo die tatsächliche Fremdkapitalfinanzierung stattfindet.

Der Shale-Boom war in Wirklichkeit ein Kredit-Boom. Obwohl die US-Shale-Produktion für nur 4 Prozent der globalen Ölproduktion verantwortlich war, sind letztes Jahr mehr als 20 Prozent aller weltweiten Investitionen, die für Ölproduktion bestimmt waren, in den US-Shale-Sektor geflossen. Seit 2008 hat sich die Verschuldung in US-Junk-Bonds im US-Energiesektor auf 260 Milliarden Dollar verdreifacht. Der Anteil der Energieunternehmen am gesamten Markt für hochverzinsliche Anleihen beläuft sich inzwischen auf 17 Prozent. Zum Vergleich: Vor einem Jahrzehnt lag dieser Anteil noch bei 4 Prozent.


Laut einem Bericht von LeveragedLoan.com, stieg der Anteil der Kredite, die zu unter 90 gehandelt werden, seit 31. Oktober von unter 1 Prozent auf 39 Prozent. Auch die Preise für Credit Default Swaps (Kreditausfallversicherungen) haben sich seit Juli bereits verdreifacht. Die Renditen für Junk-Bond-Anleihen stiegen von 5,7 Prozent im Juni zuletzt auf ein 5-Jahreshoch von 9,5 Prozent. Bleiben die Ölpreise noch einige Zeit auf dem Niveau, droht im US-Energiesektor eine Pleitewelle. Weitere Domino-Effekte sind dann nicht auszuschließen.

Es geht nicht nur um die Kredite der Ölindustrie selbst. An der Shale-Industrie hängen schließlich mehr als 200.000 Arbeitsplätze. Gehen gut bezahlte Jobs zu Tausenden verloren, platzen auch Kredite für Haus- und Auto-Finanzierungen. Bundesstaaten wie Texas und North Dakota brechen die Einnahmen weg. Dann erhöht sich die Ansteckungsgefahr für den gesamten Finanzmarkt. US-Banken mit einem hohen Engagement im Energiesektor sind etwa BOK Financial (BOKF), Cullen/Frost Bankers (CFR) und Hancock Holding (HBHC). Die Kursentwicklung dieser Titel spricht bereits eine deutliche Sprache und sollte intensiv weiterbeobachtet werden.


Ölstaaten ziehen Petrodollars ab

Laut Reuters, werden Ölexportierende Länder dieses Jahr zum ersten Mal seit zwei Jahrzehnten "Petrodollars" aus den Weltmärkten abziehen. Der so genannte Petro-Dollar-Standard, der durch das Dollar-Recycling einen kontinuierlichen Kapitalzufluss in US-Assets und damit stetig steigende nominale Preise sämtlicher in US-Dollar gehandelter Vermögenswerte garantierte, ist faktisch bedeutungslos. Ölproduzenten exportierten 248 Milliarden Dollar in 2012 und 60 Milliarden Dollar in 2013. Dieses Jahr wird erstmals ein Abzug von 7,6 Milliarden Dollar erwartet.

Ein Großteil des Kapitals, das damals noch von Ölproduzenten wie Saudi Arabien, Russland, Nigeria oder Angola "recycelt" wurde, fand seinen Weg in den US-Finanzmarkt und half dabei, Asset-Preise hochzutreiben und Kreditkosten niedrig zu halten. Laut BNP Paribas, erreichte das Dollar-Recycling mit 511 Milliarden Dollar in 2006 seinen Gipfel. Es war auch die Zeit, als die Aktienmärkte alle neue Hochs erreichten - mit dem Unterschied, dass damals noch nicht jede einzelne Zentralbank mit täglichen Eingriffen den Markt anschob. Wir alle wissen, was im Anschluss passierte …


Die tickende 10-Billionen-Dollar-Bombe

In den Schwellenländern braut sich inzwischen eine gefährliche Schuldenkrise zusammen. Schuld ist der starke Dollar. In Russland, Brasilien und anderen Ländern drohen Schieflagen, die das globale Finanzsystem in Mitleidenschaft ziehen könnten. Denn Staaten, Unternehmen und private Haushalte haben sich über die Grenzen hinweg für unglaubliche 10 Billionen Dollar verschuldet. Fatalerweise lauten die Verbindlichkeiten nicht auf heimische Währungen wie Real, Peso oder Rubel, sondern auf Dollar.

Ein erheblicher Teil dieser Schulden, die Rede ist von mehr als 5 Billionen Dollar, entfällt auf Schwellenländer. Und je stärker deren Währungen zum Dollar abwerten, desto höher wird die Schuldenlast. Ölexportierende Länder, die sich in Dollar verschuldet haben, sind auf entsprechende Öl-Einnahmen angewiesen, um Zinsen und Tilgung zu leisten. Mit einem Ölpreiscrash um 40 Prozent, kommen diese Ölproduzenten immer stärker in Bedrängnis.

Hinzu kommt: Staaten wie Russland, der Iran, Venezuela, Algerien, Nigeria, Ekuador, Irak, Libyen oder Angola benötigen Ölpreise bis zu 140 Dollar, um ihre Haushalte zu finanzieren. Kommt es zu sozialen Unruhen und Chaos, könnte auch die Ölproduktion in diesen Staaten vorübergehend betroffen sein. Es gibt keinen Moment in der Geschichte, wo ich mich erinnern kann, dass die zukünftige Produktion an so vielen Orten gefährdet war. Sollte es dazu kommen, dass etwa 10 Millionen Barrel Öl - anders als die Internationale Energieagentur erwartet, nicht angeschlossen werden, wird der Ölpreis reagieren. Und zwar nicht mit einem etwas höheren Preis, sondern mit einem sehr viel höheren Preis.



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