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Eurozone: Kollateralschaden (Teil 1/2)

11.02.2015  |  John Mauldin
Kollateralschaden.Unbeabsichtigte Konsequenzen. Friendly fire - Beschuss durch eigene Truppen. Sicherlich hatte niemand die Absicht gehabt, eine globale Schmelze des Bankensektors auszulösen, als man Lehman Brothers untergehen ließ.

Gerade schauen wir einem neuen griechischen Drama zu, das ebenfalls schwere unbeabsichtigte Konsequenzen haben könnte - weitaus stärkere, als der Markt aktuell eingepreist hat. Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht liegt der Markt diesmal richtig. Wir betreten unbekanntes Gebiet, wer weiß, auf was wir dort treffen werden? Fruchtbare Täler und Schätze oder Wüsten und Zerstörung? Heute werfen wir einen Blick auf Europa und denken über das nach, was wir nicht wissen. Griechenland bietet eine prima Gelegenheit zum Lernen.


Griechenlands Situation im Abriss

Probieren wir, die Situation in Griechenland in aller Kürze zusammenzufassen. Als Griechenland vor drei, vier Jahren in die Krise stürzte, lag die Schuldenstandquote des Landes (Schulden: BIP) bei ca. 120%. Die griechischen Zinssätze stiegen sprunghaft an, als die Investoren sich zu sorgen begannen, ob sie ihr Geld jemals wiedersehen würden. Die Verzinsung der 10-Jahre-Anleihe des griechischen Staates stieg auf 48,6%.

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Im Grunde waren sich alle einig, dass Griechenland die Schulden nie zurückzahlen könnte. Da aber so große Summen französischen und deutschen Banken geschuldet wurden (auch italienische Banken und die anderer Länder waren keine kleinen Gläubiger), entschied sich die Eurozone, Griechenland zu retten, was einer Rettung der eigenen Banken durch die Hintertür gleichkam.

Man kann sich tatsächlich die Protokolle des IWF anschauen, in denen zugegeben wurde, dass es bei dieser Rettung um die Rettung der Banken und Resteuropas ging, nicht aber um die Griechenlands. Zypern hingegen wurde beschnitten, obwohl eine Rettung für die EU ein Rundungsfehler gewesen wäre; dort waren keine EU-Banken beteiligt. (Die Lehre, die jeder Politiker daraus ziehen sollte: Wenn man den Eindruck hat, dass das eigene Land irgendwann Rettungsbedarf haben wird, sollte man dafür sorgen, dass die eigenen Banken allen anderen viel Geld schulden.)

Nun war von allen Seiten großes Aufatmen zu hören. Die griechischen Zinssätze fielen sogar unter die Vorkrisenstände, wie man im Chart sehen kann. Anschließend wurde die Schuldensituation einfach nur noch schlimmer, weil Griechenland durch diese Lösung in eine Depression gedrängt wurde, in der das BIP um 25% schrumpfte, weil die Arbeitslosigkeit in Griechenland auf 25% stieg (fast 60% Jugendarbeitslosigkeit), weil die Griechen gezwungen wurden (zumindest einige), ihre Steuern zu bezahlen und weil die griechische Regierung gezwungen wurde, ihren Haushalt auszugleichen (zumindest annähernd irgendwie).

Jetzt steht die Schuldenstandquote bei 175%. Wenn die Griechen ihre Schulden schon bei 120% nicht bezahlen konnten, dann haben sie jetzt bei 175% überhaupt keine Chance mehr.

Schließlich erkannten die griechischen Wähler, dass ihre Vereinbarungen mit der Troika (EZB, IWF und die Europäische Kommission) für sie nicht so richtig zu funktionieren schienen. Also wählten sie letzten Monat eine neue Regierung, welche versprochen hatte, diese Vereinbarungen zu ändern. Syriza, die Partei, die den Wahlsieg errang, hatte sehr, sehr viele Versprechen gemacht, wie man die gemeinen, alten Deutschen dazu bringen würden, zurückzurudern und das Geld rüberzureichen.

Wenn wir damit drohen, dass wir die Schulden nicht zurückzuzahlen, so versicherte die neue Regierung den Wählern, werden die Europäer uns mehr Geld geben. Wir können sogar die Änderung der Vereinbarungen erreichen. Natürlich würde das griechische System sofort Bankrott gehen, wenn es nicht mehr Geld bekommt, und dann würde die griechische Wirtschaft noch weiter einbrechen. (Im ökonomischen Jargon heißt das, dass die Wirtschaft dann am Arsch wäre.)

Diese Drohung ist ungefähr so, als würde man sich das Gewehr an den Kopf halten und mit Selbstmord drohen, falls einem die Wünsche nicht erfüllt werden. Politiker anderer Länder zu bitten, viel Geld auszugeben, damit man am Leben bleibt, ist im Allgemeinen keine funktionierende Strategie - besonders dann nicht, wenn man selbst nicht sehr beliebt bei den Wählern ist, die diese Politiker gewählt haben.

Trotzdem scheint die neue griechische Regierung zu glauben, dass dies eine vollkommen vernünftige Verhandlungsposition sei. Der neue Finanzminister hat fünf Bücher über Spieltheorie geschrieben. Theoretische Verhandlungsführung scheint er aus dem Effeff zu beherrschen, doch in der Praxis laufen die Dinge anderes als in seiner Theorie.



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