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Die EZB folgt der Politik der Deutschen Reichsbank

21.03.2015  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
- Seite 2 -
Heute

Open in new windowDie Geschichte wiederholt sich bekanntlich nicht. Aber die Situation, in der die Europäische Zentralbank (EZB) sich heute befindet, ist der Situation der Deutschen Reichsbank zu Beginn der 20er Jahre des vergangenen Jahrhunderts durchaus ähnlich.

Auch die EZB macht von ihrer politischen Unabhängigkeit keinen Gebrauch, sondern stellt sich vielmehr in den Dienst der Politik, die das Euro-Projekt um jeden Preis "retten" will - auch zum Preis, dass dafür die Kaufkraft des Euro durch eine Inflationspolitik entwertet wird.

Damals wollte die Reichsbank die Weimarer Republik "retten", indem sie offene Rechnungen mit der neu geschaffenen Reichsmark beglich, heute will die EZB das Euro-Projekt "retten", indem sie offene Rechnungen mit neu geschaffenen Euro begleicht.

Die EZB geht heute natürlich anders vor als damals die Reichsbank. Sie hat zunächst die kurz- und langfristigen Kapitalmarktzinsen unter Kontrolle gebracht. Der Zinsmarkt ist damit längst kein freier Markt mehr, er ist ein "gehemmter" Markt. Dadurch, dass sie die Zinsen künstlich niedrig hält, erreicht die EZB folgendes:

(1) Schuldner können fällige Kredite durch neue Kredite ablösen, die einen tieferen Zins tragen, und zudem können sie günstig neue Kredite aufnehmen. Die Verschuldung kann weitergehen.

(2) Die künstlich gesenkten Zinsen sorgen für einen konjunkturellen "Scheinaufschwung", der jedoch früher oder später in sich zusammenfallen muss, weil er auf Kapitalfehllenkung aufbaut.

(3) Die Finanzmarktpreise - ob nun Aktien oder Anleihen - steigen dank der tiefen Zinsen stark an, und die Kursgewinne erwecken den Eindruck in der Öffentlichkeit, nun ginge es wieder voran mit der Wirtschaft.

Open in new windowDas alles lässt sich erreichen, indem die EZB nicht nur die Kurzfristzinsen absenkt, sondern den Finanzmarktakteuren auch verspricht, die Zinsen für lang laufende Anleihen niedrig zu halten, beziehungsweise weiter abzusenken. Aber den Worten werden früher oder später auch Taten folgen müssen.

Sprich: Die Zentralbank wird ihre Bereitschaft unter Beweis stellen müssen, dass sie auch tatsächlich willens und in der Lage ist, Anleihen aufzukaufen und deren Renditen abzusenken.

Open in new windowDie EZB hat sich in Zugzwang gesetzt: Würde die Kaufbereitschaft der EZB in Zweifel gezogen, käme es zu einem Ausverkauf an den Kreditmärkten, die Zinsen würden stark steigen, und der Euro-Schuldenturm würde zusammenbrechen.

Damit eben das nicht geschieht, hat die EZB begonnen, Anleihen aufzukaufen (und dadurch werden pro Monat 60 Mrd. neue Euro in Umlauf gebracht, um bis Herbst 2016 die Euro-Basisgeldmenge um insgesamt 1,14 Billionen Euro auszuweiten).


Morgen

Nun könnte man auf die Idee kommen, dass diese EZB-Politik "Heilung" bringt: Die EZB hält für eine gewisse Zeit die Zinsen künstlich tief, und das verschafft den Euro-Volkswirtschaften die nötige Zeit, wieder auf Wachstumskurs zu gelangen.

Sobald sich die Produktions- und Beschäftigungslage im Euroraum "normalisiert" hat, wird die EZB ihre Politik ganz einfach wieder "rückabwickeln": Sie wird die Zinsen wieder auf ein normales Niveau anheben und das "überschüssige Geld" einsammeln. So wird die "Rettungspolitik" der EZB dann doch noch ein gutes Ende nehmen! Dass das so nicht kommen wird, lässt sich schon heute sagen.

Zwei Beispiele mögen das illustrieren. (1) Das Herabmanipulieren der Zinsen hinterlässt Spuren in der Ausrichtung der volkswirtschaftlichen Produktion und Beschäftigung. Fortan werden Güter produziert und Arbeitsplätze geschaffen, die nur bei den künstlich tiefen Zinsen profitabel beziehungsweise bezahlbar sind. Die Zinsen lassen sich nicht anheben, ohne dass die Produktion und die Arbeitsplätze, die in der Tiefzinspolitik entstanden sind, wieder zerstört werden.

(2) Das Ausweiten der Basisgeldmenge hat eine Preiswirkung. Entweder besteht sie darin, dass die Preise (beispielsweise von Aktien und Anleihen) sichtbar ansteigen; oder die Preiswirkung besteht darin, dass die Preise nicht fallen (was sie tun würden, wenn die Basisgeldmenge nicht ausgeweitet worden wäre). Das heißt: Die Geldmengenausweitung lässt sich nicht wieder zurückführen, ohne dass die Preisstruktur in der Volkswirtschaft verändert, beziehungsweise abgesenkt wird.

Beginnen die Preise (für zum Beispiel Häuser und Grundstücke) jedoch aufgrund einer Geldmengenreduktion zu fallen, gerät die Konjunktur und so mancher Schuldner in Schieflage - und die "Krise" ist wieder da.


Schluss

Die EZB wird ihre Politik der Zinssenkung und Geldmengenausweitung also vermutlich gar nicht mehr rückgängig machen können: Den politischen Begehrlichkeiten und Zwängen, die daraus erwachsen, wird man wohl kaum mehr Herr werden. Schon jetzt erblicken die Nationen (sowie natürlich auch die Sonderinteressengruppen) in der EZB das Politikinstrument, welches sich vortrefflich einsetzen lässt, um die eigenen Interessen auf Kosten anderer durchzusetzen.

Diese außerparlamentarische Zwangsumverteilung durch die EZB-Politik - die sowohl innerhalb der Nationen, aber auch zwischen ihnen erfolgt und die die einen reicher macht auf Kosten der anderen - wird die Menschen gegeneinander aufbringen. Der Euro wird nicht Frieden, sondern Zwietracht bringen.

Solange die Volkswirtschaften im Euroraum noch wachsen, wird der Protest gegen den Euro und die EZB-Politik mehr oder weniger in Grenzen gehalten. Er wird jedoch dann unaufhaltsam an Fahrt gewinnen, wenn Rezession, Arbeitslo-sigkeit und Einkommensverluste um sich greifen - und vor allem auch die "großen" Euro-Länder erfassen. Folglich wird eine politisierte EZB ihr Heil darin suchen, mit einer inflationären Geldpolitik den Schein von Wohlstand und Stabilität im Euroraum aufrecht zu erhalten, solange es eben geht.

Dazu bedarf es jedoch dauerhaft künstlich gesenkter Zinsen, und die Geldmenge wird auch immer stärker ausgeweitet werden müssen, um die Illusion von Wohlstand und Stabilität im Euroraum aufrecht zu erhalten. Das aber läuft auf eine Inflationspolitik hinaus, von der man heute noch nichts wissen will, und die man heute noch nicht sehen kann. Wie gesagt: Geschichte wiederholt sich nicht. Aber der Kurs, den die EZB verfolgt, ist der Kurs, dem die Deutsche Reichsbank gefolgt ist, und derjenige, der zur Zerstörung des Geldes geführt hat.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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