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Island denkt über "Vollgeldsystem" nach

13.04.2015  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Privatisieren

In Sigurjonssons Papier werden wichtige, ja entscheidende geldtheoretische Fragen gar nicht erst angesprochen. Es wird ausgeblendet, dass Geld ein "Marktphänomen" ist, wie es schon Carl Menger (1840 - 1924) erkannte: Geld, das allgemein akzeptierte Tauschmittel, entsteht spontan aus dem freien Markt, ohne ein Dazutun des Staates, und zwar entsteht es aus einem Sachgut.

Ludwig von Mises (1881 - 1973) hat Mengers Theorie der Geldentstehung nachfolgend mit seinem Regressionstheorem abschließend erklärt: Mises zeigte, dass Geld aus einem Sachgut entstanden sein muss, das zuvor allein auf Grund seiner nichtmonetären Zwecke wertgeschätzt wurde und dass der Staat Geld nicht "von oben" per Dekret einführen kann.

Das Vollgeld, wie es von seinen Befürwortern protegiert wird, kann folglich gar nicht als "eigenständiges", "vollwertiges" Geld angesehen werden. Vielmehr stellt es eine (weitere) "Deformationsstufe" des ungedeckten Papiergeldes dar. Vor allem aber bringt das Vollgeldsystem keine Abkehr von der Verstaatlichung des Geld- und Bankwesens, die nicht nur für chronische Wirtschaftsstörungen sorgt, sondern die eben in besonderem Maße auch sozialistischen Politiken auf allen Ebenen Vorschub leistet.

(Karl Marx wusste wahrscheinlich sehr wohl, warum er in seinem Kommunistischen Manifest (in Punkt fünf) die "Zentralisation des Kredits in den Händen des Staats durch eine Nationalbank mit Staatskapital und ausschließlichem Monopol" forderte.)

Um die Missstände des ungedeckten Papiergeldes abzustellen und zu “gutem Geld” zu gelangen, muss die Geldproduktion privatisiert, muss das Geld in den marktwirtschaftlichen Währungswettbewerb entlassen werden. Nicht mehr der Staat und seine Zentralbank dürfen über das Geld befinden, sondern diese Aufgabe übernimmt der freie Markt. Bekanntlich bringt der marktwirtschaftliche Wettbewerb die besten Problemlösungen hervor. Und genauso wie der Wettbewerb im Markt für Bücher, Turnschuhe und Buntstifte bestens funktioniert, wird auch der freie Markt für Geld bestens funktionieren.

Unter freiem Währungswettbewerb hat jeder Geldnachfrager die freie Wahl, das Medium zu wählen, das aus seiner Sicht das beste Geld ist. Niemand würde dabei “schlechtes Geld” nachfragen. Alle würden “gutes” Geld nachfragen: Geld, das knapp ist, das nicht beliebig vermehrbar ist, das teilbar und prägbar ist, das haltbar und lagerbar ist, das transportabel ist, das allgemein wertgeschätzt wird. Mit anderen Worten: Was sich als Geld etabliert, würden allein die Geldnachfrager bestimmen. Die Zentralmacht über das Geld und damit der staatliche Missbrauch mit dem Geld und seine Folgen - wie Inflation, Boom-und-Bust-Zyklen etc. - fänden ein Ende.

Ein marktwirtschaftlicher Währungswettbewerb, nicht aber das Vollgeld, ist die Lösung der allseits - und sicherlich zu Recht - beklagten Missstände, die das ungedeckte Papiergeld mit sich bringt.


Entschuldung durch "Vollgeld" - ein brisantes Vorhaben

Einige Befürworter des Vollgeldes meinen, mittels Vollgeld (also einer 100 Prozent Reservehaltung) ließe sich das Staatsschuldenproblem gewissermaßen still und heimlich aus der Welt schaffen. Die Idee ist die Folgende: Die Zentralbank kauft den Banken die Staatspapiere ab und gibt ihnen dafür neues Basisgeld. Sie kauft so lange Wertpapiere gegen Ausgabe von neuem Geld, bis die 100 Prozent Deckung erreicht ist. Im Euroraum müsste die EZB dafür etwa 4.700 Mrd. Euro aufkaufen - das sind mehr als die Hälfte der gesamten öffentlichen Schulden im Euroraum, die sich im Herbst 2014 auf mehr als 9.200 Mrd. Euro beliefen.

Davon liegen derzeit etwa 3.045 Mrd. Euro bei Euro-Banken, der Rest (also 6.155 Mrd. Euro) liegt bei Euro-Nichtbanken (Versicherungen, Pensionskassen etc.) sowie bei ausländischen Banken und Nichtbanken. Kauft die EZB den Banken ihre Staatsschulden ab, kommt es zu einer Ausweitung der Basisgeldmenge im Euro-Bankensektor. Wenn die Banken jedoch Staatsanleihen von Nichtbanken aus dem Inland und von Banken und Nichtbanken aus dem Ausland aufkaufen, steigt nicht nur die Basisgeldmenge, sondern auch die unmittelbar für Zahlungen verfügbaren Geldmengen (M1 bis M3).

Es kommt dann zu einer "echten" Monetisierung. Die Auswirkungen auf die Geldmenge M1 (sie beträgt derzeit etwa 6.098 Mrd. Euro) könnte beispielsweise erheblich sein: Man denke nur einmal daran, dass die Euro-Banken Staatsanleihen in Höhe von 3.000 Mrd. Euro Nichtbanken abkaufen und danach an die EZB weiterverkaufen.

Der Euro-Zahlungsmittelbestand stiege in diesem Fall um etwa 50 Prozent an! Früher oder später wird das Geld verwendet. Für was, das lässt sich im Voraus nicht sagen. Aber dass die Preise nach einer solchen Geldmengenausweitung ansteigen werden (beziehungsweise höher ausfallen werden im Vergleich zu einer Situation, in der die Geldmenge nicht ausgeweitet worden wäre), liegt auf der Hand.

Vereinfacht lässt sich sagen: Ein Monetisieren der Staatsschulden schmälert die Kaufkraft des Geldes. Das ist eine auch in der Währungsgeschichte vielfach beobachtbare Lehre, die dem naiven Geldhalter und Sparer jedes Mal teuer zu stehen kam. Das Vollgeld zur Entschuldung des Staates einzusetzen, steht in eben dieser Tradition.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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