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Die 4.760.000.000.000 Euro Lücke

14.09.2015  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Quelle: Eigene Berechnungen. Es wird hier eine einfache (proportionale) Beziehung zwischen Geldmenge und Preisniveau angenommen.


Beschränkt sich die EZB darauf, Wertpapiere in Höhe von 1.140 Mrd. Euro nur von Banken zu kaufen, würde dies die Geldmengen M1 bis M3 nicht berühren, ein Preiseffekt (ein Anstieg der Konsumentenpreise) bliebe aus. Würde die EZB Schuldpapiere in Höhe von 4.760 Mrd. Euro von Nichtbanken kaufen (und dadurch die Liquiditätslücke der Banken schließen), stiegen auch M1 und M3 an - und zwar in einem Umfang, der für einen Preisauftrieb von ungefähr 50 Prozent spräche. Würde die EZB gar für eine "Überdeckung" von 160 Prozent wie in den USA sorgen (und dazu auch Wertpapiere aus dem Ausland kaufen), wäre mit einem sehr großen Preisauftrieb von 55 bis 85 Prozent zu rechnen. Im "Extremfall" könnte die Kaufkraft des Euro also in starkem Ausmaß fallen.

Die bisherigen Ausführungen sollten vor allem zwei Aspekte deutlich gemacht haben: (1) Ein Ausweiten der Anleihekäufe über das bereits verkündete Ausmaß ist sehr wahrscheinlich. Nicht nur die Liquiditätslücke der Euro-Banken spricht dafür, sondern auch, dass eine Vergrößerung des Aufkaufprogramms im politischen Interesse vieler Euroraum-Regierungen stehen dürfte. (2) Es ist zwar technisch möglich, dass die EZB die zusätzliche Basisgeldmenge "stilllegt". Aber es ist keinesfalls sicher, dass das auch gelingen wird (aufgrund politischer Widerstände). Insofern birgt ein Ausweiten der EZB-Anleihekäufe - und zwar wenn die Volumina stark erhöht werden - erhebliche Entwertungsrisiken für den Euro.


Weitere Auswirkungen

Die fortgesetzten Anleihekäufe werden die Zinsen künstlich herabdrücken. Das erleichtert zwar kurzfristig die Lage der Schuldner. Doch es kommt gleichzeitig auch zu volkswirtschaftlichen Fehlentwicklungen. Die niedrigen Zinsen verzerren die (Finanzmarkt-)Preise, ihre Signalfunktion leidet. Fehlbewertungen auf breiter Front stellen sich ein, wie zum Beispiel Fehlinvestitionen, überzogene Risikoneigung und Preisblasen. Der Anreiz, sich zu verschulden, steigt weiter an. Und nicht zuletzt lassen die niedrigen Zinsen den Reformeifer der Staaten schwinden mit negativen Folgen für Wachstum und Beschäftigung.

Wie immer bei einer Ausweitung der Geldmenge ist im Vorfeld nicht klar, welche Preise zuerst und mit welcher Rate ansteigen werden. Da die neue Geldmenge in jedem Fall dem Banken- beziehungsweise dem Finanzsektor zugeführt wird, erscheint es durchaus plausibel, dass die Vermögenspreise wie vor allem die Aktienkurse in die Höhe getrieben werden (ganz ähnlich, wie man es bereits in den USA und in Japan beobachten konnte).

Zudem ist bei einer steigenden Euro-Geldmenge zu erwarten, dass Euro-Halter ihre Nachfrage nach Auslandswährungen ausweiten - sei es, weil sie ihre Anlage diversifizieren wollen, oder sei es, weil sie angesichts der niedrigen Euro-Zinsen ihr Geld zu höheren Renditen im Ausland anlegen wollen. Hinzu kommt, dass das Ausweiten der Geldmenge durch Anleihekäufe einer Einladung an potente Finanzmarktakteure wie zum Beispiel Hedge Funds gleichkommt, sich kräftig in Euro zu verschulden und damit Euro-Abwertungswetten ("Carry Trades") zu finanzieren. Ein sicheres Mittel, den Euro-Wechselkurs abwerten zu lassen.


Gold

Die nicht enden wollenden Probleme im Euroraum kommen nicht von Ungefähr. Der Euro ist ein ungedecktes Papiergeld - und das schafft bekanntlich eine Vielzahl von Problemen (siehe hierzu auch den nachstehenden Aufsatz). Im Euroraum scheint sich nun eine Situation abzuzeichnen, in der der Anreiz für eine großangelegte Monetisierung der Schulden steigt, und die letztlich auch unumgänglich ist, soll die Zahlungsunfähigkeit der Banken und damit auch der Staaten abgewendet werden.

Weitet die EZB tatsächlich ihre Anleihekäufe in großem Stil aus, ist zwar eine Euro-Entwertung (nach innen und außen) nicht vorprogrammiert, aber doch wahrscheinlich. Zudem sind langfristig ausgerichtete Euro-Anleger dem Risiko ausgesetzt, dass der Euroraum letztlich doch noch auseinanderbricht. So gesehen scheint der Euro die risikoreichste Währung unter den großen, ungedeckten Papierwährungen zu sein. Anleger sollten das in ihr Kalkül einbeziehen.

Wenn es um den liquiden Teil der Vermögensanlage geht, sprechen zwar einige Gründe für den US-Dollar. Anleger sollten sich jedoch in Erinnerung rufen, dass Gold das ultimative Zahlungsmittel ist, und das seit Jahrtausenden. Gold verliert seinen Wert nicht durch geldpolitische Manöver. Es ist eine wirksame Impfung des Vermögensportfolios gegen die Widrigkeiten des ungedeckten Papiergeldsys-tems.


Basisgeld und Geschäftsbankengeld - eine kurze Übersicht

Es ist zwischen Zentralbankgeld und Geschäftsbankengeld zu unterscheiden.

Das Zentralbankgeld (man nennt es auch Basisgeld, Grundgeld oder "Geld höherer Ordung") wird allein von der Zentralbank geschaffen. Sie hat das Monopol. Es hat die Form von Banknoten und Guthaben bei der Zentralbank. Das Geschäftsbankengeld wird von den privaten und öffentlichen Geschäftsbanken geschaffen. Damit Geschäftsbanken per Kredit Geschäftsbankengeld produzieren können, sind sie auf Zentralbankgeld angewiesen, und zwar aus drei Gründen.

(1) Banken brauchen es, um den Zahlungsverkehr untereinander abzuwickeln. (2) Zudem brauchen sie Basisgeld, weil ein Teil der Kundenverpflichtungen in Form von Basisgeld gehalten werden muss (das sind die sogenannten Mindestreserven). (3) Da Kunden einen Teil ihrer Bankeinlagen in Bargeld abziehen, brauchen Banken auch aus diesem Grund Basisgeld. In den letzten Jahrzehnten haben die Banken immer weniger Basisgeld gebraucht. Das liegt vor allem daran, dass die Regierungen beziehungsweise die Zentralbanken die Mindestreserven, die Geschäftsbanken halten müssen, abgesenkt haben.

Beispielsweise hat die Europäische Zentralbank (EZB) mit Wirkung vom 18. Januar 2012 den Mindestreservesatz von bisher 2 auf 1 Prozent abgesenkt. Das heißt, für ein Giroguthaben, das Kunden bei Euro-Banken halten, müssen die Banken lediglich 1 Euro Basisgeld vorhalten. Kommt beispielsweise ein Kunde zur Bank und zahlt 100 Euro bar ein, muss die Bank eine Mindestreserve von 1 Euro halten, und die restlichen 99 Euro kann sie als Überschussreserve betrachten:

Mit den 99 Euro kann sie Kredite vergeben oder Wertpapiere verkaufen. Je niedriger der Mindestreservesatz ist, desto profitabler wird für die Bank das Geschäft, Kredite zu vergeben und sie mit Einlagen der Kunden zu finanzieren (beziehungsweise sich selbst zu verschulden, denn dafür fällt keine Mindestreserve an). Würde der Mindestreservesatz auf 100 Prozent angehoben, so kann die Bank keine Kredite oder Wertpapiere mehr kaufen. Sie ist dann "nur" noch die Verwahrstelle für das eingezahlte Bargeld.


Steigende Geldmenge, steigende Aktienkurse

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Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnungen.



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