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Gefangen im selbst geschaffenen Teufelskreis

11.12.2015  |  Peter Schiff
Im Laufe des letzten Jahres, während die US-Wirtschaft wieder und wieder hinter den Erwartungen zurückblieb, versicherte die Präsidentin der US Notenbank Fed, Janet Yellen, allen, die während ihrer Pressekonferenzen wach bleiben konnten, immer wieder auf Neue, dass die Wirtschaft stark genug sei, eine straffere Geldpolitik zu verkraften. Während sie Monat für Monat verhalten "falkenhafte" Töne anschlug (aber nicht das Geringste unternahm), ging Yellen auch dazu über, zu betonen, dass der endgültige Zeitpunkt einer Zinsanhebung (der ersten seit fast einem Jahrzehnt) nicht einmal ansatzweise so wichtig sei, wie die Geschwindigkeit und der letztliche Umfang der Erhöhungen.

Damit konnte sie nicht nur den Kritikern, die die Verzögerungen für unnötig, ja gar gefährlich hielten, den Wind zum Teil aus den Segeln nehmen, sondern auch die Voraussetzungen für eine viel längere Untätigkeit der Fed schaffen. Zur Freude aller Spekulanten hat die Notenbank zu verstehen gegeben, dass der Leitzins auf absehbare Zukunft "langsam und in kleinen Schritten" angehoben und sich, in den Worten von Larry Kudlow, "wie eine verwundete Schnecke" bewegen würde.

Meiner Ansicht nach drückt sich Kudlow noch viel zu aggressiv aus. Sollte die Fed den Zinssatz nächste Woche tatsächlich um 25 Basispunkte anheben, wie alle Welt erwartet, gehe ich davon aus, dass das gleichzeitig das ENDE der strafferen Geldpolitik darstellt, nicht den Beginn. (Wie ich in meinem letzten Kommentar erläuterte, begann der aktuelle Zyklus in Wirklichkeit vor mehr als zwei Jahren, als die US-Notenbank die zukünftige Einschränkung der quantitativen Lockerungen bekanntgab.)

Die für diesen Monat erwartete Zinsanpassung wurde oft als "Liftoff", d. h. als Raketenstart bezeichnet - eine Formulierung, die nahelegt, dass es sich dabei um den Beginn eines Prozesses handelt, der das Raumschiff schließlich in den Orbit befördert. Der Start wird in diesem Fall allerdings viel unspektakulärer ausfallen. Das Fed-Raumschiff nach Nirgendwo wird wohl einfach für eine Weile kurz über der Abschussrampe schweben, bevor es zurück zur Erde fällt.

Wenn wir glauben, dass die Fed ihre Entscheidung weiterhin von "der Datenlage abhängig" macht, dann sollten wir nicht erwarten, dass in diesem Monat überhaupt etwas passiert. Die neusten Wirtschaftsdaten beinhalten schrecklich deprimierende Einzelhandelsverkaufszahlen, einen Wert für den ISM Manufacturing Index, der zeigt, dass die produzierende Industrie in den USA schon jetzt in einer Rezession ist, einen viel schlechteren Stand des ISM-Dienstleistungsindex, als erwartet, und zeichnen insgesamt das Bild eines rasanten Konjunkturrückgangs.

Selbst die angeblich guten Arbeitsmarktdaten, laut denen im November 211.000 neue Stellen geschaffen wurden, lassen einen enormen Anstieg der Anzahl derer erkennen, die Teilzeitbeschäftigungen annehmen mussten (319.000), weil sie keine Vollzeitanstellung fanden (Quelle: Bureau of Labour Statistics, 7. Dezember 2015).

Die aktuelle "Erholung" verdanken wir allein dem größten Währungsexperiment der Geschichte - und das hat uns neue Schulden in Höhe von Billionen von US-Dollar beschert, die wir aller Wahrscheinlichkeit nach niemals zurückzahlen können, während der sogenannte Aufschwung schon jetzt das letzte Bisschen an Schwung verliert. In der Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg kam es in der US-Wirtschaft im Schnitt alle sechs Jahre zu einer Rezession.

Seit dem Beginn des letzten offiziellen Abschwungs sind bereits acht Jahre vergangen - die Zeit arbeitet also nicht unbedingt für uns. Interessanterweise berichtete das Wall Street Journal diese Woche in einer Titelstory, dass der Junk-Bond-Markt 2015 voraussichtlich den ersten Jahresverlust seit der Finanzkrise von 2008-2009 verzeichnen muss. Viele Ökonomen sehen in der Notlage dieser hochverzinslichen Schuldverschreibungen das erste Anzeichen einer Rezession.

Doch statt zuzugeben, dass ihre rosigen Prognosen zu optimistisch waren und damit den Verlust ihrer noch verbleibenden Glaubwürdigkeit zu riskieren, scheint die Fed den Märkten beweisen zu wollen, dass sie noch in der Lage ist, ihre Versprechen einzulösen und den Leitzins tatsächlich anzuheben. Das ist aber nur der leichte Teil der Übung. Obwohl ich der Meinung bin, dass selbst eine Zinserhöhung um 25 Basispunkte ein zu großes Hindernis für unsere im Moment so kraftlose Wirtschaft darstellen könnte, ist das normalerweise nichts, was eine auch nur halbwegs gesunde Wirtschaft in Angst und Schrecken versetzen sollte.

Der Dollar ist nicht aus Angst vor einer Zinsanhebung um 0,25% innerhalb des letzten Jahres gegenüber vielen anderen Währungen um 30% oder mehr gestiegen. Was die Märkte wirklich in Bewegung versetzt hat, war die Aussicht auf eine deutlich restriktivere Geldpolitik.

Diese Ängste gerieten im September plötzlich ins Zentrum der Aufmerksamkeit, als die weit verbreitete Sorge über eine unmittelbar bevorstehende Anpassung des Leitzins dazu führte, dass der Dow Jones erstmals seit vier Jahren um 10% nach unten korrigierte. Von diesem Zeitpunkt an bemühte sich Janet Yellen sehr, zu betonen, dass nicht die erste Zinsanhebung von entscheidender Bedeutung sei, sondern was danach geschehe. Folglich misst die Wall Street dem Start der Rakete mittlerweile eine viel geringere Bedeutung zu, als ihrer letztlichen Flugbahn.

Noch in diesem Sommer sagten viele Ökonomen vorher, dass die Federal Funds Rate, der Leitzins der USA, bis zum Ende des Jahres 2017 bei mindestens 2% liegen würde. In der am 17. September 2015 veröffentlichten Zusammenfassung der Wirtschaftsprognosen gingen sogar die Analysten den Notenbank selbst noch von einem Zinsniveau von mehr als 2,5% gegen Anfang 2018 aus. Seitdem wurden die Prognosen immer weiter nach unten korrigiert. Die derzeit gehandelten Optionskontrakte, die sogenannten Fed-Funds-Futures, implizieren eine Wahrscheinlichkeit von 79%, dass die Fed den Zins im Dezember erhöht (Stand vom 4.12.2015). Die Wahrscheinlichkeit wird damit im Verhältnis zu den Werten der letzten Monate vergleichsweise hoch bewertet.


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