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Bringt die US-Frackingindustrie die Gesamtwirtschaft ins Wanken?

23.02.2016  |  Carsten Klude
Schwache US-Konjunkturdaten haben in den vergangenen Wochen verstärkt die Aufmerksamkeit von Ökonomen und Marktteilnehmern auf sich gezogen. Insbesondere in der Industrie haben sich seit dem Sommer vergangenen Jahres viele Frühindikatoren - zum Teil deutlich - eingetrübt. So liegt der nationale Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe seit Oktober 2015 unter der 50-Punkte-Marke, die die Grenze zwischen Wachstum und Schrumpfung in einem Sektor definiert.

Mit zuletzt 48,2 Punkten befindet sich die US-Industrie zumindest an der Grenze zu einer Rezession, wobei einige der regionalen Einkaufsmanagerindizes wie zum Beispiel der der Dallas Fed sogar einen noch stärkeren Einbruch der wirtschaftlichen Aktivität signalisieren. Allerdings ist das niedrige Niveau des nationalen ISM-Index noch kein Anzeichen für eine Rezession der Gesamtwirtschaft, denn nach Angaben des Institute for Supply Management kam es in der Vergangenheit erst dann zu einer Rezession in den USA, wenn der nationale Einkaufsmanagerindex unter 43,2 Punkten lag.

Was sind die Ursachen, die für diese Entwicklung verantwortlich sind? Und besteht das Risiko, dass sich die Schwäche der Industrie auf den Rest der US-Wirtschaft überträgt? Das verarbeitende Gewerbe, das nur noch einen Anteil von gut 10 Prozent an der gesamten US-Wertschöpfung hat, leidet unter verschiedenen negativen Einflussfaktoren.

Aufgrund der divergierenden Zinspolitik zwischen der US-Notenbank und dem (gefühlten) Rest der Welt hat der US-Dollar seit Sommer 2014 gegenüber den meisten anderen Währungen stark aufgewertet. Im Vergleich zu einem Währungskorb, der die Wechselkurse der wichtigsten US-Handelspartner repräsentiert, hat der USDollar im Laufe des vergangenen Jahres zwischenzeitlich um mehr als 20 Prozent aufgewertet. Die stärkste Dynamik war dabei zwischen Anfang und Mitte 2015 zu beobachten.

Aufgrund der Schnelligkeit der Aufwertung war es für die meisten US-Unternehmen so gut wie unmöglich, auf die Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit adäquat zu reagieren, sei es mit Kostensenkungen oder Produktivitätssteigerungen. Als Folge haben viele US-amerikanische Firmen Umsätze und damit Marktanteile an Wettbewerber außerhalb der USA verloren. Die gesamten US-Exporte sanken 2015 um 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr, wobei sich die Ausfuhren gegenüber den wichtigsten Handelspartnern Europa und Mexiko nur leicht, gegenüber Kanada jedoch deutlich verringerten.

Der Druck auf die Exporte hat zuletzt sogar noch zugenommen, obwohl der Höhepunkt der Dollar-Aufwertung schon im Sommer 2015 erreicht wurde. Handelsströme reagieren üblicherweise erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung auf Wechselkursveränderungen, sodass davon auszugehen ist, dass der Gegenwind seitens des US-Dollar für die amerikanischen Unternehmen in den kommenden Monaten sukzessive abnehmen wird - falls der Greenback nicht wieder stärker werden sollte; doch davon gehen wir nicht aus.

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Neben der Nachfrageschwäche aus dem Ausland hat sich auch die inländische Nachfrage nach Produkten aus dem verarbeitenden Gewerbe abgeschwächt. Zu den Ursachen, die hierfür ausschlaggebend sind, kommen wir gleich noch ausführlich. Im Ergebnis hat die geringere Nachfrage dazu geführt, dass die US-Unternehmen ihre Produktion in den vergangenen Monaten gedrosselt haben, allerdings nicht in einem ausreichendem Maße. Dies ist daran ersichtlich, dass die Lagerbestände schneller gewachsen sind als die Umsätze.

Lagerbestände können aus zwei unterschiedlichen Gründen aufgebaut werden: Entweder freiwillig, wenn man davon ausgeht, dass die zukünftige Nachfrage so hoch ist, dass die Läger wieder geräumt werden; oder unfreiwillig, wenn die tatsächliche Nachfrage die eigenen Planungen unterschreitet. Der derzeit zu beobachtende Lageraufbau ist unfreiwilliger Natur und auf eine zu schwache Nachfrage zurückzuführen. Um dies zu korrigieren, werden die US-Firmen in den kommenden Monaten ihre Produktion noch weiter reduzieren müssen.

Unseres Erachtens spielt der Lagerzyklus derzeit die Hauptrolle bei den schwachen US-Daten, da er den eigentlich immer noch aufwärts gerichteten Konjunturzyklus überlagert. Bis es zu einer Normalisierung des Verhältnisses von Lagerbeständen und Umsatztätigkeit kommt, können noch rund 6 Monate vergehen. Von daher dürfte die US-Wirtschaft zunächst noch unterdurchschnittlich wachsen, ehe es dann im Laufe des zweiten Halbjahres zu einer Erholung kommen kann.

Aber warum ist die inländische Nachfrage nach industriellen Erzeugnissen in den USA überhaupt so schwach? Unserer Meinung nach lassen sich zwei "Hauptverantwortliche" für diese Schwäche identifizieren. Zum einen dürfte ein nicht unerheblicher Effekt auf das Wetter zurückzuführen sein. Während beispielsweise der warme Sommer dazu geführt hat, dass die Klimaanlagen von Juni bis September auf Hochtouren liefen, führt der ebenso warme Winter dazu, dass wesentlich weniger geheizt werden musste als sonst üblich. Von daher haben die Energieversorger in den USA wesentlich weniger produziert, als es sonst zu dieser Jahreszeit üblich ist. Im Vorjahresvergleich haben die US-Versorger 5 Prozent weniger Strom und Energie produziert.

Zum anderen - und dies ist der wesentlich wichtigere Effekt - hat der Rückgang des Ölpreises die amerikanische Frackingindustrie hart getroffen. Die Öl- und Gasbohrungen sind seit Beginn des Jahres 2015 massiv eingebrochen und liegen aktuell rund 60 Prozent (!) unter dem Niveau des Vorjahres. Diese Entwicklung entspricht auch exakt dem "Rig Count" der Erdöl-Service-Gesellschaft Baker Hughes, die wöchentlich die Anzahl der aktiven Bohrtürme veröffentlicht. Da die getätigten Bohrungen einen zeitlichen Vorlauf vor der tatsächlichen Ölförderung haben, ist absehbar, dass diese in den kommenden 6 bis 12 Monaten deutlich sinken wird.

Der Rückgang der Bohraktivitäten der US-amerikanischen Energieunternehmen wirkt sich aber nicht nur auf die gesamtwirtschaftliche Industrieproduktion negativ aus, sondern unter anderem auch auf die Investitionen. Von den 2,3 Billionen US-Dollar, die im 4. Quartal 2015 in Ausrüstungsinvestitionen geflossen sind, kamen gerade einmal 65 Milliarden US-Dollar von Unternehmen aus der Frackingindustrie, also knapp 3 Prozent.

Vor einem Jahr betrug das Investitionsvolumen dagegen noch 145 Milliarden US-Dollar, mithin haben sich die Ausgaben in diesem Zeitraum mehr als halbiert. Und auch wenn die absoluten Zahlen bei den getätigten Investitionen eher gering anmuten, darf man nicht übersehen, dass ihre Veränderungen in den vergangenen Jahren zum Teil erheblichen Einfluss auf das gesamte Wachstum der US-Investitionen hatten (die folgenden Daten stammen alle vom US Bureau of Economic Analysis): Zwischen 2010 (2011) und 2014 machte das Investitionswachstum in der Ölindustrie rund 50 (25) Prozent des gesamten USInvestitionswachstums aus! (1)

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