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Die Banken in der Derivate-Krise - weltweit

14.05.2016  |  I.M. Vronsky
"Derivative sind finanzielle Massenvernichtungswaffen. Sie bringen Risiken mit sich, die derzeit latent sein mögen, potentiell jedoch tödlich sein können."
- Warren Buffett

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Derivate: Die Hintergründe

Die Megabanken verwenden Derivate, um Risiken zu handeln und an andere Gesellschaften zu verkaufen, während sie den Basiswert selbst in ihren Büchern behalten. Auf diese Weise können sie Kapitalanforderungen umgehen und höhere Schulden aufnehmen, was ihnen wiederum ermöglicht, mehr Trades abzuschließen. Das bedeutet aber auch, dass Unternehmen, deren Kreditlast ihre tatsächlichen finanziellen Mittel bei Weitem übersteigt, im Falle einer plötzlichen Verschlechterung der Marktlage sehr schnell bankrott gehen können.

Lehman Brothers erging es so, nachdem die Investmentbank 30mal mehr Kapital geliehen hatte, als sie als Reserve vorhielt. Das bedeutete in diesem Fall, dass schon ein verhältnismäßig geringer Verlust von nur 3% die Reserven (d. h. das Kapital) völlig aufzehrte und die Bank zusammenbrach. Sie war vollkommen ruiniert. Die Hebelwirkung, die sich mit Hilfe von Derivaten erzielen lässt, ist unbegreiflich. Es ist möglich, 30mal so viel Geld zu setzen, wie eigentlich zur Verfügung steht. Das ist finanzieller Wahnsinn.


Lehman Brothers: Der Anfang und das Ende

Lehman Brothers begann als bescheidenes, unprätentiöses Unternehmen. Die Wurzeln der Investmentbank liegen in einem kleinen Gemischtwarenladen, den der deutsche Immigrant Henry Lehman 1844 in Montgomery, Alabama, eröffnete. 1859 gründete Henry Lehman dann gemeinsam mit seinen Brüdern Emanuel und Mayer die Firma Lehman Brothers.

In den kommenden Jahrzehnten boomte die US-Wirtschaft und nahm auf internationaler Ebene eine führende Rolle ein. Das Unternehmen florierte, musste sich im Laufe der Jahre jedoch auch zahlreichen Herausforderungen stellen. Lehman Brothers überstand sie alle: die Insolvenzen der Eisenbahngesellschaften und die Große Depression in den 1930er Jahren, zwei Weltkriege, die Kapitalknappheit, als das Unternehmen 1994 von American Express Co. ausgegliedert wurde, den Zusammenbruch des Hedgefonds Long Term Capital Management und den Ausfall der an Russland vergebenen Kredite im Jahr 1998. Obwohl die Bank sich als fähig erwies, alle früheren Desaster zu meistern, brachte der Kollaps des US-amerikanischen Immobilienmarktes sie letztlich zu Fall. Lehman Brothers hatte sich Hals über Kopf in den Markt für Subprime-Hypotheken gestürzt - eine verhängnisvolle Entscheidung.

Am 5. September 2008 meldete Lehman Brothers Insolvenz an. Mit Aktiva im Wert von 639 Milliarden Dollar und Schulden in Höhe von 619 Milliarden Dollar war es das größte Insolvenzverfahren der Geschichte. Die Vermögenswerte der Bank überstiegen bei Weitem die Assets anderer Giganten wie WorldCom und Enron, die zuvor bankrott gegangen waren. Zur Zeit der Zusammenbruches war Lehman Brothers die viertgrößte Investmentbank in den USA und beschäftigte weltweit 25.000 Mitarbeiter.

Die größten Finanzinstitutionen der Welt handeln mit Derivaten. Dabei handelt es sich um Instrumente, deren Wert sich von den Preisschwankungen eines Basiswertes, beispielsweise einer Aktie oder einem Rohstoff ableitet. Finanzgesellschaften, Vermögensverwalter, Unternehmen und Regierungen verwenden Derivate, um sich gegen die Volatilität der Assets abzusichern, mit denen sie handeln oder von denen ihr Geschäft abhängt. Als Lehman Brothers Insolvenz anmeldete, hatte die Investmentbank ein Derivate-Portfolio mit einem geschätzten Nennwert von 35 Billionen Dollar.

Zwischen 2004 und 2007 waren Lehman Brothers und die Deutsche Bank tatsächlich ganz vorne mit dabei im globalen Finanzgeschäft. Sie haben sich im wahrsten Sinne des Wortes den Bauch mit Derivaten vollgeschlagen...bis zum Erbrechen. Als beide Banken daraufhin Verdauungsprobleme bekamen, weil sie Derivate in Höhe mehrerer Billionen Dollar nicht vertragen hatten, war die sprichwörtliche Kacke am Dampfen. Für Lehman Brothers bedeutete es das Ende. Der Aktienkurs der US-Bank befand sich im freien Fall und stürzte von ursprünglich 25 USD je Aktie im Jahr 2007 bis auf 10 Cents je Aktie im Jahr 2009.

Der Deutschen Bank erging es ähnlich: Ihr katastrophales Derivate-Exposure führte zum Einbruch der Aktienkurse von 135 Dollar im Jahr 2007 auf nur 17 Dollar aktuell. Das entspricht einem Verlust von atemberaubenden 87%. Zudem scheinen sich die Kurse der Deutschen Bank rasend schnell in die gleiche Richtung zu entwickeln, wie die von Lehman Brothers einige Jahre zuvor. Aufgrund ihres erdrückenden Exposures gegenüber den Derivaten wird die Deutsche Bank der US-Investmentbank wohl nachfolgen und ebenfalls den schicksalshaften Pfad zum Friedhof der Wall Street beschreiten (siehe Chart):

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Interessante historische Anmerkung: Als Lehman Brothers das Zeitliche segnete, standen Derivate im Wert von 35 Billionen USD in den Büchern. Die Deutsche Bank hat heute ein Exposure gegenüber Derivaten von unfassbaren 75 Billionen USD. Beim Vergleich dieser Zahlen wird klar, warum die Aktien der Deutschen Bank seit Jahren kontinuierlich und systematisch fallen. Allein heute, am 3. Mai, wurde in den frühen Handelsstunden in New York wieder ein Kursverlust von mehr als 6% verzeichnet. Warren Buffet hatte recht - Derivate sind Massenvernichtungswaffen.



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