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Der Dollar und Gold: Exakt falsch?

23.05.2016  |  Axel Merk
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Basierend auf den im Chart verwendeten Maßzahlen sind die realen Zinsen, kurz gesagt, negativ. Wenn Sie der Ansicht sind, dass die tatsächliche Inflationsrate womöglich höher ist, als offiziell angegeben, dann lägen auch die realen Zinsen noch tiefer im negativen Bereich. Bewegen sich die Realzinsen im Minusbereich, sind Investitionen in kurzfristige Staatsanleihen ein sicherer Weg, die eigene Kaufkraft zu verringern. Diese Situation wird auch als finanzielle Repression bezeichnet.

Kommen wir nun zu der weniger präzisen, doch viel wichtigeren Welt der Erwartungen. Wir alle kennen Start-Ups, die für jeden Klick auf ihre Webseite eine Pressemitteilung veröffentlichen. Wertpapieranalysten müssen in der Lage sein, sich durch dieses Dickicht an nutzlosen Informationen einen Weg zu bahnen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Man würde meinen, dass erfahrenere Firmen so etwas nicht mehr nötig haben, aber selbst die CEOs großer Unternehmen scheinen von Zeit zu Zeit das Bedürfnis zu verspüren, zu Jim Cramer vom Sender CNBC zu kommen und den Nachrichten, die ihre Unternehmen betreffen, einen hübschen Anstrich zu verpassen.

In Bezug auf die Währungen wird die Erwartungshaltung der Märkte hauptsächlich von den Zentralbanken beeinflusst - daher auch die Fokussierung auf das "Fed-Sprech" der US-Notenbank, die Äußerungen des EZB-Chefs Mario Draghi oder die Worte des Vorsitzenden der Bank of Japan, Haruhiko Kuroda. Man sollte meinen, dass es sich für solch etablierte Institutionen nun wirklich nicht schickt, sich so zu verhalten wie die erwähnten CEOS und es den Unternehmenschefs, die in die CNBC-Sendung Mad Money kommen, in gewisser Weise nachzutun - doch die letzten Jahre haben unserer Ansicht nach das Gegenteil bewiesen.

Zum einen sind da ebenfalls all die überflüssigen Informationen, beispielsweise das Geschwätz der nicht stimmberechtigten Mitglieder des Offenmarktausschusses der Federal Reserve. Zum anderen hat dieses Hintergrundrauschen aber auch eine ganz eigene, bedeutsame Dimension: Es dient nicht nur als Maßstab für interne Meinungsverschiedenheiten, sondern kann auch bei der Einschätzung des wahrscheinlichen geldpolitischen Kurses behilflich sein.

Selbst das Fehlen von zusätzlichem Gerede kann über Unstimmigkeiten Aufschluss geben. Die Abwesenheit von Stanley Fischer, dem Vizevorsitzenden der Fed, von der Rednerrunde weist in unseren Augen auf ein ernstes Zerwürfnis mit der Vorsitzenden Janet Yellen über die Richtung der künftigen Fed-Politik hin. Wir fragen uns bereits, wann Fischer sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Dienst bekanntgeben wird.

Es kommt unweigerlich die Frage auf, wem man zuhören sollte, um sich in diesem Wirrwarr an Informationen zurechtzufinden. Unter den Insidern herrscht im Allgemeinen die Ansicht, dass die Gouverneure, d. h. die Ratsmitglieder, den Ton angeben und dabei von den bei der Fed beschäftigten Ökonomen unterstützt werden. Die Mitglieder des Board of Governors sind nicht zu verwechseln mit den Vorsitzenden der regionalen Zweigstellen der Notenbank, die sicherlich viel zur Diskussion beitragen, aber einen geringeren Einfluss auf den letztlich gewählten Kurs haben.

Werfen wir einen Blick auf die Gouverneure. Janet Yellen kommt als Vorsitzende zweifellos eine zentrale Rolle zu. Abgesehen vom Vizevorsitzenden Fischer ist derzeit allerdings nur ein promovierter Wirtschaftswissenschaftler im Board of Governors vertreten, namentlich Lael Brainard. Alle anderen Ratsmitglieder sind Anwälte. Diese Anwälte haben unserer bescheidenen Auffassung nach zwar sicherlich gefestigte Ansichten bezüglich regulatorischer Aspekte des Finanzwesens, doch wenn es um die Festlegung der Leitzinssätze geht, werden sie sich wahrscheinlich von der Vorsitzenden und den raffinierten Präsentationen ihrer Mitarbeiter überzeugen lassen.

Ich stelle Lael Brainard an dieser Stelle heraus, weil ihm die Öffentlichkeit zwar keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat, er in den letzten Monaten jedoch für das viel vorsichtigere (d. h. "taubenhafte") Vorgehen der Fed plädiert hat. Nachdem Janet Yellen den Märkten im vergangenen Herbst gesagt hatte, dass die Notenbank den Zinssatz schon bald deutlich anheben würde, machte sie später eine Kehrtwende. Diese Kursänderung wurde unserer Ansicht nach von ihrem engen Vertrauten Brainard unterstützt, von Fischer aber abgelehnt. Allerdings ist der Vize ein viel zu großer Gentleman, als dass er öffentlich widersprechen würde.

Äußerungen zur Geldpolitik scheinen immer mit dem Ziel gemacht zu werden, die Erwartungen der Märkte zu steuern. Nach dieser Logik können diejenigen, die die Zinserwartungen beeinflussen, unter anderem auch den Wert des Dollars beeinflussen. Der Ehemalige Vorsitzende der Federal Reserve Ben Bernanke entschied sich, dieses Konzept auf die nächste Stufe zu heben und führte im Namen der "Transparenz" die sogenannte "Forward Guidance" ein, indem er den Märkten Hinweise auf die künftige Notenbankpolitik gab.

Diese Begriffe stehen in Anführungszeichen, weil eine gehörige Portion Skepsis hier meiner Meinung nach durchaus angebracht ist. Natürlich wäre es schön, wenn wir im Voraus wüssten, was die Zentralbanken planen, und wenn ihre gesamte Politik etwas transparenter wäre. Ich behaupte allerdings, dass das nicht der Fall ist.


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