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Die gewollte Inflation

06.03.2017  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Die EZB scheint die Inflation weiter in die Höhe treiben zu wollen - und vergrößert damit die Probleme für die Sparer im Euroraum.

Die Inflation kommt weder über Nacht, noch fällt sie wie ein Naturereignis vom Himmel. Sie bahnt sich an, hat eine Vorgeschichte. Und sie ist stets menschgemacht. - Wenn man über Inflation spricht, ist es sinnvoll, genau zu sagen, über was man spricht. Die meisten Menschen verstehen unter Inflation einen fortgesetzten Anstieg der Konsumentenpreise. Das jedoch ist zu kurz gegriffen.

Denn das fortgesetzte Ansteigen der Preise ist nur das Symptom einer Ursache - und diese Ursache ist das Wachstum der Geldmenge. Vereinfacht gesprochen: Steigt die Geldmenge, so fallen auch die Preise höher aus (im Vergleich zu einer Situation, in der die Geldmenge konstant geblieben wäre). So gesehen ist es sinnvoller, die Inflation als eine Geldmengenausweitung zu verstehen.

Hinzu kommt, dass das Ausweiten der Geldmenge sich nicht nur in den Preisen der Konsumgüter zeigt. Sie erfasst auch die Preise der sogenannten Bestandsgüter. Hierzu zählen zum Beispiel Häuser, Grundstücke, Aktien und Anleihen. Eine "Vermögenspreisinflation" (englisch: "Asset Price Inflation") zerstört die Kaufkraft des Geldes natürlich genauso wie eine Preisinflation der Konsumgüter.

Steigende Preise - als Folge einer (übermäßig) stark steigenden Geldmenge - ruinieren jedoch nicht nur die Kaufkraft des Geldes. Sie verursachen auch eine nicht-marktkonforme Umverteilung von Einkommen und Vermögen. Diejenigen, die die neu geschaffene Geldmenge zuerst erhalten, sind die Gewinner. Sie können zusätzliche Güter zu unveränderten Preisen kaufen.

Wenn die Geldmenge von Hand zu Hand geht und für Käufe eingesetzt wird, steigen die Güterpreise. Diejenigen, die die neu geschaffene Geldmenge erst später erhalten (oder die gar nichts von ihr abbekommen), sind daher die Verlierer. Sie können zusätzliche Güter nur noch zu erhöhten Preisen kaufen. Das Geldmengenvermehren begünstigt damit die einen auf Kosten der anderen.


Realzins bleibt negativ

Im Euroraum sorgt die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) für steigen-de Preise - und damit für die oben beschriebenen Umverteilungseffekte. Zudem hat die EZB in den Anfangsjahren des Euro einen Kreditboom in Gang gesetzt, der mittlerweile geplatzt ist, und der eine Reihe von Euro-Volkswirtschaften in eine schwere Schulden- und Wachstumskrise geführt hat.

Mit ihrer Null- beziehungsweise Negativzinspolitik versucht die EZB nun die Euro-Schuldenpyramide vor dem Einsturz zu bewahren. Das ist bislang gelungen. Die Wirtschaften in vielen Euro-Ländern haben sich wieder gefangen, und eine erneute "konjunkturelle Scheinblüte" ist in Gang gekommen. Die Preise im Euroraum haben begonnen, auf breiter Front zu steigen.

Und genau das ist es vermutlich auch, was die EZB letztlich beabsichtigt: Die Inflation in die Höhe zu treiben. Der Grund für diese Einschätzung ist der Folgende: Die Null- beziehungsweise Negativzinspolitik der EZB lässt sich nicht dauerhaft durch-führen. Der Euro-Bankenapparat verliert ansonsten sein Geschäftsmodell. Die Rückkehr zu (etwas) höheren Nominalzinsen ist unausweichlich.

Damit die Schuldner dann jedoch nicht in Bedrängnis geraten, muss die EZB dafür sorgen, dass die Nominalzinsen nach Abzug der Inflation negativ bleiben. Ein plausibles Szenario sieht wie folgt aus: Die EZB lässt die nominalen Langfristzinsen für Staatsanleihen langsam auf etwa ein bis zwei Prozent steigen. Gleichzeitig pumpt sie so viel neues Geld in Umlauf, dass die Inflation auf vier Prozent steigt. Der Euro-Realzins fällt dann auf minus drei beziehungsweise minus zwei Prozent.

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Quelle: Bloomberg; eigene Berechnungen.
1) Nominalzins abzüglich der laufenden Konsumentenpreisinflation



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