Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Die Zinsplanwirtschaft der EZB

13.05.2017  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auch wenn die EZB einen Kurswechsel andeutet: Die Phase der "finanziellen Repression" ist nicht vorbei, sie nimmt nur eine andere Gestalt an.

Die Europäische Zentralbank (EZB) sendet Signale aus, sie werde bald ihre extreme Niedrigzins- und Anleiheaufkaufpolitik beenden. Der Grund für den in Aussicht gestellten Kurswechsel ist jedoch vermutlich nicht so sehr die steigende Inflation und die sich verbessernde Konjunktur im Euroraum, sondern vielmehr die problematische Lage im Euro-Bankensektor. Die Euro-Banken haben nämlich bei Null- beziehungsweise Tiefstzinsen ein ernstes Problem: Sie verdienen im Kreditgeschäft kaum mehr was. Gleichzeitig setzt der negative Einlagenzins die Banken zusehends auch noch unter Kostendruck: Sie müssen den Strafzins auf die Kunden abwälzen, die das aber nicht hinnehmen wollen.

Open in new window
Quelle: Bloomberg


Das Europrojekt steht und fällt mit dem Fortführen der expansiven EZB-Geldpolitik. Vor allem die Niedrigzinspolitik sorgt dafür, dass strauchelnde Euro-Staaten und -Banken nicht zahlungsunfähig werden. Zudem haben die Niedrigzinsen dafür gesorgt, dass die Vermögenspreise wie Aktien, Häuser und Grundstücke in die Höhe gestiegen sind - und das hatte einen positiven Effekt für das Eigenkapital der Banken. Wie kann also ein Ausstieg aus der Tiefzinspolitik, den die EZB andeutet, aussehen?

Nun, eine Rückkehr zur "Normalität" bei den Zinsen ist recht unwahrscheinlich. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass ein neues Zinsexperiment beginnt. Dabei müssen drei Dinge gelingen:

(1) Die EZB muss die nominalen Kurzfristzinsen zurück auf beziehungsweise leicht über die Nulllinie heben.

Sie muss (2) dafür sorgen, dass dabei die Zinskurve hinreichend steil bleibt (die Langfristzinsen müssen über den Kurzfristzinsen verbleiben).

Und (3) die Zinsen dürfen nach Abzug der Inflation nicht positiv (oder wenn, dann nur ganz leicht positiv) sein.

Die EZB wird also vermutlich dazu übergehen (müssen), die Langfristzinsen weiterhin direkt zu steuern - das heißt, sie wird weiter Anleihen aufkaufen müssen beziehungsweise den Finanzmärkten zusichern, Anleihen aufzukaufen, um politisch ungewollte Zinsbewegungen nach oben und nach unten zu verhindern. Zudem wird sie dafür sorgen müssen, dass die Inflation (nicht nur der Konsumgüterpreise, sondern auch die der Bestandsgüterpreise) so hoch ausfällt wie der Nominalzins. Die Phase der "finanziellen Repression" im Euroraum ist mit einem Zinswechsel der EZB folglich nicht beendet, sie nimmt nur eine andere Gestalt an.

Ein baldiger Rückzug der EZB aus den Kreditmärkten ist folglich wenig wahrscheinlich. Das wiederum wird für weitere Probleme sorgen. Ein künstlich niedrig gehaltener Zins hält zwar das Euro-Projekt über Wasser. Es sorgt jedoch für Kapitalfehllenkung auf breiter Front. Beispielsweise werden dadurch Unternehmen mit geringer Profitabilität subventioniert. Besseren Anbietern wird erschwert, Marktanteile hinzuzugewinnen. Das lähmt in der Konsequenz die Wachstumskräfte.

Hinzu kommt, dass die Kreditzinsen künstlich gedrückt - also unter dem Niveau verbleiben, das sich einstellen würde, wenn die EZB nicht in die Kreditmärkte eingreifen würde. Dadurch werden Anreize für eine übermäßige Verschuldung gesetzt, und die Entschuldung wird entmutigt. Die "Kultur des Wirtschaftens auf Pump" wird gefördert. Wenn die Zinsen im internationalen Vergleich niedrig bleiben, wandert Investitionskapital ab. Auch das schmälert die Wachstumsperspektiven der Volkswirtschaften.

Und nicht zuletzt wird ein negativer Realzins die Ersparnisbildung unmöglich machen. Der Kapitalstock, den sich viele Menschen für die Altersversorgung aufgebaut haben, wird entwertet. Sie werden - noch stärker als jetzt - zu Almosenempfängern des Staates. Die wachsende Abhängigkeit der Menschen vom Staat hat politische Konsequenzen. Am Ende der Politik des negativen Zinses steht der - wie Ludwig Erhard (1897 - 1977) ihn nannte - "soziale Untertan".

Die Politik der künstlich niedrig gehaltenen Zinsen erfordert, wie bereits ausgeführt, dass die Zentralbank Schuldpapiere aufkauft beziehungsweise signalisiert, dass sie (jederzeit) bereit ist, durch Wertpapierkäufe die Marktzinsen nach politischen Erwägungen zu beeinflussen. Japan ist bereits gegen Ende der 1990er Jahre auf eine Nullzinspolitik eingeschwenkt. Seit Ende 2012 kauft sie nun auch noch Staatsanleihen im großen Stile auf. Darauf könnte es auch im Euroraum hinauslaufen, wenn wachstumsfördernde Reformen ausbleiben - und die Wahrscheinlichkeit, dass sie ausbleiben, schwindet mit der Fortführung der Zinsplanwirtschaft, die die EZB betreibt.

Open in new window
Quelle: Bloomberg


Open in new window
Abbildung links: Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnung. *Q1 2000 = 100
Abbildung rechts: Quelle: Thomson Financial; eigene Berechnung. *Steigt (fällt) die Linie, wertet der Euro auf (ab). Gestrichelte schwarze Linie: Durchschnittswert 1975 bis 2017. Durchgezogene rote Linie: 1999 bis 2017


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Quelle: Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"