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Der nächste Minsky-Moment

27.06.2017  |  John Mauldin
- Seite 3 -
Doug Kass ist das ebenfalls aufgefallen. Hier ist ein Auszug aus unserer E-Mail-Konversation der letzten Woche:

"Während des Dotcom-Booms von 1997 bis Anfang 2000 herrschte das Versprechen (und der Traum) eines neuen Paradigmas. Die gute Performance konzentrierte sich auf einen ausgewählten Aktiensektor. Anschließend fiel der Nasdaq im Laufe der nächsten Jahre um rund 85%.

Ich habe darüber nachgedacht, wie viele Bedingungen von damals heute ebenfalls wieder gegeben sind - insbesondere die unpassende Vorstellung vom "Langen Boom", die 1999 durch das Magazin Wired verbreitet wurde. Es handelte sich dabei um ein neues Paradigma von einer wahrscheinlich langen und ununterbrochenen Periode des wirtschaftlichen Wohlstandes. Dieses Konzept wurde in der Investmentwelt schnell akzeptiert und bot weitere Unterstützung für die steigenden Aktienkurse!

[Anmerkung: Hier ist ein Link zu dem Artikel, den Doug erwähnt.]

2007 wurden dann neumodische finanzielle Massenvernichtungswaffen wie die Subprime-Hypotheken, die feingeschnitten und gewürfelt zu neuen Finanzprodukten verpackt wurden, weil sich die ganze Welt nach Renditen sehnte, von fast allen als sicher betrachtet. Und wie schon in früheren Zeiten spekulativer Exzesse ignorieren oder verkennen die gleichen Strategen, Kommentatoren und Vermögensverwalter, die uns auch vor den vergangenen Crashs nicht warnten, heute wieder die großen systemischen Risiken (ihre Lieblingsphrase: "der makroökonomische Hintergrund ist freundlich"), die dazu beigetragen haben, dass der US-Aktienmarkt heute so überbewertet und übertrieben beliebt ist."


Doug weist insbesondere auf Farrells Regel Nr. 7 bezüglich der Marktbreite hin. Eine Rally, die von einer Handvoll extrem populärer Aktien angeführt wird, ist viel weniger nachhaltig als eine, die alle Kurse steigen lässt. Wir sehen das aktuell am zunehmenden Interesse an den FAANG-Atkien (Facebook, Apple, Amazon, Netflix, Google). An Tesla muss ich in diesem Zusammenhang ebenfalls denken. Es ist unbestreitbar, dass der Einfluss dieser Aktien auf die gemäß der Marktkapitalisierung gewichteten Indices den Markt verzerrt. Solche Situationen nehmen nur selten ein gutes Ende.


Minsky in China

Was steckt hinter diesen Verzerrungen? Letztlich dreht sich alles um die Kapitalströme. Die Assetpreise steigen, wenn die Nachfrage das Angebot übertrifft und das geschieht, wenn Aktien, Immobilien und andere Vermögenswerte als lohnendere Anlageoption erscheinen als Bargeld. Diejenigen mit den meisten unerwünschten Barmitteln konkurrieren miteinander beim Kauf der Alternativen.

Die Federal Reserve und die Zentralbanken anderer hochentwickelter Staaten haben in den vergangenen Jahren zudem jede Menge Liquidität geschaffen. Das spielt mit Sicherheit ebenfalls eine Rolle. Ein noch größerer Faktor könnte jedoch China sein.

Denken Sie an das explosive Wirtschaftswachstum Chinas. Dieses ist eine direkte Folge der Nachfrage nach chinesischen Exportprodukten in den USA und in einem geringerem Maße auch in Europa. Wir schicken ihnen Dollars und Euros, sie liefern uns alle erdenklichen Dinge und Geräte. Wohlhabende Chinesen und die Regierung des Landes haben jedoch gar kein Interesse an US-Dollars, deshalb schicken sie uns die Währungseinheiten im Tausch gegen andere Assets prompt wieder zurück: Sie kaufen dafür Wohn- und Geschäftsimmobilien, Aktien, US-Staatsanleihen und ganze Unternehmen.

Im Inland unterstützt die chinesische Regierung unterdessen aggressiv die Kreditvergabe für Projekte, die in einer freien Marktwirtschaft nie zustande kommen würden. Ich möchte hier einen entscheidenden Punkt herausstellen: Die chinesische Zentralbank führt zwar kaum quantitative Lockerungen durch, aber die Art, wie die Regierung die ungezügelte Kreditvergabe der Banken nutzt, ist im Grunde genommen nichts anderes.

Die Banken schöpfen schon seit geraumer Zeit Jahr für Jahr mehrere Billionen Yuan. Wenn wir die Kredite der chinesischen Geschäftsbanken zu den Statistiken der weltweiten quantitativen Lockerungen hinzuaddieren, erhalten wir eine erschreckende Gesamtsumme. Und ich denke, dass es durchaus angemessen ist, diese Werte mit einzukalkulieren.

In Peking ist man der Ansicht, dass die massive Kreditausweitung der Banken nützlich ist, um die Bevölkerung glücklich und zufrieden mit ihrer Regierung zu machen. Bis jetzt hat das auch recht gut funktioniert. Das kann zwar nicht ewig gutgehen, aber die Regierung scheint es unbedingt versuchen zu wollen. Das Wall Street Journal schreibt in einem Bericht vom 14. Juni Folgendes zu diesem Thema:

"Während Peking einerseits eine öffentlichkeitswirksame Kampagne zur Reduzierung des Verschuldungsgrads an den Finanzmärkten durchführt, ermuntert die Regierung andererseits zur möglicherweise leichtsinnigen Aufnahme von Krediten. Diese Woche haben die Regulatoren den Druck auf die Banken erhöht, mehr Kredite an kleine Unternehmen und Bauern zu vergeben, und die Regierung hat Steuererleichterungen für Finanzinstitutionen angekündigt, die Geld an Haushalte in ländlichen Regionen verleihen. Dem war kürzlich eine neue Richtlinie vorausgegangen, derzufolge die Banken Abteilungen für Mikrofinanzierungen ("Inclusive Finance") einrichten sollen.

Das Ziel, Kredite auch an ärmere Kunden zu vergeben, erscheint nobel, doch es wird befürchtet, dass die Umsetzung dieser Richtlinie die bestehenden Probleme der chinesischen Banken nur verstärken wird, insbesondere den hohen Anteil an notleidenden und falsch bepreisten Krediten. Die Kreditvergabe der Banken an kleine Unternehmen wächst bereits stark und die Summen, um die es dabei geht, sind nicht trivial: In den zwölf Monaten bis zum März wurde ein Anstieg um 17% auf insgesamt 27,8 Billionen Yuan (4,084 Billionen Dollar) verzeichnet. Die Kreditvergabe an mittlere bis große Unternehmen hat sich im gleichen Zeitraum dagegen nur um 7% erhöht."


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